15. Kapitel: Nein

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Annas POV

Diese ganze Woche war einfach nur stressig. Es begann direkt Montagmorgen, als ich meinen Briefkasten öffnete und die Ladung vorfand. Die Ladung zum zweiten Staatsexamen durch das OLG Köln. In mir stieg Panik auf. Ich hatte gewusst, dass ich im Juni schreiben würde, aber jetzt war es offiziell. Scheiße.

In der Kanzlei wurde es nicht besser. Kaum hatte ich die Räumlichkeiten betreten, wurde ich zu meiner Chefin bestellt. Sie war nicht richtig meine Chefin, aber die Partnerin, die für mich zuständig war. Sie war eine groß gewachsene schöne Frau Ende vierzig. Ich durfte sie duzen.

„Paula? Was gibt es?"

Sie sah mich an und bedeutete mir, mich hinzusetzen. „Ich hatte gerade ein wirklich äußerst interessantes Telefonat." Ich wartete darauf, dass sie weitersprach, wohlwissend, worauf sie hinauswollte. „John Lorenz Moser, besser bekannt als Bonez MC." Sie musste lachen. Dabei fiel ihr rotes Haar aus dem Zopf und umrandete ihr herzförmiges Gesicht. „Interessanter Typ. Er will unbedingt nur mit dir zusammenarbeiten."

„Ich hätte dich vorwarnen sollen", begann ich, doch sie unterbrach mich.

„Quatsch, alles gut. Erst nach dem Telefonat habe ich ihn gegoogelt. Nicht meine Musik, aber eindeutig, worauf die Kids heute stehen." Sie lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück und musterte mich.

„Wir werden das Mandat selbstverständlich annehmen und du wirst es auch als einzige bearbeiten. Herr Moser war da sehr eindeutig." Ich war keine fertige Anwältin, daher überraschte mich ihr Vertrauen. Sie deutete mein Zögern richtig. „Alles was du machst, wird aber von mir gegengeschrieben. Ich kontrolliere das nur auf Fehler, da du ja noch nicht haftest. Ansonsten ist es komplett dein Mandant. Auch, wenn du fertig bist."

„Aber das bedeutet ja..."

„Genau. Du wirst schön hierbleiben nach deinem Examen." Sie lächelte mich an. „Ich hab schon mit HR gesprochen. Die Verträge werden gerade fertig gemacht. Und da du schon einen dicken Klienten an Land gezogen hast, bedeutet das auch, dass du im nächsten Jahr schon Juniorpartnerin werden kannst. Herzlichen Glückwunsch."

Ich starrte sie an. Die Gefühle tobten in mir. Ich mochte den Job in der Kanzlei, aber das bedeutete jetzt, dass ich in Berlin bleiben würde, vorausgesetzt, ich nahm an. Wollte ich annehmen? Juniorpartnerin bevor ich dreißig war... Nirgendwo anders könnte ich das schaffen. Aber Berlin... Berlin war als Zwischenstop geplant gewesen. Einfach mal was neues nach 26 Jahren Köln. Ich wusste nicht, ob ich Köln für immer den Rücken kehren konnte. „Okay....", war alles was ich sagte.

Paula lachte. „Du bist schockiert, ich verstehe das. Herr Moser hat angedeutet, dass er eventuell alle 187 Verträge über uns laufen lassen würde. Herr Ragucci - das ist Raf Camora, oder? - hat eine eigene Managementfirma. Wenn wir die auch noch komplett bekommen würden, lasse ich dich morgen noch zur Partnerin erklären. Kennst du ihn?"

Ich starrte immer noch, fing mich dann wieder. „Ja, ich kenne beide. Durch Zufall", fügte ich hinzu, als sie eine Augenbraue hob.

„Woher, wenn ich fragen darf?" Ich wusste, worauf sie hinaus wollte. Warum kannte ich deutsche Rapper, deren Musik wohl gegen jeden guten juristischen Geschmack sprach.

Wieder zögerte ich. „Mein Halbbruder ist Kontra K..." Ich sagte es ganz leise.

„Den kenne ich sogar. Ein Berliner, oder?"

Ich nickte. „Ja."

„Deswegen hattest du Gelegenheit mit Herrn Moser über den Vertrag zu reden..." Sie stellte es schlicht fest und ich ließ sie in dem Glauben.

„Es wäre mir sehr lieb, wenn sich das nicht herumspricht", sagte ich. „Ich liebe meinen Bruder, aber wir leben ganz unterschiedliche Leben. Das soll auch so bleiben."

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum