25. Kapitel: Buße

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Annas POV

Ziellos lief ich über das Backstagegelände. Ich hatte mich verlaufen. Scheiße. Wie an einem Rettungsanker klammerte ich mich an die Wut, die in mir brodelte. Erst Max, dann Raphael. Normalerweise hätte ich Raphael sich erklären lassen. Vermutlich hatte er Recht und ich war einfach in Nichts hineingeplatzt, aber ich hatte ihm nicht zuhören können. Auf eine Art hatte es meine Befürchtungen bestätigt: ich musste mich von der Szene fernhalten.

Früher oder später würde sie mich wieder verletzen. Deswegen war ich so ausgerastet: ich wollte mich nicht angreifbar machen und ich machte genau das gerade vor Raphael. Das konnte ich nicht riskieren. Nach dem Streit mit Max war der Anblick von Raphael mit dem blonden Hungerhaken die Kirsche auf der Sahne gewesen. Es hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Also war ich übergelaufen und explodiert.

Die rationale Stimme meines Kopfes schrie mich an, wie dumm ich gewesen war und dass die Reaktion einfach nur unnötig und scheiße gewesen war. Die emotionale Stimme hingegen war der Meinung, dass ich alles richtig gemacht hatte. Ihn abschrecken und loswerden war der beste Weg, nicht verletzt zu werden. Max' Worte hatten eine Wunde aufgerissen, die ich sorgsam verschlossen hatte. Raphael konnte das Salz in dieser Wunde sein. Ich hatte Angst, ihm zu vertrauen. Denn anscheinend konnte ich schon meinem Bruder nicht vertrauen, wenn ich es ihm so schwer machte, mich zu mögen.

Mein Handy vibrierte. Ich drückte Max' Anruf weg und kämpfte gegen die Tränen an. Ich war überfordert und wusste nicht, wie ich meine Gefühle kanalisieren sollte. Meine Wut schlug in Wut gegen mich selbst um. Ich wollte schreien. Und wo zur Hölle war ich überhaupt? Die scheiß Trailer sahen alle gleich aus.

In der Ferne vernahm ich Lachen. Es klang verdächtig nach Joes kehliger Stimme. Vielleicht sollte ich lieber in die andere Richtung gehen, nur um niemanden von denen zu begegnen. Ich schob mich zwischen zwei Trailern durch und ging einen etwas anderen Weg als vorher, musste jedoch feststellen, dass ich wohl einmal im Kreis gelaufen war. Mein Handy vibrierte erneut, doch ich drückte Max weg.

Ich wusste, dass er es nicht so gemeint hatte. Ganz tief im Inneren spürte ich es. Aber schien immer noch keinen blassen Schimmer zu haben, was er damals in mir angerichtet hatte. Das machte mich wütend. Er konnte sich nicht einfach das Recht nehmen, über mich zu bestimmen.

Genauso wenig wie Raphael einfach so mit mir umspringen konnte. Wieder hallten die Worte meiner Chefin in meinem Kopf wieder: Unzähmbar, high und Frauenmagnete. Nicht mit mir. Meine Reaktion war berechtigt gewesen. Eigentlich hätte ich ihm noch eine verpassen sollen.

Ich lief in die Richtung der Stimmen, aber drückte mich an den Trailern und war darauf bedacht, nicht zu nah zu kommen. Wieso gab es denn hier auch keine Schilder? Ich würde einfach das nächste Golfkart anhalten und denjenigen bitten, mich zum Ausgang zu bringen.

Ich erstarrte mitten in meiner Bewegung. Wenige Trailer entfernt trat Max auf den Weg. Den Blick hatte er anscheinend auf den Display seines Handys gerichtet. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht erkennen. Mein Handy vibrierte verräterisch und ich fuhr panisch herum. Schnelles Schrittes eilte ich davon, während ich hastig auflegte.

"Anna? Warte!" Max setzte zu einem Sprint an und zog mich wenig später in seine Arme. "Es tut mir so so so so leid. Bitte geh nicht."

Ich konnte nicht anders. Meine Gefühle brachen aus mir heraus, obwohl ich gegen die Tränen kämpfte. Ich fing an zu weinen und schniefte gegen seine Brust. "Wie konntest du sowas sagen?", brachte ich unter Tränen hervor.

"Ich hab es nicht so gemeint. Bitte."

"Aber wieso sagst du sowas?" Ich brachte Abstand zwischen uns und wischte mir mit der Hand über die Augen.

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraWhere stories live. Discover now