5. Kapitel: Familiensachen

3.5K 88 5
                                    

Annas POV

Ich hatte mir Bonez MC genauso vorgestellt, wie er da bei Raphael auf dem Balkon gesessen hatte: mit Joint in der Hand und Alkohol auf dem Tisch. Es war schon fast witzig gewesen, wie die zwei dort einem Klischee entsprochen hatten. Kiffen störte mich überhaupt nicht, im Gegenteil. Ich tat es nicht regelmäßig, aber wenn ich Lust drauf hatte, hatte ich halt Lust drauf.

Ich hatte an meiner Doktorarbeit gesessen, denn ich hatte mir vorgenommen, sie endlich abzugeben. Ich hatte sie so oft Korrektur gelesen, dass ich mit Sicherheit kein Komma übersehen hatte und jeder Satz in den nächsten Floss. Am Wochenende würde ich sie binden lassen und dann abschicken. Es reichte einfach. Ich hatte immerhin fast drei Jahre gebraucht.

Samstag fuhr ich in die Stadt und traf mich mit Lisa, der Frau von Max. Ich hatte sie gebeten, mir einen Friseur zu empfehlen und sie hatte es kurzerhand als Vorwand benutzt, einen Wellnesstag für uns beide zu planen. Ich traf sie vor einem teuer aussehenden Friseursalon. Sie hatte schönes langes und volles braunes Haar. Dafür beneidete ich sie. Lisa war zierlich und wirkte jünger als sie war. Zur Begrüßung nahm sie mich in den Arm.

"Wie geht's dir, Anna? Du siehst müde aus."

"Ich hab die letzten Abende nochmal meine Doktorarbeit gelesen."

Tadelnd sah sie mich aus ihren mandelförmigen Augen an. "Sie wird perfekt sein, mach dir da keine Sorgen." Sie hielt mir die Tür zum Salon auf und wir wurden auf Stühlen nebeneinander platziert.

"Lisa! Was können wir heute für dich tun? Farbe und Extensions hochsetzen?"

Lisa drehte sich freudestrahlend um. "Pablo! Hi! Ja, genau, das machen wir."

Stirnrunzelnd sah ich sie an. "Du hast Extensions?"

Unschuldig grinste sie. "Ja. Leider nicht mein echtes Haar. Aber ist gut gemacht, oder? Pablo ist der beste."

Pablo trat hinter mich und fuhr mir durch die Haare. "Und wer bist du?", fragte er mich.

Ich wollte mich vorstellen, doch Lisa fuhr dazwischen. "Das ist Anna, Max' kleine Schwester."

"Lisa!", rief ich dazwischen. Ich hasste es, wenn man mich direkt mit Kontra K in Verbindung brachte. Ich war dann nicht mehr existent, sondern alle fragten mich nach ihm.

Pablo interessierte das jedoch überhaupt nicht. Er sah mich über den Spiegel hinweg an. "Sonderlich ähnlich seht ihr euch nicht", stellte nüchtern fest.

"Halbgeschwister", erklärte ich mit einem strafenden Blick an Lisa gerichtet. Die zuckte nur mit den Schultern.

"Was kann ich denn heute für dich tun?"

"Ich würde gerne fünf cm abschneiden und das blond wieder hochsetzen", erklärte ich und machte eine erklärende Handbewegung. 

"Der Longbob steht dir wirklich gut", sagte Pablo und lief um mich herum, "aber mit Extensions könnten wir Fülle und Länge hinzufügen. Das würde hier genau die richtigen Akzente setzen."

Zweifelnd sah ich ihn an. "Ich weiß nicht. Ich hatte mal lange Haare, aber das kürzere ist irgendwie besser."

"Aber ohne Extensions, oder? Deine Haare sind zu dünn, um natürlich lang zu werden. Ich würde vorschlagen, dass wir die Haare in Balayage einfärben, so wie jetzt, nur ein bisschen kühler im blond. Das betont deine schönen braunen Augen. Dann machen wir dir Extensions für mehr Dichte, aber auch mehr Länge rein. Nicht zu lang, ungefähr bis hier." Er deutete die Länge an. Sie würden dann knapp bis zu meiner untersten Rippe gehen.

Ich blickte Lisa an. "Was meinst du?"

"Neue Stadt, neue Haare", sagte sie und lächelte aufmuntert.

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraWhere stories live. Discover now