- 𝟔𝟔 -

271 18 2
                                    

Nora: 

"Nora!" riss mich Steffs Stimme aus meinen tiefen Gedanken. Erschrocken setzte ich mich auf. Stefanie stand mit einem Stapel gefalteten Klamotten in der Zimmertür. Schnellen Schrittes durchquerte sie mein Zimmer, dass ich mir mittlerweile gemütlich eingerichtet hatte. "Du bist noch im Bett?" rief Steff. Im Laufen legte sie den Stapel mit Hosen und Hoodies auf meinem Schreibtisch ab. Mit einer energischen Bewegung zog sie die Vorhänge zur Seite und ließ so das anbrechende Tageslicht herein. Geblendet stöhnte ich auf, und fuhr mir verschlafen durch mein Haar. "Wie spät ist es?" fragte ich. "Spät genug, los jetzt raus aus dem Bett." befahl sie hektisch. Anscheinend hatte sie angenommen das ich noch geschlafen hätte.. Mit einem Ruck zog sie mir die Decke weg und entblößte so meinen nur wenig bekleideten Körper der Kälte. "Steff..." ich stöhnte "wir haben Samstag" versuchte ich mein Glück, um meinem müden Körper noch etwas Ruhe zu gewähren. "Nichts da, los aufstehen." forderte Steff und warf mir lachend meine Decke zu. "Los, auf. Ich sage es nicht nochmal" rief sie im herausgehen. "Ja Mama." Steff war schon im Flur verschwunden, sodass sie mein erschrockenen Gesichtsausdruck nicht mehr sehen konnte. 

Ein Monat war vergangen seitdem ich zu Steff und Thomas gezogen war. Viel war in diesem Monat passiert. Mehrere Gespräche mit dem Jugendamt, ich war auf einer neuen Schule angemeldet worden, hatte mich als die Neue vor die Klasse stellen müssen, ich hatte neue Leute kennengelernt. Eine Woche nachdem ich eingezogen war, hatten wir mein neues Zimmer Teenager-freundlich eingerichtet und mittlerweile fühlte ich mich richtig zuhause. 

Ich schüttelte leicht lächelnd den Kopf um den erschrockenen Gesichtsausdruck aus meinem Gesicht verschwinden zu lassen. Für Stefanie und mich war es normal geworden das ich sie mal als Mama ansprach und manchmal wieder ihren richtigen Namen benutzte. Mein Kopf wollte es einfach noch nicht begreifen das ich ab jetzt einen Menschen an meiner Seite hatte, den ich wirklich von Herzen gerne Mutter nannte. Steff und Ich gaben meinem Kopf einfach noch die Zeit die er brauchte um zu verstehen das Sie nun wirklich meine Mama war, den wir beide wussten, mein Herz hatte es schon längst verstanden. 

Stöhnend wollte ich mich gerade in die Kissen zurückwerfen als mich ein "Nora Stolle raus aus dem Bett" von Stefanie aus der Küche zurückhielt. Genervt setzte ich meine Füße auf das kalte Laminat. Sie hatten ja keine Ahnung das ich jede Nacht nicht mehr als zwei Stunden Schlaf bekam. Wenn überhaupt. Zu groß war die Angst vor den schrecklichen Träumen die mich jede Nacht einholten. Mal sah ich Mama. Mal spürte ich Mamas Fäuste. Mal verletzte sie mich mit Worten. Und natürlich sah ich ihren leblosen Körper. Immer und immer wieder. Meist fand ich in den Morgenstunden fuhr ein oder zwei Stunden Schlaf, bis ich geweckt wurde. 

Auf nackten Fußsohlen tapste ich durch die Wohnung Richtung Küche. "Guten Morgen" murmelte ich beim reingehen. "Morgen ist gut" lachte mir Papa entgegen. Verwirrt ging ich zu ihm und holte mir einen Kuss auf der Stirn ab, und warf dabei gleichzeitig einen Blick auf die Küchenuhr. Es war 13 Uhr. "Was?" noch verwirrter starrte ich die Uhr an. "Es ist Mittag?" fragte ich. Steff, die am Herd zu Gange war nickte. "Wir wollten dich mal ausschlafen lassen, aber das war jetzt echt lang genug." erklärte sie mir ihr Wecken. Ich nickte, noch immer perplex über die späte Uhrzeit. Ich hatte doch die ganze Nacht lang wachgelangen. Mich hin und her gewälzt. War dann gegen fünf Uhr eingeschlafen, und von einem schrecklichen Traum um sieben hochgeschreckt. Ab da hatte ich nur dagelegen und nachgedacht. Es war mir wie eine Stunde vorgekommen, höchstens. Das jetzt so viele Stunden vergangen waren in denen ich wach, in Gedanken versunken im Bett gelegen hatte, erschreckte mich. 

"...ist das ok Nori?" riss mich Papas Stimme aus meinen Gedanken. "Was?" ich schaute ihn fragend an. "Bist wohl noch immer nicht ganz wach, was?" lachte er. "Ich meinte, Steff und Ich fahren jetzt los zur Bandprobe, wir kommen heute wahrscheinlich so um sieben nachhause, ist das ok für dich?" wiederholte Papa. Ich nickte nur. "Ich habe dir Pasta zum Mittag gekocht, Abends kannst du dir ja ein Brot schmieren ok?" fragte Steff, und deutete auf den Topf auf dem Herd. Wieder nickte ich. Steff und Thomas erhoben sich um zu fahren. Im gehen drückten mir beide einen Kuss auf den Kopf. "Hab einen schönen Tag" wünschte mir Stefanie. "Falls die langweilig wird, schau doch mal bei uns rein." schlug sie vor. Dann verließen beide die Wohnung. Müde trottete ich zurück in mein Zimmer und warf mich auf die weiche Matratze. Ich schloss die Augen. Konnte ein Mensch solange in Tagträumen versunken sein, das mehrere Stunden vergingen?  fragte ich mich.  

Müde starrte ich auf die Bettdecke vor mir. Meine Hände fühlten sich wieder einmal so seltsam taub an. Fühlten sich nicht dazugehörig an. Vorsichtig tastete ich meine Handflächen ab. Doch sie schienen als wären sie nicht da. Als wäre da nur das Bild von ihnen. Ich legte mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Wartend darauf das die Gefühle wieder zurück in meinen Körper kriechen würden. 

↬ 𝐒𝐜𝐡𝐫𝐢𝐭𝐭𝐞 // 𝐒𝐢𝐥𝐛𝐞𝐫𝐦𝐨𝐧𝐝 𝐅𝐚𝐧𝐟𝐢𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now