Das Ende einer Ära

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Im Bahnhof in Hogsmeade herrschte eine seltsame Stimmung. Jocelyn lief den Bahnsteig hinunter, immer Dracos weißblondem Haarschopf hinterher, und kam an Schülern mit tränenüberströmten Gesichtern vorbei. Auch die Lehrer, die versuchten, Kontrolle über das Durcheinander von Schülern zu bekommen, wirkten blass und mitgenommen. 
Jocelyn hatte ein durch und durch unangenehmes Gefühl in der Magengegend. Sie musste plötzlich an ihre erste Zugfahrt nach Hogwarts denken. Daran, wie sie Harry, Ron und die anderen Gryffindors im Zug kennen gelernt hatte, wie sie erwartungsvoll aus dem Zug gestiegen war, als dieser in Hogsmeade gehalten hatte. Sie erinnerte sich, wie sie sich erschrocken hatte, als sie Hagrid das erste Mal gesehen hatte. Es war verrückt, wie weit weg ihr all diese Erinnerungen vorkamen. 
Sie war ein komplett anderer Mensch gewesen.
Jocelyn heftete ihre Augen auf Dracos Rücken. Er war ihre Insel inmitten des reißenden Stroms, der ihr Leben zurzeit darstellte. Hocherhobenen Hauptes lief er den Bahnsteig entlang, immer noch seinen eleganten, schwarzen Anzug tragend, und ab und an warf er einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass er sie nicht verloren hatte. Schließlich wurden sie von McGonagall in ein freies Abteil gewunken. Die grauhaarige Professorin sah elendig aus. Ihre Augen waren rotgeädert und sie schniefte leise. Jocelyn hatte aus dem Getuschel der anderen Schüler herausgehört, dass McGonagall vorerst einmal die Leitung der Schule innehatte. 
„Passen Sie auf sich auf.“, sagte McGonagall leise und ihre intelligenten Augen hinter der Brille maßen Jocelyn kurz, aber intensiv. 
Jocelyn dachte, wie merkwürdig es war, dass das plötzlich alle zu ihr sagten. Es bewies wohl nur, wie ernst die Lage war. Verwirrt nickte sie McGonagall zu und folgte Draco, der bereits die Abteiltür aufgeschoben hatte und eingetreten war. Er nahm ihr den Koffer ab und hievte ihn zu seinem auf die Gepäckablage, bevor er auf dem Sitz neben dem Fenster Platz nahm. 
Jocelyn setzte sich neben ihn, ganz dicht, und er schlang einen Arm um sie. Dankbar kuschelte sie sich an seine Brust und ließ sich von der Wärme seiner Umarmung einhüllen.
Festumschlungen sahen sie durch das Fenster zu, wie auch die restlichen Schüler einstiegen. Irgendwann wurde ihre Abteiltür geöffnet und zwei unbekannte Rawenclaw-Jungs setzten sich auf die freie Sitzbank ihnen gegenüber. Niemand von ihnen sprach ein Wort. 
Im ganzen Zug herrschte eine drückende Stille. Keine Spur von dem fröhlichen Gelächter, das sonst aus den Abteilen drang, dem unbeschwerten Stimmengewirr. 
Mit einem lauten, durchdringenden Pfeifton fuhr schließlich der Zug aus dem Bahnhof. Die Lehrer blieben als kleine, verschwommene Figuren dahinter zurück. 
Draco drehte den Kopf und blickte hinunter, als Jocelyn ein kleines, unterdrücktes Schluchzen entfuhr. Er drückte sie noch fester an sich und seine Lippen berührten ihre Stirn.
Der Gedanke, dass sie nie mehr hierher zurückkommen würden, stimmte Jocelyn trauriger als alles andere. Sie würde Hogwarts so vermissen. Hier hatte ihr Leben angefangen, hier hatte sie so viele schöne, aber auch schmerzhafte, schreckliche Dinge erlebt. Sie hatte Freundschaft gefunden, sie fast direkt wieder verloren, sie hatte Liebe gefunden und war um einiges weiser geworden. Und was noch wichtiger war: Sie hatte ein Zuhause gefunden, einen Ort, an dem sie sicher war. 
