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⊱Komm um achtzehn Uhr ins Late Night, ich warte dort auf dich⊰

Steht in Jasons Namen auf meinem Display.

In dem Moment wusste ich nicht genau, was ich machen sollte, war das wirklich King?
Ich hatte das Smartphone fast drei Minuten angeschaut, bis ich mich wieder fassen konnte.

Es sind ungefähr zwei Tage vergangen als mich die Kills mitgenommen haben.
Ich habe noch das Gesicht von Hilton vor Augen als ich ihm die Waffe ins Gesicht gehalten habe.
Er hatte keine Angst, nur großen Respekt davor, da er jede Bewegung mit den Augen folgte.
Seitdem habe ich niemanden mehr von den Kills gesehen und um ehrlich zu sein, habe ich sie in den hintersten Teil meines Kopfes verdrängt.
Die Nachricht von Jason bringt mich erst wieder dazu, einen Gedanken an sie zu verschwenden.

Soll ich hin?
Das Risiko eingehen erwischt zu werden, indem ich mich mit ihm treffe und dieses Mal offiziell.
Beim ersten Mal hätte ich noch eine Notlüge gehabt, aber dieses Mal würde mir nicht rechtzeitig eine einfallen für den Fall der Fälle.
Es wird großen Ärger geben, wenn einer das rausfindet, wiederum aber ist es ein verlockendes Angebot, das ich nicht ablehnen kann.

⊱Ich komme⊰

Das Smartphone packe ich zurück in die Jeanshose, um meinen Weg durch Daniels Halle weiterzuführen.
Ich bin mitten im Weg stehen geblieben und ein Glück, dass die Jungs nicht da sind, sonst hätten sie dumm geschaut und nachgefragt.

»Gabe?«.

»Ich bin hier«, schallt es den Gang zurück.
Es kommt aus dem Fitnessraum.

Die Tür steht offen, dass ich einfach eintreten kann.
Gabe steht fokussiert am Boxsack und bearbeitet diesen.
Er ist so tief in seinen Gedanken, dass er mich nicht einmal bemerkt, dass ich mich neben ihm stelle.

»Hey Gabe«.

Gabe schreckt zurück in die Realität und wendet sich an mich, sobald er sich gefasst hat.

»Coleman, was führt dich hierher?«, er deutet auf die Bank neben sich, die mit einem Handtuch und seiner Trinkflasche die halbe Sitzfläche beansprucht.

»Zuhause schweigt jeder vor sich hin und da habe ich die Flucht ergriffen, bevor ich noch in Depressionen falle«.

Bei dem Wort zieht Gabe eine Augenbraue kritisch nach oben.
Gabe ist der Überzeugung, dass meine Phase der Trauer mich in die Depression getrieben hat und ich immer noch an der Klippe meines Untergangs stehe.

Mein Herzschmerz sitzt noch tief in mir, jedoch kann ich Tag für Tag immer mehr aufatmen und das Gegenteil behaupten, mich vom schwarzen Loch entfernt zu haben.

Das einzige Problem, das es gibt, ist das allein sein.
Da so die Versuchung größer ist, über alles nachzudenken.

Ich wusste das Gabe sich hier rumtreibt und bin sofort hierhergefahren, da ich an der Stimmung Zuhause, drohte zu ersticken.
Niemand wechselte ein Wort, nicht einmal der Fernseher lief oder Musik, sie saßen alle für sich und schweigen.
Es fühlte sich wie ein verdammtes Kloster an.

»Was machst du heute?«, frage ich aus Neugier, außerdem könnten wir vielleicht zusammen durch die Häuser ziehen, dann hätte ich eine Ausrede für Jason, warum ich nicht kommen kann.
Ich will ihn treffen, aber irgendwie fühle ich mich nicht wohl, meinen Bruder zu hintergehen.

»Wir fahren später alle nach Cleveland, Tyler hat ein Meeting dort organisiert, mit irgendwelchen Geschäftsleuten«, ahnungslos zuckte er die Achseln und wischt sich mit dem Handtuch über die nasse Stirn.

Das heißt, es steht mir nichts im Wege, mich heute Abend mit Jason zu treffen.
Die Jungs sind in Cleveland auf ein Meeting, das bedeutet: Keiner wird im Late Night auftauchen.

