Kapitel 11. Eine neue Bekanntschaft

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In den nächsten Tagen war Ora viel beschäftigt, sie hatte noch einiges vorzubereiten.
Die Schüler waren nur noch selten zu Besuch.
Wenn sie jedoch kamen, halfen sie wo sie konnten.

Doch sie waren nicht die einzigen, die ab und zu in den Wald kamen.
Ganz in der Nähe der Höhle campierte eine Gruppe Wissenschaftler, die die Tierwelt in dem noch wenig erforschten Tierschutzgebiet untersuchten.
Ihnen war zu Ohren gekommen, eine noch unbekannte Tierart würde in diesen Wald leben. Einige Wanderer hätten eine Begegnung mit einer riesigen Echse gemacht.
Das wollten sie sich natürlich nicht entgehen lassen.
Ora hatte die Forscher schon lange bemerkt, doch ließ sich nicht davon stören.
Die Gruppe bestand aus zwei Männern und einer Frau.
Die Frau war die eigentliche Wissenschaftlerin.
Die beiden Männer sorgten dafür, dass ihr nichts geschah, sollte sie auf ein gefährliches Tier treffen.
Vor einigen Tagen hatten sie mitten in der Nacht ein seltsames Geräusch gehört.
Es klang eher nach einer Trommel, als nach einem Tier.
Die Frau war sich jedoch sicher, dass es eine neue Tierart sein musste.
Seit die drei dort campierten, verließ Ora die Höhle nur noch nachts.
Dies kostete sie viel Zeit, die sie eigentlich brauchen konnte, um Ressourcen zu sammeln.
Auch ihre Freunde konnten nicht kommen, solange sie da waren.
Doch nach einer Woche wurde es ihr zu blöd.
Sie flog am hellichten Tag von ihrer Höhle zum See und wieder zurück, ohne auf die fremden Menschen zu achten.
Diesen fiel es natürlich sofort auf.
"Habt ihr das gesehen?", fragte die Frau, Jean.
Sie war unglaublich begeistert davon.
"Was war das?", fragte einer der Männer, mit dem Namen Gabriel, "Eine riesige Fledermaus?"
"Das lässt sich herausfinden!", sagte Jean und zog den zweiten Mann, Nathan, mit sich mit.
Gabriel rannte hinterher, den Koffer mit dem Betäubungsgewehren in der Hand.
Am See angekommen, warteten die drei im Gebüsch, bis Ora zurückkam.
Diese hatte das natürlich bemerkt, weshalb sie zuerst vorsichtig blieb.
Erst als die Forscher langsam aufgaben, flog der Drache wieder hin.
Sie hatte einige Fische im Visier und stürzte sich im Sturzflug ins Wasser.
Gabriel reagierte nicht schnell genug, um das Gewehr zu ziehen, außerdem konnte er sie über dem See nicht abschießen, da sie sonst ertrinken würde.

Nach etwa zwei Minuten kam die Echse mit einem Maul voll mit Fischen aus dem Wasser und flog schnurstracks wieder zu ihrem Zuhause.
Die Wissenschaftler kamen ihr hinterher und warteten darauf, dass sie zurückkam.
Doch das tat sie nicht.
Stattdessen schlug sie sich den Bauch seit langem wieder mal richtig voll und begann danach damit, einen Hinterausgang zu bauen.
Die Höhle war ein alter Stollen, welcher vor einigen Jahren zugeschüttet worden war.
Der Drache musste nur ein paar große Felsbrocken wegschieben, schon war sie draußen.
"Das Vieh ist geduldig!", sagte Nathan gelangweilt.
"Irgendwann muss es wieder raus kommen!", sagte Jean, "Abwarten!"
Sie ahnte nicht, wie recht sie hatte.
Ora schlich immer wieder direkt vor ihrer Nase aus der Höhle heraus, holte einige Zweige, Steine, Blätter, sogar Fleisch und ging wieder hinein.
"Wie lange sind wir jetzt schon hier? Eineinhalb Wochen?", fragte Gabriel, "Seit dem ist es heute zum ersten Mal rausgekommen! Das kann ewig dauern, bis es wieder raus muss!"
"Da hast du recht!", erwiederte Jean, "Aber ein solch großes Tier braucht doch mehr als vier Fische pro Woche!"
Das stimmte, doch der Drache schaffte sich einen großen Vorrat an, welcher für einige Wochen reichte, damit sie nicht so oft zum See schleichen musste.
Den Männern wurde es nach einigen Stunden zu langweilig.
"Können wir nicht einfach nachsehen?", fragte Nathan.
"Wir sollten es nicht stören!", sagte Jean, "Wir wissen nichts über dieses Tier! Wenn es nun gefährlich ist, haben wir ein Problem!"

Doch der Mann hörte sie garnicht mehr.
Er war bereits auf dem Weg nach oben.
Ora hatte einen Weg um den Berg herum gezaubert, damit ihre Freunde sie besuchen konnten, es aber nicht zu unnatürlich aussah.
Nathan lief so schnell er konnte nach oben.
Gabriel folgte ihm.
Jean zögerte, doch die Neugier war stärker.
Als sie oben ankamen, war von Ora keine Spur.
"Dieses Ding ist nicht hier!", sagte Gabriel verwundert.
Doch die Höhle war groß.
Überall Gänge und Abzweigungen.
Die Forscher teilten sich auf, um die Echse zu suchen, doch fanden nichts.
Ora kam inzwischen zurück.
Irgendwas war anders.
In ihrer Höhle roch es nach Menschen.
Die Forscher warteten.
Die Betäubungsgewehre in ihren Händen.
Irgendwann musste der Drache zurückkommen.
Als sie aus einem der Gänge etwas tapsen hörten, gingen sie nachsehen.
Ora tat so, als hätte sie das nicht gemerkt.
Erst als Gabriel einen Pfeil auf sie abschoss, gab sie das auf.
Das Betäubungsmittel machte ihr nichts aus.
Die drei Menschen warteten gespannt darauf, dass sie umfiel, doch das tat sie nicht.
Stattdessen fing sie an zu knurren und ging auf sie los.
"W... wieso wirkt es nicht?", fragte Nathan stotternd.
"I..ch weiß es n..nicht", stotterte Gabriel zurück.
Jean jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
Für solche Fälle hatte sie einen Kurs belegt, in dem sie gelernt hatte, wie man Tiere hypnotisiert.
Sie holte ein goldenes Pendel heraus, doch schon bevor sie amfing, damit zu pendeln, schien die Echse weggetreten zu sein.
Drachen mochten das Glitzern von Gold und Edelsteinen und sammelten die verschiedensten Arten von Schmuck, weshalb sie auch oft als Schatzwächter bezeichnet wurden.
Es wirkte für sie entspannend und sogar hypnotisierend.
Für die Wissenschaftlerin war das unerklärlich, da sie noch nicht wusste, dass dieses Tier ein Drache war.
Sie nahm die goldene Kette weg und schon war Ora wieder wach.

"Das ist eigenartig!", sagte die Frau, "Sowas habe ich noch nie gesehen."
Ora war plötzlich kein bisschen mehr aggressiv, sondern saß brav da und sah die drei an.
"Ich würde gerne Blut nehmen, um herauszufinden, was es ist. Gib mir mal eine Spritze!", sagte Jean, doch der Drache flüchtete.
Sowas wollte sie sich nicht nochmal antun.
"Witzig! Fast als hätte es das verstanden!", lachte Gabriel.
"Ich glaube, das ist ein Mädchen...", sagte die Frau und stand auf, "Moment... was hast du gerade gesagt?"
"Das war doch bloß ein Scherz!", erwiederte ihr Freund.
"So blöd ist das garnicht!", sagte Jean und ging der Echse hinterher.
Diese saß eingerollt in ihrem Nest.
Als die drei kamen, zischte sie und versteckte ihr Bein.
"Ganz ruhig!", versuchte Jean sie zu beruhigen, "Wir müssen kein Blut nehmen!"
Ora wurde ruhiger und war gleich nicht mehr so verkrampf.
"Sie hat es wirklich verstanden!", sagte die Frau begeistert.
Der Drache schlug mit dem Schwanz.
Erst, als die Forscherin die Spritze wegpackte, beruhigte sie sich völlig.
Sie ließ die drei näher heran, doch auch nicht zu nah.
"Sie sieht ziemlich dick aus!", fiel Nathan auf.
"Ich glaube, sie bekommt ein Kind!", sagte Jean, "Deshalb ist sie auch so vorsichtig, wir sollten sie in Ruhe lassen!"
Als sie gehen wollten, sprang Ora auf und stellte sich ihnen in den Weg.
Sie wollte sich noch verabschieden, doch brachte keinen Ton raus.
Da fiel Jean etwas ein.
"Dürfen wir ein Ultraschallbild machen?", fragte sie, "Das tut auch garnicht weh!"
Ora legte sich auf den Boden und schnaubte.
"Ich glaube, das ist ein Ja", meine die Frau.
Sie holte ihr Ultraschallgerät heraus und machte ein Bild von der Echse.
"Das ist äußerst interessant!", sagte sie dann, "Ihr Kehlkopf ist so gebaut, dass sie alle möglichen Geräusche nachmachen könnte! Möglicherweise sogar sprechen!"
"Im Ernst?", fragte Gabriel.
"Ja!", meinte Jean, "Und ich habe irgendwie das Gefühl, dass sie das auch kann!"
Ora nickte.
"Sag doch mal was!", bat die Frau.
Ora brummte und musste husten.
"I... irgendwas stimmt nicht!", keuchte sie.
Jean horchte sie ab.
"Du hast ziemlich viel Schleim im Hals, vielleicht hast du dich erkältet.", meinte sie, "Es ist doch ziemlich kühl hier drin!"
Ora nickte und schoss einen Feuerstrahl an die Wand, welcher diese zum glühen brachte.
Es wurde sofort besser.
"Wie hast du das gemacht?", fragte Nathan.
"Drache eben!", sagte die Echse, "Das ist normal!"
"Ein Drache? Du bist ein Drache?", fragte Gabriel ungläubig.
"Ich bin Ora!", sagte der Drache.
Jean dachte nach.
"Irgendwoher kenne ich dich!", sagte sie.
"Kann schon sein!", erwiederte Ora, "Aus Geschichtsbüchern vielleicht!"
"Der Enderdrache! Du bist der Enderdrache!", sagte Nathan, "Ich habe viele Geschichten über dich gelesen!"
"Ich hasse diesen Namen!", sagte Ora und verdrehte die Augen.
"Oh, tut mir leid!", sagte der Mann.
"Schon gut... aber könntet ihr bitte gehen, ich hätte gerne meine Ruhe!", bat Ora, "Außerdem habe ich viel zu tun!"
"In Ordnung!", meine Jean.
"Danke!", sagte der Drache, "Und ich würde euch bitten, auf keinen Fall jemandem etwas über mich zu erzählen! Das würde nicht gut gehen!"
"Ist gut!", meinten die beiden Männer genau gleichzeitig.
"Wir wüssten garnicht, was wir erzählen sollten, ohne dass uns jemand für verrückt hält!", lachte Nathan.
"Ihr könnt gerne mal zu Besuch kommen!", sagte Ora.
"Ok, wiedersehen!", sagte Gabriel.
Dann gingen die drei.

Die Königin der DrachenWhere stories live. Discover now