Es war das Ende einer Ära. 
Jocelyn hob den Kopf von Dracos Brust und umfasste sein Kinn, während sie sich reckte, um an seine Lippen zu kommen. Fest drängte sie ihren Mund gegen seinen und er legte eine Hand an ihren Hinterkopf, während er ihren verzweifelten Kuss erwiderte. Sie klammerte sich an dem Kragen seines schwarzen Hemdes fest und versuchte, all die schmerzhaft starken Gefühle in ihrem Inneren in den Kuss zu legen, bevor sie davon verzehrt wurde. Draco keuchte leise an ihrem Mund und versuchte sie zu bremsen, in dem er sie etwas von sich schob. 
„Sachte“, stieß er hervor und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. 
Er drehte den Kopf und Jocelyn erinnerte sich dunkel an die Rawenclaw-Schüler, doch es kümmerte sie nicht. Sie drückte ihre Lippen nun gegen seine blassen Wange, während sie mit den Fingern zärtlich durch seine hellen, weißblonden Haare strich. Die Strähnen fühlten sich weich und samtig zwischen ihren Fingerspitzen an. Sie zeichnete mit ihren Lippen eine Spur aus Küssen auf seine Haut, von seiner Wange, hinunter bis zum Anfang seines scharf geschnittenen Kinns und von da aus zu der empfindlichen Stelle unter seinem Ohrläppchen. Sie vergrub das Gesicht in seiner warmen Halsbeuge und zog seinen Duft ein. Sie merkte, wie er unter ihren Liebkosungen erschauerte. Sie liebte ihn, sie liebte ihn so sehr, dass es sie fast körperlich schmerzte. Sie hatte solche Angst davor, dass ihm etwas passierte. Wenn sie gefunden werden würden…Sie könnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren.
Sie versuchte, sich ein Leben ohne ihn vorzustellen, doch allein der Gedanke brachte sie fast um.
„Ist ja gut.“, wisperte Draco und strich über ihren Hinterkopf, vergrub seine Finger ihn ihren dichten Locken. Den Kopf immer noch in seiner Halsbeuge vergraben, versuchte Jocelyn, ihr Schluchzen zu unterdrücken.
Plötzlich hörte sie, wie die Abteiltür aufgeschoben und kurz darauf wieder geschlossen wurde. Sie hob den Kopf und blinzelte die Tränen weg.
Die Rawenclaw-Schüler hatten offenbar entschieden, sich ein anderes Abteil zu suchen.
„Komm her.“, murmelte Draco mit rauer Stimme. 
Jocelyn folgte seiner Bitte und kletterte auf seinen Schoß. Er fuhr mit den Händen über ihren Rücken, bis hinauf zu ihren Haaren. Er nahm ihren Kopf zwischen die Hände, als wäre sie das Kostbarste der Welt. 
„Du brauchst keine Angst haben. Ich verspreche es dir.“, murmelte er.
Jocelyn schüttelte immer noch weinend den Kopf.
„Das kannst du nicht versprechen.“, widersprach sie gequält. „Ich habe solche Angst, dass dir etwas passieren könnte, Draco.“
Allein es auszusprechen, ließ sie erneut aufschluchzen.
Draco packte ihr Kinn, fest, und seine grauen Augen bohrten sich in ihre. Obwohl er blass und mitgenommen aussah, war sein Blick entschlossen.
„Wir haben es bis hierher geschafft. Wir werden auch das Kommende durchstehen.“
Jocelyn spürte, dass sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Aufstöhnend packte sie mit beiden Händen Dracos Kopf und zog ihn zu sich herunter, während sie erneut ihre Lippen auf seine presste. Ihr schwirrten Bilder davon, wie Dumbledores Leiche in helle Flammen aufgegangen war, sowie die Erinnerungen an den schaurigen Gesang der Wassermenschen und das schmerzhaft schöne Lied des Phönix durch den Kopf. Obwohl er es besser zu verbergen wusste als sie, erkannte Jocelyn, dass auch Draco Angst hatte. Sie erkannte es daran, wie verzweifelt er ihren Kuss erwiderte, wie gierig. Sie brauchte ihn so sehr, sie brauchte seine Berührungen. Es machte sie wahnsinnig, dass sie ihn jetzt nicht haben konnte, nicht hier. 
