24. Kapitel: Stur

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Raphaels POV

"Merda!", schrie ich und stieß Chiara von meinem Schoß.

Sie fiel unsanft hin und sah vorwurfsvoll zu mir hoch. "Was soll das? Lass sie gehen", keifte sie auf italienisch.

"Nein, du gehst. Du hast hier überhaupt nichts zu suchen!" Ich konnte nicht verhindern, dass ich laut wurde. Zu sauer war ich auf sie und ihre wiederholten Versuche, mir nah zu kommen. Das war jetzt die Spitze. Anna war genau in dem Moment reingeplatzt, in dem Chiara mich auf das Sofa geschupst hatte und ohne zu zögern auf mich geklettert war. Vermutlich hatte Annas Auftritt schlimmeres verhindert, aber es war dennoch der denkbar ungünstigste Zeitpunkt und ich konnte nur erahnen, wie das für sie ausgesehen haben musste.

Chiara stand auf. "Aber...", warf sie ein.

"Kein aber", brüllte ich. "Das zwischen uns war eine einmalige Sache!" Zugegeben zweimalig, aber auf die Details kam es nicht an. Ich packte ihren Arm und zog sie unsanft mit mir aus dem Wagen. Ich schmiss die Tür hinter mir zu.

"Du rennst jetzt echt zu dieser fetten Schlampe?!", schrie sie hysterisch.

Ich drehte mich zu ihr um. "Nenn sie nicht so", drohte ich ihr.

Trotzig stemmte Chiara die Hände in die Hüfte. "Sonst was?"

"Ruf mich nochmal an und, ich schwöre bei Gott, dir passiert was." Ich ließ sie stehen und blickte mich panisch nach Anna um. In welche Richtung war sie gegangen? Mein Blick fiel auf den Boden. In dem Matsch vom Regen vom Vortag erkannte ich Doc Martens Abdrücke. Ich wusste nicht, ob Anna welche getragen hatte, aber ich rannte ihnen trotzdem hinterher.

Ich fand Anna etwa zweihundert Meter entfernt zwischen einem Haufen Wohnwagen, die zur Technik gehörten. Sie lief Richtung Ausgang. Ich eilte ihr hinterher. Der Wind erfasste ihr Haar und trug ihren Duft zu mir rüber. Ich zog scharf die Luft ein. Es versetzte mir einen Stich.

"Anna, warte!", rief ich.

Für einen kurzen Augenblick hielt Anna inne. Dann eilte sie noch schneller weiter. Ich setzte zu einem Sprint an. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal gerannt war. Als ich sie endlich erreichte, ergriff ich Annas Arm. Mit einer Kraft, die mich überraschte, riss sie sich los. Sie wirbelte zu mir herum. Erst jetzt erkannte ich, dass sie einen Teller vor sich hertrug. Und sie hatte mein Corboshirt an. Sie hatte es sich in einen kurzen Jeansrock gestopft und sich eine Sweatshirtjacke umgebunden.

Ihre braunen Augen funkelten angriffslustig und ihr Mund verzog sich zu einem gehässigen Lächeln. "Anna, was?", fauchte sie.

Ich rang nach Luft. "Das...", begann ich, doch sie unterbrach mich, indem sie mir mit Wucht den Teller, der mit Alufolie bedeckt war, in den Bauch rammte.

"Hier", sagte sie mit Nachdruck. Automatisch griff ich nach dem Teller. "Dein scheiß Kuchen." Ihre Stimme war kühl. Diese Stimme hätte Glas schneiden können. Sie drehte sich wieder um. Dann hielt sie inne. "Halt nein. Gib mir den wieder." Sie riss mir den Teller wieder aus der Hand. Ich hielt ihn fest.

Sie ließ den Teller so abrupt los, dass der Kuchen in der Alufolie vom Teller rutschte und in den Matsch fiel. Sie sah ihm nach, seufzte und blickte dann mich an. Die Angriffslust war verschwunden. Ihre Augen wirkten müde, aber kühl. Diese Augen leuchteten nicht mehr wie Bernstein; sie waren so dunkel geworden und erinnerten mich an die Kliffe im Meer, an denen Schiffe zerbrachen.

"Das war nicht, wonach es aussah."

Wieder änderte sich der Ausdruck in Annas Augen. Sie wurden schwarz wie Tinte. Sie stieß ein verächtliches Lachen aus. "Ist okay, geht mich ja gar nichts an." Sie spie die Worte aus wie Feuer. "Geh ruhig und bespaße deine Hungerhaken. Ich find alleine raus."

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraOù les histoires vivent. Découvrez maintenant