2. Kapitel: Die Neue

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Raphaels POV

Scheiße. Ein Fangirl. Ich hatte Hoffnungen gehabt. Von dem Moment an, als der ätzende Typ die Wohnung aufgegeben hatte, hatte ich gehofft, dass der neue Nachbar besser sein würde. Ich hatte die Möbelpacker gesehen und die Möbel hatten mir verraten, dass der neue Bewohner zumindest Stil hatte.

Also hatte ich beschlossen zu klopfen. Immerhin war es verständlich, wenn man Vorurteile hatte, mich als Nachbar zu haben. Da zählte ein guter erster Eindruck viel. Mir öffnete ein kleines Mädchen. Sie war so viel kleiner als ich, dass ich zunächst nur ihre Haarfarbe ausmachen konnte. Die Haare waren aufwendig blondiert und die Farbe ließ erkennen, dass ihr Friseur teuer war. Doch es sah wirklich gut und natürlich aus. Den Stil nannte man soweit ich das wusste einen Longbob. Ihre Haare waren zaus, aber sie hatte immerhin auch den ganzen Tag Sachen weggeräumt. Ihre Augen waren hellbraun und wirkten warm und ehrlich. Sie war kaum geschminkt. Ihre Lippen waren voll und die Nase war markant. Es war ein stimmiges Bild. Sie war hübsch, wenn auch auf den ersten Blick vielleicht gewöhnlich.

Sie trug eine schwarze Adidas Jogginghose und ein weißes Shirt mit einem sehr unvorteilhaften roten Fleck. Trotzdem konnte man ihre Kurven gut erkennen.

Sie sah mir in die Augen. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte eine einzige Frage wider: Woher kenne ich dich.

"Ich wollte mich nur vorstellen, ich bin dein neuer Nachbar." Ich versuchte ruhig und sachlich zu klingen, doch ich hatte das Gefühl, dass sie genau wusste wer ich war. Scheiße. Das konnte ich nicht gebrauchen und da hatte ich auch überhaupt keine Lust drauf.

"Du bist Raf Camora", bestätigte sie meine schlimmsten Befürchtungen.

Ich musste mich zusammenreißen, nicht mit den Augen zu rollen. Ein Fangirl. Klasse. Die Stimme der Neuen war leise, aber klar. Ich atmete einmal tief ein, um antworten zu können.

"Ja, aber..." nenn mich einfach Raf. Ich bin auch nur ein Mensch... wäre mein Satz gewesen, doch soweit kam ich nicht.

Die Neue erstarrte kurz bevor sie aufschrie. "Das ist doch wieder typisch!" Dann knallte sie mir die Tür vor der Nase zu.

Ich blinzelte. Perplex stand ich einige Momente dort. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nachdem ich den Schock überwunden hatte, kam Wut in mir auf. Für wen hielt die Bitch sich? Ich biss die Zähne zusammen und betrat meine Wohnung. Anscheinend war sie doch kein Fangirl. Immerhin etwas. Gleichzeitig schien sie auch wenig begeistert davon zu sein, mich als Nachbar zu haben. Und trotzdem hätte sie mir nicht die Tür vor der Nase zuknallen müssen. Das war übertrieben. Ich ärgerte mich über ihre Unfreundlichkeit. Ich hatte keine Lust auf Stress mit den Nachbarn. Hoffentlich würde ich sie nur im Hausflur sehen. Oder höchstens mal auf dem Balkon, denn die lagen nebeneinander.

Diese Hoffnung wurde mir zumindest in den nächsten zwei Tagen erfüllt. Ich sah die Neue nicht und hörte auch nichts von ihr. Irgendwie störte mich das allerdings auch. Ich hatte mit einer Entschuldigung gerechnet. Vielleicht war sie im ersten Moment einfach nur geschockt gewesen. Das würde ihre Überreaktion erklären. Doch es kam nichts. Okay, dann war sie wohl einfach eine Bitch.

Am darauffolgenden Montag betrat ich unsere Tiefgarage früh morgens. Ich war mit John im Studio verabredet und wollte vor ihm dort sein, um alles einzustellen. Außerdem schlief ich nur selten wirklich lange. Dafür gab es zu viel zutun. Ich lief auf meinen Audi A7 zu und blieb plötzlich stehen.

Vor dem Audi stand die Neue. Sie betrachtete das Auto stumm. Innerlich stöhnte ich. Wenn die mir da eine Beule hereingefahren hatte, würde ich sie umbringen. Die Neue trug einen schwarzen Rock, der knapp übers Knie ging und eine weiße Bluse. Es hätte spießig aussehen können, doch die Bluse hatte einen modernen Schnitt und auffällige Schultern, sodass es gleichzeitig lässig aussah. Die Haare waren gewellt. Sie trug beige Pumps. Ihr Outfit war teuer, das konnte man sofort erkennen. Die einzige Frage, die sich mir stellte war, was zur Hölle sie an meinem Auto fand. Eindeutig hatte sie mich nicht bemerkt, denn sie ging nun vor den Vorderreifen in die Knie. Der Rock machte auf jeden Fall einen wirklich guten Hintern. Ich hörte einen anerkennenden Pfiff. Bewunderte sie etwa mein Auto? Sie war eindeutig zu ruhig dafür, um eine Beule reingefahren zu haben.

Ich ging auf sie zu. "Gefällt er dir?", fragte ich und setzte das arroganteste Grinsen auf, das ich zustande bringen konnte.

Sie erschrak und fuhr herum. Erst jetzt konnte ich erkennen, dass sie eine Brille trug. Sie war sehr modern und stand ihr. Zudem hatte sie sich geschminkt. Nicht auffällig, aber genau so, dass es ihre Züge betonte.

Als sie mich erblickte, wich der Schock aus ihrem Gesicht zurück und sie sah mich herablassend an. "Jetzt nicht mehr."

Ich zog eine Augenbraue hoch. Ja klar. Vielleicht war sie auch einfach geldgeil und ließ sich von Autos beeindrucken. Ich beschloss, meine Theorie zu testen. "Soll ich dich mal mitnehmen?" Es klang genauso schmierig, wie ich gehofft hatte. Doch entgegen meiner Hoffnung brachte sie das nicht aus dem Konzept. Im Gegenteil, sie lachte auf.

"Ja, klar." Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. "Nichts beeindruckt mich mehr als ein gut folierter Audi RS7." Überrascht sah ich sie an. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie erkennen würde, dass es ein RS7 war. Sie kramte in ihrer teuren grauen Lederhandtasche und zog einen eigenen Autoschlüssel heraus. Ich erkannte das Audizeichen. Es machte piep an einer anderen Stelle der Tiefgarage. Sie machte auf dem Absatz kehrt und spazierte lässig auf einen anderen Audi zu, den ich noch nicht bemerkt hatte. Es war ein Audi RS3. Ich musste ihr Geschmack zugestehen. Der RS3 war unauffälliger als meiner, ein kleiner Viertürer, der aber mit 400PS verdammt schnell war. So ein Auto hatte ich ihr gar nicht zugetraut. Ich beobachtete wie sie einstieg und den Motor startete. Erneut huschte Erstaunen über meine Gesichtszüge. Das war ein verdammt starker Motor. Die Neue fuhr los und warf mir so gehässiges Grinsen zu, dass ich hoffte, sie würde sich die Felgen am Bordstein zerkratzen. Doch wieder musste ich ihr zugestehen, dass sie sich das Auto verdammt gut zusammengestellt hatte. Sie hatte eine aufwendige Sonderlackierung gewählt. Man könnte das Auto für schwarz halten, doch sobald Licht auf den Lack fiel, glänzte er Lilametallic. Die Felgen, die sie drauf hatte, waren ebenfalls keine Serie, sondern 20 Zöller. Autogeschmack hatte die kleine.

Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Ich wollte ihr keine positiven Charaktereigenschaften zugestehen. Denn wieder hatte sie sich mir als arrogante Bitch präsentiert. Hielt sie sich für was besseres, nur weil sie in einem Bürokostüm zur Arbeit fuhr? Bestimmt hatte sie so einen langweiligen 08/15 Job. Doch andererseits musste sie auch Geld haben, denn weder der Audi noch die Klamotten konnte man sich durch einfache Arbeit leisten.

Ich sperrte meinen Audi auf. Am besten einfach nicht an die Neue denken. Und dennoch verstand ich nicht, warum sie sich mir gegenüber so unfreundlich verhielt. Soweit ich mich erinnerte, hatte ich sie noch nie gesehen oder mit ihr geredet. Von daher erstaunte es mich, dass sie so herablassend war und es nicht mal schaffte, normal mit mir zu reden. Ich hatte ihr nichts getan. Ich ärgerte mich über mich selbst. Wieso interessierte mich, was die Neue für ein Problem mir hatte?



So, ein bisschen kurz, aber ich hoffe, es gefällt euch. Lasst gerne Kommentare oder Votes da. Liebe Grüße :)

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt