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Thomas:

Die Bäume ziehen schnell an uns vorbei als wir auf die Autobahn einbiegen und an Fahrt aufnehmen. Jetzt sind wir endgültig aus Kassel raus und lassen die Stadt mit all ihren schlechten Erinnerungen hinter uns.

Ich schaue rechts von mir wo Nora ihren Kopf auf Steffs Schoß abgelegt hat. Sie hat ihre Augen geschlossen aber ich weiß das sie nicht schläft. Die panische Angst davor ihre Mutter in ihren wilden Träumen zu sehen ist zu groß. Die breiten Ränder unter ihren Augen verraten das es in den letzten Tagen auch nicht anders war. Die letzten Tage waren anstrengend für uns alle gewesen. Nora hatte im Krankenhaus noch ein paar Panikattacken und Schwächeanfälle gehabt. Mittlerweile war sie wieder recht stabil, körperlich. Den emotional schien sie noch Kilometer von einem stabil entfernt zu sein. Sie schien fast kalt, emotionslos. Redete nur das nötigste mit uns und schien sonst abwesend und tief in Gedanken, in ihrer eigenen Welt. Dort schien sie für die meiste Zeit tief gefangen zu sein. Ihre Gedankenwelt wollte sie nicht loslassen. Es war schlimm seine Tochter in so einem Wach artigem Schlaf Zustand zu sehen. Manchmal riss sie aus dem nichts aus ihre Augen auf und verkrampft sich. Erlebte innerlich die Szenarien noch einmal. Ich hatte einmal den Fehler gemacht sie zu rütteln, hatte sie aus diesem Alptraum befreien wollen, dafür hatte ich mehrere Schläge von Nora abbekommen. Die Ärzte meinten das wir sie nicht anfassen sollten wen so etwas passierte. Es sei mit einem epileptischem Anfall zu vergleichen, bei dem man Betroffene auch nicht berühren sollte.

Stefanie und Ich hatten mehrere Male mit dem Jugendamt gesprochen. Nun würde Nora zu uns nach Berlin ziehen. Es würde ein Neuanfang für uns alle werden. Ich seufzte bei Noras Anblick. Ihre äußerlichen Wunden würden verheilen, das Pfeilchen unter ihrem Auge verblasste schon langsam. Aber die schrecklichen Erinnerungen die würden ihr bleiben. Ich griff nach Steffs Hand. Wir beide freuten uns darauf das Nora bei uns einziehen würde. Ich konnte endlich die Vaterrolle in ihrem Leben einnehmen. Und Steff würde Mama werden.

Bei diesem Gedanken musste ich lächeln. Wir hatten das Thema nie konkret angesprochen aber ich wusste wie sehr sie sich immer gewünscht hatte Mama zu sein. Sie war die perfekte Mama für unseren Engel und auch Nora hatte Steff schon als Mutter in ihr Herz geschlossen. Das war bereits im Sommer in Berlin passiert, und nun wurden aus diesen sechs Wochen ein für immer. Ich schaute rüber zu Steff die Nora liebevoll musterte und ihr sachte durch ihre Haare fuhr. Doch trotz aller Freude das Nora bei uns einziehen würde, durften wir nicht vergessen das Nora soeben ihr Mutter verloren hatte. Sie bräuchte die nächste Zeit viel Halt und ganz viel Unterstützung um darüber hinwegzukommen. Das dass schwer werden würde war Stefanie und mir klar, doch wie waren auch guter Dinge das wir die schwere Zeit als Familie überwinden würden.

Nach einer längeren Fahrt kamen wir endlich in Berlin an. Johannes der die ganze Zeit über gefahren war parkte den Wagen vor Steff und meiner Wohnungstür. Vorsichtig strich ich Nora die Wange. "Schatz, wir sind da." flüsterte ich. Direkt setzte Nora sich auf, sie hatte nicht geschlafen, genau wie ich befürchtet hatte. Wir nahmen all unsere Sachen aus dem Kofferraum und verabschiedeten uns von Hannes und Nowi. Die beiden würden nun zu ihren Wohnungen weiterfahren.

Ich schloss die Wohnungstür auf und der bekannte heimische Duft schlug uns entgegen. Nora schaute mich fragend aus ihren blauen Augen an, die viel zu kalt aussahen. "Du schläfst genau dort wie im Sommer." beantwortete ich ihre unausgesprochene Frage. Sie nickte daraufhin und schulterte ihre viel zu schwere Reisetasche, in der sich die Überbleibsel der Vergangenheit, die sie hatte mitnehmen wollen befanden. Sie schlurfte in das Gästezimmer das von nun an ihr Reich sein würde. Steff, die hinter mir stand griff nach meiner Hand und drückte sie. "Glaubst du sie wird es schaffen?" fragte ich meine Freundin. Steff schaute mich fragend an. "Das alles zu verarbeiten, die Vergangenheit hinter sich zulassen." erklärte ich mich. Steff schaute mir ehrlich an überlegte aber. "Ja." war ihre Antwort. "In kleinen Schritten. Sie wird lernen damit umzugehen. Sie wird es nach und nach verarbeiten. Alles in kleinen Schritten." Teilte sie mir ihre Einschätzung mit.

Es war schon spät und nun spürten auch Stefanie und Ich die Müdigkeit in den Knochen. Kurz öffnete ich noch die Tür zu Noras Zimmer. Zusammengerollt lag sie mit dem Rücken zu mir in ihrem Bett. "Nora?" fragte ich. Keine Antwort, aber sie schlief nicht. "Schatz ich wünsche dir eine gute Nacht, wen heute Nacht irgendetwas ist kannst du immer kommen." redete ich weiter. Noch immer keine Regung. Leise schloss ich die Tür hinter mir und ging zu Steff ins Schlafzimmer.

Die Nacht war ruhig gewesen. Ich hatte keine Nora im Schlaf weinen hören. Sie war auch nicht zu uns gekommen. Versschlafen drehte ich mich auf die Seit zu Stefanie die noch schlief. Ich entschloss mich schon einmal das Frühstück zu machen und erhob mich leise und tappte durch den Flur. Als ich an Noras Zimmer vorbeikam blieb ich stehen. Die Tür die ich gestern noch leise geschlossen hatte stand offen. Ich schaute herein. Das Bett war zerwühlt von der Nacht, darin lag aber keine Nora. Ich lief zu der Toilette doch diese war nicht verschlossen und auch innen konnte ich meine Tochter nicht finden. Mein Blick fiel auf die Garderobe. Noras Jack und Schuhe fehlten. Die Angst machte sich in breit und schnell lief ich zurück in das Schlafzimmer wo Steff noch immer schlief.

"Stefanie... Schatz wach auf." rief ich und rüttelte leicht an der Schulter von meiner Freundin. Mit einem murren öffnete sie verschlafen ihre Augen. "Was ist den los?" murmelte sie. "Steff, Nora ist verschwunden." Stefanies rehbraune Augen schauten mich hellwach an...

Ihr Lieben, ich melde mich nun auch mal wieder unter einem Kapitel. Erst einmal vielen lieben Dank für mehr als 8000 Reads. Das macht mich so unfassbar glücklich. Laut dem ungefähren Plan den ich für diese Geschichte habe, sind jetzt ungefähr zwei drittel dieser Story geschrieben und veröffentlicht. Vielen lieben dank für euer Lesen und euren lieben Support ❤️

↬ 𝐒𝐜𝐡𝐫𝐢𝐭𝐭𝐞 // 𝐒𝐢𝐥𝐛𝐞𝐫𝐦𝐨𝐧𝐝 𝐅𝐚𝐧𝐟𝐢𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now