Draco schien es ähnlich zu gehen. Ein Stöhnen entwich ihm, halb gedämpft durch ihre Lippen. Er drehte den Kopf beiseite und schnappte nach Luft.
„Du musst aufhören, Jocelyn.“, stieß er hervor. 
Er ließ den Kopf gegen das Polster des Sitzes sinken. Das Abteil war erfüllt von ihrem keuchenden Atem. Ihr Kleid war hochgerutscht und seine schlanken Hände ruhten auf ihren nackten Oberschenkeln, während Jocelyn mit gespreizten Beinen auf ihm saß. Sie fühlte sich vollkommen entrückt. Das war verrückt, draußen vor ihrem Abteil liefen Leute vorbei. 
Ein komischer Laut kam aus ihrer Kehle. Es klang wie ein Lachen. Sie beugte sich vor und presste das Gesicht gegen seine Brust.
„Tut mir leid.“, sagte sie gedämpft.
„Dafür musst du dich wirklich nicht entschuldigen. Aber…du solltest wirklich…“, Draco rutschte unter ihr herum und die Art und Weise, wie es ihm nicht recht gelang, ein erneutes Stöhnen zu unterdrücken, ließ in Jocelyn den heftigen Wunsch entstehen, erneut ihre Lippen auf seine zu pressen.
„Ich bekomme nicht genug von dir.“, wisperte sie und gab ihrem Wunsch nach. 
Ganz sanft strich sie mit ihren Lippen über Dracos. Seine Finger bohrten sich in ihre Oberschenkel und als sie sich wieder zurücklehnte, schien er ihr mit seinem Mund folgen zu wollen, doch Jocelyn kletterte von seinem Schoß und zog hastig ihr Kleid wieder über ihre Oberschenkel, bevor sie sich zurück auf die Sitzbank setzte, mit Sicherheitsabstand.
Eine ganze Weile schwiegen sie.
„Sobald wir aus dem Zug sind, apparieren wir.“, brach Draco schließlich irgendwann das Schweigen und räusperte sich leicht, da seine Stimme so rau war.
Jocelyn nickte. 
Ihre Gedanken glitten nun zu Dracos Mutter. Ob sie wohl schon von Dumbledores Tod gehört hatte? Ahnte sie, dass sie auf dem Weg zu ihr waren? Wieder fragte Jocelyn sich, wie Narcissa darauf reagieren würde, dass Draco und sie verlobt waren. 
Der Zug fuhr gerade durch ein Wettertief. Regentropfen trommelten gegen die Außenwand des Zuges und rollten an den Fensterscheiben herab. Es kam Jocelyn alles so unwirklich vor. Sie hatte nicht gedacht, dass sich alles so schnell ändern würde. Dass sie jetzt schon Hogwarts verlassen mussten.
Sie seufzte. Diese Gedanken führten zu nichts. Draco hatte recht, sie würden das durchstehen. Jocelyn hatte bereits so vieles mit ihm durchgestanden. Sie dachte an Greyback, daran, wie Voldemort sie bereits zum Tod verurteilt hatte. Nie hätte sie gedacht, dass es gerade Draco sein würde, der ihr das Leben rettete. Und doch hatte er es getan. Vermutlich hatte ihn das selbst noch mehr überrascht, als es Jocelyn überrascht hatte.
Sie fiel wohl im Laufe der Zugfahrt in einen erschöpften Schlaf, da der Zug bereits gehalten hatte, als sie das nächste Mal die Augen aufschlug. Draco war schon aufgestanden und zog gerade ihre Koffer von der Gepäckablage, als sie sich müde streckte.
Sie blickte aus dem Fenster und sah den Bahnhof King’s Cross. Am Bahnsteig standen unzählige Menschen, Eltern, die ihre Kinder abholen gekommen waren. 
Für einen kurzen Augenblick malte Jocelyn sich aus, wie es wäre, wenn Fiona dort stehen und auf sie warten würde. Doch dann rappelte sie sich vom Sitz auf, nahm ihren Koffer und folgte Draco aus dem Abteil und hinaus auf den Gang. 
Sie folgten dem Strom, der sie hinaus in Richtung Zugtür drängte, und standen schließlich auf dem Bahnsteig. 
„Komm“, sagte Draco, nahm ihre Hand und griff mit der anderen seinen Koffer.
Jocelyn nickte. Sie umklammerte den Griff ihres Koffers fester und sie machten sich auf den Weg. Sie drängten sich durch die vielen Leute und Jocelyn merkte, dass sich instinktiv Wachsamkeit in ihr breit gemacht hatte, sobald ihre Füße den Bahnhof King’s Cross betreten hatten. 
Auch Draco schien es eilig zu haben. Als sie schließlich vor dem Bahnhof standen, verlor er keine Zeit. Er umgriff ihre Hand fester und schloss mit einem angespannten, konzentrierten Gesichtsausdruck die Augen. Jocelyn spürte, wie die Luft um sie herum knapper wurde und das vertraute, beengende Gefühl, das mit dem Apparieren einherging, stellte sich ein. Sie versuchte, Draco zu helfen und konzentrierte sich ebenfalls darauf, fest an die Adresse zu denken, die auf dem Zettel gestanden hatte. Die Enge nahm zu und Jocelyn wurde von den Beinen gerissen. 
Sie öffnete die Augen erst wieder, nachdem das Gefühl von Enge langsam wieder nachgelassen hatte. Sie standen nun in einer ruhigen Seitenstraße in einem Vorort von London.
Jocelyn sah sich um. Die Straße war denkbar unauffällig. Sie ließ den Blick über eine Reihe ähnlich aussehender Backsteingebäude wandern, die schon etwas heruntergekommen wirkten. Der Asphalt, auf dem sie standen, war rissig und etwas schmutzig. Es war sicherlich nicht die beste Wohngegend, aber immerhin wirkten die kleinen Gärten der Häuser recht gepflegt und es trieben sich nirgends zwielichtige Gestalten herum, was man nicht von jeder Wohngegend in und um London herum behaupten konnte. 
Jocelyn blickte die Straße herunter und begab sich auf die Suche nach dem Haus mit der Nummer 4b, aber dann erinnerte sie sich daran, wie es am Grimmauldplatz gewesen war. Sie blickte auf die Häuserfront genau vor ihnen und wiederholte in Gedanken noch einmal die Adresse, die auf dem Zettel gestanden hatte. Sie schaffte es, nicht einmal zusammenzuzucken, als sich schließlich - genau wie sie es schon einmal beobachtet hatte - die Häuser vor ihren Augen verschoben. Zwischen den Häusern tauchte ein weiteres Backsteingebäude auf, auf dem in verschnörkelter, etwas schmutziger Schrift stand: 4b.
Jocelyn blickte kurz zu Draco, aber der hatte seine Augen fest auf das Gebäude gerichtet. Er wirkte nervös, so als wüsste er nicht recht, was ihn erwarten würde. Sie liefen auf das Haus zu und Draco klopfte sachte. Stumm und angespannt warteten sie, doch es passierte nichts. Draco hob erneut die Hand und klopfte nun fester.
Unvermittelt wurde die Tür aufgerissen. Jocelyn hatte gerade noch Zeit, einen Blick auf Narcissas blaue, in Tränen schwimmende Augen zu erhaschen, bevor sie Draco mit einem Ruck an sich zog und ihn umarmte. Draco erwiderte die Umarmung seiner Mutter und Jocelyn wandte den Blick ab, da sie sich wie ein Eindringling fühlte. 
„Draco“, sagte Narcissa und ihre Stimme klang erstickt. 
Sie lösten sich schließlich voneinander und Narcissa machte einen Schritt zur Seite, um sie hereinzulassen. Bevor sie die Tür hinter Jocelyn schloss, blickte sie wachsam die Straße herunter, doch diese war nach wie vor leer. 
Jocelyn stand mit wachsender Unsicherheit im Flur und als Narcissa sich zu ihr umwandte, wappnete sie sich etwas, doch die schlanke, große Frau lächelte sie an.
„Hallo, Jocelyn.“
Ebenfalls etwas unsicher beugte sich Dracos Mutter nach vorne, um Jocelyn flüchtig in die Arme zu schließen.
„Hallo.“, erwiderte Jocelyn und lächelte auch.
Narcissa wandte sich wieder Draco zu und es schien, als müsste sie erneut mit den Tränen kämpfen.
„Wie geht es dir, Mutter?“, fragte Draco und griff nach den Händen seiner Mutter.
Narcissa schluckte, aber dann richtete sie sich etwas auf.
„Es geht mir gut. Ich bin so froh, dass ihr hier seid.“
Sie fuhr Draco einmal sanft mit der Hand über die Wange, dann ging sie voran den Flur hinunter. 
„Ich zeige euch, wo ihr schlafen könnt.“
Jocelyn sah sich im Inneren des Hauses um. Die Einrichtung war relativ spärlich und ziemlich unpersönlich. Im Flur stand ein Schrank, über dem ein runder Spiegel hing und als sie Narcissa den Flur hinunter zu dem letzten Zimmer folgten, erhaschte Jocelyn einen Blick auf eine kleine Küche, in die es zu ihrer Linken ging, sowie ein kleiner Wohnraum, in dem nicht viel mehr als eine Couch und ein Sessel, sowie ein Beistelltischchen standen. 
„Hier“, sagte Narcissa und trat beiseite, damit Draco und Jocelyn in das Zimmer gehen konnten. „Es ist etwas klein, ich weiß.“ Sie lachte kurz und es klang nervös.
Jocelyn dachte bei sich, dass die ganze Situation sehr merkwürdig war. Narcissa, die sie unbeholfen in dem kleinen Haus herumführte, in dem sie sich die letzten Monate von den Todessern versteckt hatte. Jocelyn ging hinter Draco in das Zimmer. Es war tatsächlich ziemlich klein. Das Bett war kaum groß genug, damit zwei Personen herein passten und dadurch, dass in den sowieso schon kleinen Raum auch noch ein Kleiderschrank gequetscht worden war, konnte man kaum mehr als ein paar Schritte darin machen, vor allem nachdem Draco noch ihre beiden Koffer auf dem Boden abgestellt hatte. 
„Ich dachte nicht, dass…“, Narcissa verstummte, doch Jocelyn hatte ihren Seitenblick gespürt. „Aber Moment, das bekommen wir hin.“ Die blonde Hexe hob ihren Zauberstab, richtete ihn auf das Bett und murmelte etwas. Ächzend zog sich das Holz des Bettes weiter auseinander und es folgte die Matratze. 
„Schick.“, murmelte Draco und Jocelyn biss sich auf die Unterlippe, während sie hoffte, dass seine Mutter den Spott in seiner Stimme nicht gehört hatte.
Ich dachte nicht, dass…Dass was? Dass Draco immer noch mit ihr zusammen war und sie hierher mitnehmen würde? Jocelyn blickte Narcissa vorsichtig an und versuchte, in ihrem Gesicht abzulesen, ob Narcissa ihre Anwesenheit störte. Doch ihr Gesicht wirkte ausdruckslos. 
„Wenn es euch nichts macht, ruhe ich mich etwas aus.“, sagte Jocelyn vorsichtig, nachdem sie alle eine Weile unentschlossen in dem kleinen Zimmer herumgestanden hatten.
Sie sah, wie Erleichterung über Narcissas Gesicht zuckte und gab sich alle Mühe, es nicht persönlich zu nehmen. Jocelyn verstand, dass sie erst einmal Zeit mit Draco allein brauchte. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie überhaupt gut hieß, dass Draco sie hierher mitgenommen hatte.
Die beiden gingen aus dem Zimmer und Draco schloss die Tür hinter sich, ohne Jocelyn noch einmal anzusehen. Sie fühlte einen leichten Stich. Warum nur hatte sie das Gefühl, dass Draco sich von ihr entfernt hatte, seit sie dieses Haus betreten hatten? Aber das war lächerlich. Sie reagierte nur überempfindlich, weil sie angeschlagen war wegen allem, was in den letzten Stunden passiert war. 
Seufzend zog Jocelyn die Schuhe aus und setzte sich dann auf das Bett. Es knarrte leicht unter ihrem Gewicht. Wieder musste sie an den Grimmauldplatz denken. Sie hatte sich dort ähnlich fehl am Platz gefühlt. Aber das hier war etwas anderes. Draco war hier, bei ihr, was er damals nicht gewesen war.
Sie erwischte sich dabei, wie sie die Ohren spitzte, doch die Stimmen von Draco und seiner Mutter waren so weit entfernt, dass Jocelyn nur Gemurmel verstand. Natürlich hätte sie gerne gewusst, worüber sie redeten - was, wenn Narcissa Draco gerade zur Rede stellte, weil er Jocelyn angeschleppt hatte? -, aber sie würde ihre Privatsphäre achten.
Seufzend streckte Jocelyn sich auf dem Bett aus und legte den Kopf auf das Kissen. Sie blickte hinauf an die Decke, an der eine magere Lampe hing. Als sie die Augen schloss, hatte sie auf einmal das Gesicht ihres Bruders im Sinn. Es war in den letzten Stunden so viel passiert, dass sie ausnahmsweise einmal nicht an ihn gedacht hatte. Jetzt spürte sie jedoch wieder die drückende Angst, die sie um ihn hatte. Konnte es wirklich sein, dass er immer noch keine Ahnung davon hatte, was sich dort seit seiner Geburt in ihm eingenistet hatte? 
Wenn alle Horkruxe zerstört wären, wäre Voldemort menschlich und damit verletzbar, hörte Jocelyns Dumbledores Stimme wieder sagen. Bei der Erinnerung an ihren Schulleiter zuckte sie zusammen.
Ich muss zu Ende bringen, was Dumbledore angefangen hat. 
Harry, sein ungeheuerliches Vorhaben. Wenn er tatsächlich zu Ende bringen wollte, was Dumbledore angefangen hatte, würde es früher oder später darauf hinauslaufen, dass Lorcan…
Jocelyn setzte sich ruckartig wieder auf und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Sie konnte nicht einmal darüber nachdenken. Es musste eine andere Lösung geben. Das Ganze war so ungeheuerlich.
Sie dachte plötzlich, dass sie so viel wertvolle Zeit mit Dumbledore verschwendet hatte. Sie hätte mehr von seinem Wissen über Horkruxe in Erfahrung bringen müssen, vielleicht gab es doch einen Weg, wie Lorcan von seiner Bürde befreit werden konnte. Aber nun war es zu spät. Dumbledore war tot und Merlin wusste, wie es ihrem Bruder ging. Doch sicher würde Voldemort ihm keinen Schaden zufügen, nicht im Anbetracht der Tatsache, was er unwissentlich beschützte…
All das Grauen, das Voldemort über Malfoy Manor gebracht hatte…Und ihr Bruder war ganz allein mit all der Dunkelheit und all dem Schrecken. Das war nicht fair.
Jocelyn sank wieder zurück in das Kissen und zog die Bettdecke zurück, um darunter zu schlüpfen, da sie angefangen hatte zu zittern. Sie schloss die Augen, doch die Gedanken in ihrem Kopf wollten einfach nicht stillstehen. Nun war es Harrys Gesicht, das ihr vor Augen stand.
Ich möchte, dass du es einmal hörst. Ich mag dich, Jocelyn. Ich mag dich sehr.
Mit Ekel dachte sie an die Worte, die sie ihm auf der Treppe entgegen geschleudert hatte. Draco hatte recht gehabt, in diesem Moment war sie eine echte Slytherin gewesen.

Burning DarknessWhere stories live. Discover now