36. Kapitel: Die von Steinhauers II

3.1K 92 19
                                    

Raphaels POV

Mit dem sicheren Gewissen, dass Anna noch zur Vernunft kommen würde und mich für das Essen mit ihrer Familie einladen würde, ging ich ihr die nächsten beiden Tage aus dem Weg. Sie musste sich vermutlich einfach nur wieder einkriegen und dann würde sie merken, dass sie im Unrecht war.

Ich wusste, dass meine Aussage über ihren Bruder dumm gewesen war. Ich hatte mich in Rage geredet, aber ich verstand immer noch nicht, warum sie mich ihrer Familie nicht vorstellen wollte. Ich kannte Johann immerhin schon und kam ganz wunderbar mit ihm aus. Nur, weil ich ihren großen Bruder für ein Arschloch hielt, hieß das nicht, dass ich mich nicht benehmen konnte. Im Grunde war ich wahnsinnig neugierig. Ich wollte endlich ein Gesicht zu der Story haben. Dabei kannte ich die Story ja nicht einmal. Das störte mich auch noch.

Am Freitag dämmerte mir, dass Anna mich nicht mehr für heute einladen würde. Damit einher kam die Erkenntnis, dass sie echt sauer war. Ich starrte auf mein Handy und überlegte, was ich ihr schreiben sollte. Ich wollte nicht, dass sie ihren Geburtstag mit Streit zwischen uns begann. Ich presste den Kiefer zusammen. Gut, vielleicht war es doch nachvollziehbar, dass sie sauer war. Eigentlich stand es mir wirklich nicht zu, über ihre Familie zu urteilen, solange ich nicht die ganze Story dahinter kannte. Ich war zu weit gegangen. Ich konnte ihr keinen Vorwurf dafür machen, dass sie gegangen war. Und noch weniger, dass sie mich jetzt nicht dabei haben wollte. War ja klar, dass sie nicht wusste, wie ich mich verhalten würde und sie die Situation nicht mehr einschätzen konnte.

Ich Trottel.

Und sie hatte gesagt, dass sie mich ihren Eltern vorstellen würde, wäre ihr Bruder nicht dabei. Jetzt hatte ich es selbst verbockt. Fuck.

Ich nahm mein Handy und schickte ihr eine schnelle Nachricht. Es tut mir leid, ich war ein Idiot. Ein Haken. Vermutlich war sie unterwegs.

Ich war noch in Brandenburg bei einem Termin. Die gesamte Rückfahrt rechnete ich mit einem Anruf von ihr, aber es kam nichts. Vielleicht war sie auch mit ihren Eltern unterwegs und sah einfach nicht aufs Handy.

Ich lenkte den Audi in die Tiefgarage. Anna hatte sich wirklich gut um den RS7 gekümmert. Der Felge war nichts anzusehen. Sie hatte einfach ein Händchen für Autos. Ich parkte den Audi neben meinem Alfa und staunte nicht schlecht als ich ausstieg.

Dort standen zwei schwarze Porsche mit Kölner Kennzeichen. Mir kam ein anerkennender Pfiff über die Lippen. Der Porsche Cayenne sah fast genauso aus wie der, den ich meiner Mutter gekauft hatte. Aber der Porsche Targa. Wow. Unglaublich. Er war mattschwarz foliert und die Felgen, der Bügel und der Schriftzug verchromt. 22 Zoll. Unnormal. Das Auto war heftig, aggressiv und irgendwie gefährlich. Perfektion auf vier Rädern. Bewundernd sah ich ihn mir genauer an. Dieses Auto war pure Eleganz mit einem Hauch von Zuviel. Es war das perfekte Auto für Anna.

Andererseits wusste ich, dass sie sich den Porsche nicht gekauft hatte. Es war zwar ihr Traumwagen, aber soweit war sie noch nicht. Daher ließ die Tatsache, dass hier zwei Autos mit Kölner Kennzeichen waren nur einen Schluss zu: ihr Bruder war hier.

Automatisch spannten sich meine Schultern ein, während ich die Treppe hochlief. Sollte ich ihnen im Flur begegnen, hätte ich endlich ein Gesicht zu dem Typen. Ich stellte ihn mir ein wenig wie Johann in älter und hässlicher vor. In meiner Wohnung angekommen, überlegte ich, was ich tun sollte. Anna hatte meine Nachricht immer noch nicht gelesen. Es hatte keinen Zweck hier zu sitzen und zu warten. Also konnte ich auch noch zum Sport gehen. Ich zog mir hastig einen Corbo Trainingsanzug an. Ich hatte ihr letztens meine gesamte Kollektion für Frauen geschickt und sie schien es zu lieben. Seitdem trug sie beinahe jedes Mal, wenn wir uns sahen ein anderes Outfit. Ihr Anblick in meinen Sachen machte mich wahnsinnig.

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraWhere stories live. Discover now