↬ 𝐒𝐜𝐡𝐫𝐢𝐭𝐭𝐞 // 𝐒𝐢𝐥𝐛𝐞𝐫𝐦𝐨𝐧𝐝 𝐅𝐚𝐧𝐟𝐢𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧

- 𝟔𝟐 -

Stefanie:

Geshockt starrte ich Nora an. "Nora, Liebes du bist doch keine schlechte Tochter." brachte ich mit stockender Stimme hervor.

"Doch" ein gequälter Laut kam aus Noras Mund das einem Aufschluchtzen wich. „Ich habe es nicht geschafft die Familie aufrecht zu erhalten, ich habe es nicht geschafft stark zu bleiben und Mama durch diese Zeit zu bringen. Ich hätte es versuchen müssen, ich hätte es schaffen können, ich hätte es versuchen müssen!"

Wirres und durcheinander gewirbeltes Gerede kommt aus Noras Mund und wir alle schauen sie geschockt an. Auf einmal schaut sie uns erschrocken an. „Was ist wen ich Schuld bin?" fragt sie uns. „Was ist wen ich nicht die Tochter sein konnte die Mama gebraucht hat? Ich bin Schuld." Nora keucht auf und ihr Atem beschleunigt sich. „Nora um Himmels Willen du bist doch nicht Schuld." Ruft Thomas. „Doch" keucht Nora. „Ich bin Schuld, ich bin Schuld, ich bin Schuld" keucht sie immer und immer wieder und krallt sich dabei in ihr Bein. Vorsichtig löse ich die Hand von Noras Bein, die sich direkt in eine Faust versteift und sich verkrampft. „Nora, shh. Alles ist gut" flüstere ich ihr beruhigend zu.

„Ich bin Schuld, ich bin Schuld, ich bin Schuld!" Kommt es wieder aus ihrem Mund. „Ich bin... ich hasse mich dafür. Ich hasse mich! Ich hasse mich so sehr! Ich hasse, hasse hasse mich!" Ihre Faust die bis dahin verkrampft in ihrem Schoß gelegen hat ballt sich bei ihrem Worten noch fester zusammen. „Ich hasse mich!" Ein erster Schlag auf ihren Oberschenkel mit der Faust. „Ich hasse mich!" Noch einer. Immer und immer wieder kommen die drei Worte aus ihrem Mund und bei jeden dieser Worte schlägt sie sich auf ihr Bein. Wie in Trance starrt sie vor sich hin und keucht immer wieder diese drei Worte die sich in ihr Gehirn festgebannt zu haben scheinen. Ihre Stimme ist schon ganz heiser vom Reden und ist nur noch ein raues Flüstern.

Ich bin unfähig etwas zu sagen, geschweige den etwas zu tun. In meinen Augen sammeln sich Tränen bei dem Anblick des Mädchens das ich so lieb gewonnen habe. Ich kann nicht in Noras geschehen eingreifen, stolpere sogar ein paar Schritte von dem Bett weg und muss mir eine Hand vor den Mund halten. Thomas scheint es ähnlich zu gehen. Er starrt unverwandt seine Tochter an. Er zeigt es nicht nach außen aber ich kenne ihn gut genug um zu wissen das es ihn innerlich gerade in tausend Stücke zerreißt. Elterngefühle schießt es mir durch den Kopf. Es sind Elterngefühle die uns beide gerade überrollen, und das obwohl ich nicht im entferntesten mit Nora verwandt bin. Noras Schläge und ihre Schnappatmung nehmen zu, ihr Körper wiegt sich in einem komischen Rhythmus nach vorne und nach hinten. „Hannes" quetsche ich hervor, zu mehr bin ich in diesem Moment nicht fähig.

Johannes reagiert schnell. Innerhalb von zwei Sekunden hat er das Bett umrundet und kniete vor Nora auf dem Bett, packt ihr Fäuste und hält diese eisern fest. „Nora, hör auf dich selbst zu schlagen." redet er auf sie ein. Noras Hände winden sich in Hannes Händen, doch er gibt nicht nach. „Nora, hörst du mich?" fragt er sie. Ein komischer Laut verlässt ihren Mund. „Nora ich muss das aus deinem Mund hören." meint er ernst, aber bestimmt. Ein heiseres Ja ist die Antwort. „Nora du bist die Person die am wenigsten Schuld an allem trägt, wir lieben dich Nora, egal was passiert ist. Wir sind da und nehmen dich in den Arm egal was du getan oder nicht getan hast. Und wir lieben dich bedingungslos!"

Noras Händen hören auf sich zu winden und zittern nun in Hannes Händen. Vorsichtig lässt er diese los die sich Nora vors Gesicht schlägt. Laute Schluchzer dringen durch den Raum. Vorsichtig nimmt Hannes den bebenden Körper von Nora in seine Arme und hält ihn fest. Dann, unerwartet, löst sich Nowi aus seiner Starre und klettert zu den beiden auf das Bett und schließt seine Arme ebenfalls um den Körper unseres Mädchens. Vorsichtig setze ich mich dazu und auch meine Arme legen sich um Nora um ihr Halt zu geben. Ich ziehe Thomas mit der einen Hand dazu und nun halten wir zu viert unser kleines Mädchen fest.