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Angesichts des gestrigen Abends, an dem ich deutlich über die Stränge geschlagen habe, ist mein Zustand heute Morgen erstaunlich stabil. Mein Schädel brummt, dass sich nach einer erfrischenden Dusche auflöst.
Der unangenehme Geruch aus Zigarettengeruch, Alkohol und Parfüm hab ich dem Abfluss runtergespült, und ich stehe nun frisch geduscht vor dem Spiegel in meinem Zimmer, bereit, den Tag in Angriff zu nehmen.

Da der heutige Tag völlig unverplant ist, schlüpfe ich in die bequemsten Kleidungsstücke, die mein Kleiderschrank hergibt. Mit einem Gefühl der Zufriedenheit mache ich mich auf den Weg in die Küche, wo bereits der verführerische Duft von frisch gebrühtem Kaffee in der Luft liegt und für einen Moment meine Gedanken von Tyler ablenkt, der lässig an seiner Tasse nippt.

»Na, noch müde von deinem nächtlichen Abenteuer?«, fragt Tyler, während er einen Schluck aus seiner Tasse nimmt und mich mit einem neugierigen Blick über seine Tasse hinweg mustert.

Ich reibe mir mit den Fingern über den Nasenrücken, ein Zeichen meiner anhaltenden Müdigkeit, und gieße mir selbst eine Tasse Kaffee ein. »Ein wenig. Es wurde später, als erwartet«, antworte ich.

Die Begegnung mit Jason hat mich den Rest des Abends beschäftigt. Nachdem wir uns gesehen hatten, ist er nicht an seinen Platz zurückgekehrt, und die Frauen, die mit ihm waren, haben ebenfalls im Laufe des Abends den Club verlassen. Vielleicht war es zum Besten, dass er gegangen ist, um weiteren Komplikationen aus dem Weg zu gehen.

»Ich habe gehört, du hast gestern ordentlich für Wirbel gesorgt«, fügt er grinsend hinzu und seine Augen funkeln schelmisch.

Sein Erscheinungsbild überrascht mich etwas; seine sonst so wilden schwarzen Locken sind zu einem Zopf gebunden und ein auffallend gepflegter Drei-Tage-Bart umrahmt sein Kinn. Ich entscheide mich, nichts zu sagen, da sein Look vermutlich bald wieder der Vergangenheit angehört.

»Ich? Ich habe doch gar nichts gemacht«, verteidige ich mich, obwohl mir die genauen Ereignisse der vergangenen Nacht nur verschwommen in Erinnerung geblieben sind.

»Paul scheint da anderer Meinung zu sein«, erwähnt Tyler und seine Worte wecken meine Neugier. Was könnte ich wohl angestellt haben?
Tyler merkt, dass ich keinen blassen Schimmer habe, wovon er redet und er mir deswegen auf die Sprünge hilft.

Als mir nichts einfällt, gibt Tyler mir einen Hinweis: »Anscheinend hast du dich ziemlich an Paul rangemacht.«

»Das... das kann nicht sein«, stammle ich und verschlucke mich fast am Kaffee.

»Frag doch einfach Gabe und Paul, wenn du mir nicht glaubst«, schlägt Tyler vor und betrachtet die Situation mit einer Gelassenheit, die mich verblüfft.

»Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist«, flehe ich, in der Hoffnung, dass es nur ein schlechter Scherz ist.

»Es tut mir leid, aber Paul hat's ziemlich locker genommen und ist nicht sauer auf dich«, versucht Tyler mich zu beruhigen.

Der Entschluss steht fest: Nie wieder Alkohol. Die Gedanken daran, was Paul nun von mir halten könnte, kreisen unruhig in meinem Kopf.

»Bevor du dir weiter den Kopf zerbrichst, solltest du vielleicht direkt mit ihm reden und Klarheit schaffen. Und noch was: Heute Abend sind wir im Jacks. Zieh dir etwas Schickes an«, meint Tyler und klopft mir aufmunternd auf die Schulter, bevor er den Raum verlässt.

Die Kopfschmerzen, die ich erfolgreich davon geduscht habe, kommen wieder zurück, an eine Tablette komm ich also nicht drum herum.

»Ich denke, die brauchst du«.

Ich schrecke kurz auf, was sich als blöder Fehler enthauptet, da mein Kopf noch mehr zum Brummen beginnt, als Luca mit einer Packung Tabletten plötzlich vor mir steht.

Luca versteht meine stumme Verwirrung und erwidert:

»Ich kenne dich gut genug, um zu wissen was dir fehlt«, er legt mir die kleine Schachtel vor die Nase, bevor er mir ein Glas Wasser einschenkt und die Kekse aus der Vorratskammer holt.

»Iss ein paar, sonst wird dir schlecht, wenn du sie auf leeren Magen nimmst«.

Dankend nehme ich seine Fürsorge an während er sich gegenüber von mir niederlässt, seine eigene Tasse Kaffee in der Hand. Trotz der komplizierten Situation zwischen uns fühlt sich seine Gegenwart angenehm an.

»Ich weiß, dass du nicht wirklich mit ihr zusammen bist«, lass ich die Bombe platzen und wenn es kein ernstes Thema wäre, würde ich mich köstlich an sein Anblick amüsieren.

»Woher willst du das Wissen?«, versucht Luca, das Thema abzuwenden, doch ich bleibe hartnäckig.

»Ich weiß es einfach«, antworte ich und beiße in einen der Kekse.

Ich weiß, dass er sich raus Reden will, doch ich habe ihn so weit gebracht das es unmöglich ist etwas Neues zu erfinden.

»Okey fein, ich wollte wissen, wie du reagierst, wenn ich mit ihr zusammen wäre, aber das ist nach hinten losgegangen«, gesteht er und mein Ego wächst um einige Zentimeter.

»Weißt du Luca, anstatt zu versuchen mich eifersüchtig zu machen, wie wäre es, wenn wir ganz normal miteinander reden, so wie jetzt gerade«, schlage ich vor.

»Und wie stellst du dir das vor?«, fragt er skeptisch.

»Wir unterhalten uns einfach ganz normal. Über alltägliche Dinge, das Wetter oder was uns gerade in den Sinn kommt«, erkläre ich.

»Das Wetter? Ernsthaft?«, zweifelt Luca und zeigt eine Augenbraue nach oben.

»Ja, ohne Flirten, einfach nur reden. Wie Freunde«, erwidere ich, in der Hoffnung, dass wir einen Weg finden können, unsere komplizierte Beziehung zu entwirren.

Luca seufzt auf und fährt sich über das blonde Haar.

»Du machst mich wahnsinnig«, murmelt er und fasst sich an den Nasenrücken.

»Gut, aber unter einer Bedingung: Du kommst heute Abend als meine Begleitung zum Jacks, nur als Freunde.«

»Bist du dir sicher?«, frage ich, überrascht über seinen Vorschlag.

»Ja, wir sind mit den anderen unterwegs und da Tyler und die Jungs beschäftigt sein werden, kann keiner auf dich aufpassen. Also, was sagst du?«, erklärt er seinen Plan.

»Ich ziehe ein rotes Kleid an«, antworte ich, bereit, diesen neuen Weg mit Luca zu beschreiten. Es mag eine Weile dauern, aber es ist ein Anfang.

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