»Was hat Tyler wieder vor?«, es wird langsam zur Gewohnheit, dass mein Bruder mich in nichts einweiht.

Würde Gabe mir nicht das Neuste erzählen, würde ich nichts wissen.
Er erzählt mir alles, egal um was es geht.
Tyler vertraut mir nicht in solchen Angelegenheiten, er hat mich als hilfloses Ding abgestempelt.

»Ich habe keine Ahnung Lola, ich weiß nur das Tyler dich davor mitnehmen wollte wegen einiger Dinge, aber dann hat er Kyra darum gebeten und du nichts davon erfahren darfst«.

»Langsam habe ich das Gefühl, dass er mich nicht mehr hier haben möchte«, seufze ich frustriert und lasse mich nach hinten an die Wand fallen.

Am liebsten würde ich sofort zu Tyler rennen und darauf bestehen, dass er mir alles erzählt, was er weiß, ohne zu versuchen, mir etwas zu verschweigen, aber dann würde er sofort wissen, dass Gabe geplaudert hat.

»Tyler macht sich nur Sorgen, was erwartest du von ihm, er ist dein Bruder«, verteidigt Gabe ihn.
Meine Einsicht, warum Tyler so reagiert, hält sich begrenzt.
Ich verstehe auf einer Seite, warum Tyler so reagiert, aber mich nach so langer Zeit auszuschließen für etwas, wofür ich nichts dafürkann, ergibt für mich keinen Sinn.

Ich bin einfach zu weit gekommen, als wieder von vorne anzufangen.

»Es wird sich schon irgendwie legen, wenn das ganze Chaos mit den Kills vorbei ist, Ty möchte dich nur in Sicherheit wissen«, versucht Gabe das Gespräch in eine positive Richtung zu lenken, erfolglos.

Gabe und ich wissen genau, dass diese Worte nicht stimmen und er mich nur für eine gewisse Zeit ruhigstellen möchte.
Ich bin aber so dumm und gebe mich mit dieser Aussage immer wieder zufrieden, dass Tyler zufrieden seine Arbeit machen kann, während ich mich bei Gabe deswegen aufrege, nicht involviert zu werden.

»Ich habe die leeren Aussagen meines Bruders satt«.

»Ich verstehe dich Kleines, ich werde mit Tyler sprechen«.

Gabe war einer der wenigsten, der sich wirklich in deine Lage versetzten kann.
Mit niemandem von den Jungs kannst du so gut sprechen wie mit ihm.
Er versteht sofort, wenn du jemanden zum Reden brauchst oder einfach jemanden neben dir, damit du dich nicht allein fühlst.
Vielleicht war das auch der genaue Grund, warum er mein bester Freund ist.
Ich kann ihn alles anvertrauen, auch das kommende Treffen zwischen Jason und mir, die Entführung der Kills und weitere Ereignisse.
Nur habe ich trotzdem Zweifel daran, dass ihm zu sagen.
Vielleicht würde er es nur gut meinen und mich an Tyler verraten, damit ich nicht etwas Falsches machen oder eher noch mehr.

Ich setzte zum Reden an, um einen Widerspruch zu leisten, da Ty nichts davon erfahren soll über dieses Gespräch und dass ich seine Pläne für heute Abend weiß, als das Klingeln meines Smartphones mich unterbricht und mir signalisiert, dass ich eine Nachricht bekommen habe.

⊱Ich habe auch nichts anderes erwartet, Süße⊰

»Einen neuen Verehrer?«, misstrauisch hebt Gabe eine Augenbraue.

»Emelie hat mir geschrieben, nichts Interessantes«.

Das Smartphone landet, so schnell ich es herausgezogen habe, wieder in der Jeans.

Was antwortet man auf so einer Aussage von Jason?
Ich verdränge den Gedanken an ihn und widme mich dem Mann vor mir zu.

»Was ich vorhin sagen wollte, ist, dass du Tyler nichts von uns erzählen sollst, diese Gespräche finden nie statt. Wenn Tyler weiß, dass ich eine Ahnung von dem ganzen habe, wird er zuerst dich und dann mich fertig machen.«

Ich liebe Gabe und deswegen soll er sich nicht meinetwegen in Schwierigkeiten bringen.
Ich muss selbst das mit Tyler auf irgendeine Weise klären können.

GangbattleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt