9. Kapitel: Misstrauen

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Annas POV

Planlos lenkte ich meinen Audi von dem Innenhof. Im Rückspiegel sah ich Bonez wie er im Türrahmen lehnte und mir nachsah. Ich wusste überhaupt nicht, wohin. Immerhin hatte ich nichts zutun und gelogen, als ich gesagt hatte, ich müsste Dinge erledigen. Eigentlich wusste ich auch gar nicht, warum ich Raphael angeboten hatte ihn zu fahren. Er hatte mir leid getan. Es musste richtig scheiße sein von Groupies verfolgt zu werden. Ich fuhr durch die Kreuzberger Straßen und erinnerte mich an letztes Jahr, wie ich durch Zufall in Max gerannt war. Es war fast schon ironisch, wie ich letztes Jahr noch versucht hatte bloß keinen Kontakt zu Rappern zu haben und jetzt fuhr ich sie freiwillig.

Spontan parkte ich meinen Audi in einer großen Parklücke. Zum Glück musste man da nur gerade hereinfahren. Ich konnte einfach nicht parken. Ich stieg aus, holte einen Parkschein. Dann nahm ich meinen Rucksack und betrat ein kleines Café. Ich setzte mich an einen der freien Tische und bestellte mir Frühstück. Das hatte ich über den ganzen Stress vergessen. Ich zog mein Handy heraus und rief Max zurück.

"Was ist so wichtig?", blaffte ich ihn an. "Wenn ich einmal auflege, hab ich zutun."

"Ich wollte nur sichergehen, dass du unsere Verabredung morgen nicht vergessen hast", antwortete mein Bruder gleichermaßen genervt.

Upsi. Erwischt. "Natürlich nicht", log ich und dachte fieberhaft nach, wozu wir verabredet waren.

Max seufzte. "Ach ja?", hakte er nach, "Was haben wir denn vor?"

"Etwas tolles?", fragte ich hoffnungsvoll.

"Mensch Anna!", beschwerte er sich. "Wir sind im KaDeWe verabredet, um Lisas Geburtstagsgeschenk auszusuchen."

"Richtig, war nur ein Test, ob du dich erinnerst."

"Ja, ist klar." Ich sah ihn augenrollend vor mir. "Passt dir zwei? Ich würde dann einen Termin beim Personal Shopping machen. Dann werden wir nicht gestört."

"Und du kannst dir dann auch neue Sachen kaufen, ohne dass Lisa sich beschwert, du würdest zu viel Geld ausgeben, richtig?"

"Du kennst mich so gut."

Jetzt rollte ich mit den Augen. "Du bist leicht zu durchschauen." Die Kellnerin stellte ein Bauern Omelett vor mir ab und mir lief das Wasser im Mund zusammen.

"Kannst du mir noch einen anderen Gefallen tun?"

Ich wurde hellhörig. "Was denn?"

"Du weinst doch, Janosch sitzt gerade."

"Dein Cousin?", fragte ich nach und pikste mit der Gabel in das Ei.

"Genau der. Kannst du dir seine Hafturlaubsantrag mal durchlesen?"

"Hat er dafür keinen Anwalt?"

"Doch. Aber ich vertraue nunmal nur dir."

Instinktiv rollte ich wieder mit den Augen. Ja klar. Die Berlin-Regeln zeigten, wie sehr er mir vertraute. "Ich schau mal rein, aber bin kein Strafrechtler. Also hab kein Plan davon."

"Dann zeig's halt Bella."

Als ob die nichts besseres zutun hatte. Bella machte Strafrecht und hatte vor mir bereits vor einem halben Jahr zweites Examen geschrieben. "Schick es ihr doch direkt. Oder willst du dir die Anwaltskosten sparen?"

"Anna, bitte."

"Okay, schick es mir per Mail."

"Bist die Beste."

"Ich weiß. Bis morgen." Ich legte auf und fiel über mein Frühstück her.

Als ich aufgegessen hatte, holte mich meinen Laptop aus meinem Rucksack und begann, ein wenig den Stoff für das Examen zu wiederholen. Dabei kippte ich drei Kaffees weg und aß auch noch zu Mittag in dem Café, bevor ich mich dazu entschied, mal meine Mutter anzurufen. Wir telefonierten regelmäßig.

BESSER SAG NIX - SAG MIR ALLES | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt