2 | 35. Vevey

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Raphaels POV - 3. Mai 2019

"Blumen dahin!" Die Stimme von Gabriel donnerte über den gesamten Platz, während er wild mit den Armen fuchtelte und dem Floristen bedeutete, den Gang zum Altar in einem bestimmten Abstand mit weißen Rosen zu bestücken. "Mon dieu, ce n'est pas si difficile!" Mir war nicht klar gewesen, wie gut Gabriels Französisch war, aber ich musste ehrlich zugeben, dass ich das alles ohne seine Unterstützung wohl nie hinbekommen hätte.

Er trug eine Jogginghose, hatte Augenringe wie John nach einer Woche in Mexiko und zu viel Gras, aber er erteilte Befehle, wie er es nur von Anna hatte lernen können.

"Wenn hier innerhalb von einer Stunde nicht alles dekoriert ist", drohte er da, "schwöre ich, dass ich das alles hier abbrenne."

Ich schmunzelte, lief auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Gabriel, merci, mon frère. Aber das läuft doch alles schon."

Er sah mich an als hätte ich den Verstand verloren. "Raf, bei allem Respekt. Aber ich setze hier gerade die Visionen deiner Frau um. Du wolltest ihr ja immer noch nicht sagen, wo die Trauung stattfindet." Es war ein wenig Vorwurf rauszuhören. Ich hatte ihm jedoch bereits vor Monaten gesagt, was ich vorhatte, damit er entsprechend das Catering umleiten konnte. Und auch, wenn er es nicht zugeben wollte und sich allgemein schwer mit mir tat, so war er doch begeistert von meiner Idee gewesen.

Im Endeffekt setzte Gabriel tatsächlich Annas Planung bezüglich des Klosters um. Anna hatte das alte Backsteingemäuer mit den Weinranken nämlich eigentlich so belassen wollen. Es hätten nur Stühle aufgestellt werden sollen mit einem Altar und einem Bogen, der das Thema der Weinranken verdeutlicht hätte. Es war mir sehr rustikal vorgekommen, doch sie hatte mir mit Bildern und einem Visual Board ihre Vorstellung vorgestellt. Es wirkte einfach, doch elegant. Feminin, aber dezent. Rustikal, aber nicht dreckig. Es war stimmig gewesen, eben wie Anna und ich.

Jetzt hatten wir umplanen müssen. Der neue Ort bot keine natürlichen Weinranken. Auch konnte er vielleicht vergleichsweise kühl wirken. Die Wände waren steingrau, doch die Sonne strahlte vom Himmel und das Licht der Steine reflektierte sie leicht, sodass man sogar von einem dezenten Glitzern ausgehen konnte. Und genau für den restlichen Charme waren die Rosen da, die gerade von fünf Mann aufgestellt wurden, während an einer anderer Stelle ein Festzelt errichtet wurde.

Mittlerweile war der Innenhof mit Ausblick auf den Leman-See verwandelt worden. Die moosbewachsenen grauen Mauern fielen zwischen den weiß überzogenen Stuhlreihen kaum noch auf und passten sich in das Gesamtbild ein. In weißen Kübeln standen Olivenbäume, die die Gesellschaft wie Bodyguards später flankieren würden.

Normalerweise war so etwas hier nicht möglich. Normalerweise konnte man hier nicht heiraten. Doch nach einem mehr als großzügigen Angebot hatte man alles für das gesamte Wochenende gesperrt worden. Ohne Einladung würde man nichtmal bis zum Parkplatz kommen. Das hatte allerdings die Presse auf den Schirm gerufen - allerdings nur die Schweizer Presse, die Gabriel ohne dass Anna etwas mitbekommen hatte, mit Unterlassungsverfügungen hatte abwimmeln können. An ihm war ein Jurist vorbeigegangen.

Ich drehte mich einmal langsam im Kreis. Doch. Es passte. Natürlich war es nicht eins zu eins Annas Vision. Aber ich fand es fast schon besser. Auch, wenn alles von weißen Rosen übersäht war, so wirkte nichts kitschig. Zwar gab es keinen Bogen aus Weinränken mehr, aber dafür einen Brunnen, der kein Wasser aber ebenfalls Rosen beherbergte. Dahinter hatte die Mauer durch einen verirrten Bomber im 2. Weltkrieg ein Loch, das man danach erweitert hatte, um hinter dem Brunnen die Aussicht auf den See zu haben. Es sah unglaublich aus. Der Brunnen diente als improvisierter Altar und es würde einfach nur perfekt sein.

"Da kommt der Teppich." Etwas gröber als nötig stupste Gabriel mich zur Seite, um den Leuten, die einen abmattierten weißen Teppich ausrollten, Platz zu machen. Sie machten ihn am Eingang zum Innenhof fest und würden ihn über die Stufen zum Brunnen hin rollen, wo Anna und ich stehen würden.

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraWhere stories live. Discover now