Innere Dämonen

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„Nun, was machen denn Ihre Eltern, Mister…?“ 
„Fortescue. Lorcan Fortescue.“, erwiderte Lorcan mit einem sonnigen Lächeln. 
Slughorns freundliches Grinsen fiel sichtlich in sich zusammen. „Ach, dann sind Sie also Jocelyns Bruder…“, murmelte er. 
„Der bin ich tatsächlich.“, Lorcan blickte zu Jocelyn und sah, dass sie ihn mit Argusaugen beobachtete. Er zwinkerte ihr zu, was ihre Miene noch finsterer werden ließ. „Nun, um auf Ihre Frage zurückzukommen, Professor“, sagte Lorcan fröhlich, „Meine Eltern führen…gewisse Aufträge aus.“ 
Slughorns wurde blass. Einen Moment lang schien er zu überrumpelt, um zu antworten. 
„Tatsächlich? Was denn für Aufträge, Junge? Du kommst mir unheimlich bekannt vor, ich glaube, ich kenne deine Eltern.“, mischte sich in dem Moment ein hochgewachsener Mann in den Dreißigern mit einem Ziegenbart in ihr Gespräch ein. Slughorn wurde, wenn möglich, noch blasser. Mit gehetztem Gesichtsausdruck blickte er zu dem Mann. 
„Alles klar hier?“, fragte Jocelyn, die die veränderte Stimmung sofort bemerkt hatte, und eilig zu ihnen herüber gekommen war, dicht gefolgt von Draco, der Lorcan verächtlich musterte. 
„Nun, Georg, ich sehe gerade, da hinten ist jemand, den ich dir unbedingt vorstellen wollte…“, sagte Slughorn, der sie gar nicht gehört zu haben schien, und warf Lorcan einen hektischen Seitenblick zu. 
Doch dieser suchte sich gerade diesen Moment aus, um dem Mann mit dem Ziegenbart, den Slughorn Georg genannt hatte, zu antworten: „Meine…ich meine, unsere Eltern“, er lächelte Jocelyn breit an, „reinigen die Welt von Zauberern und Hexen, die es nicht verdient haben, als solche bezeichnet zu werden.“ 
Georg sah ihn ratlos an und nun begriff auch Jocelyn, was Lorcan hier abzog. „Ah, ich verstehe! Sie sind Auroren?“, schien Georg plötzlich ein Licht aufzugehen. Slughorn verzog gequält das Gesicht. 
„So würde ich das nicht sagen.“, erwiderte Lorcan und seine Augen blitzten amüsiert auf. „Ihr Vorgesetzter ist sehr viel mächtiger, als jeder Ministeriumsmitarbeiter.“ 
Nun schien auch Georg es verstanden zu haben. Seine Augen weiteten sich. „Horace! Wie…wie kannst du einen Todessersohn zu deiner Party einladen?!“, entwich es ihm entsetzt. Slughorn, der nun hektische rote Flecken im Gesicht hatte, legte dem aufgebrachten Mann hastig einen Arm um die Schulter, was wegen des Größenunterschieds sehr komisch aussah, und bugsierte ihn weg. Dabei redete er unablässig auf ihn ein. Lorcans Mundwinkel zuckten und er brach in schallendes Gelächter aus. Ohne nachzudenken, holte Jocelyn aus und schlug ihm ins Gesicht. „Wie kannst du nur!“, rief sie wutentbrannt. 
Lorcan verstummte abrupt und den Blick, mit dem er sie in der darauffolgenden Stille betrachtete, war absolut tödlich. Mit einer raschen Bewegung packte er ihren Arm und drückte so fest zu, dass Jocelyn ein schmerzerfüllter Ton entwich. „Dafür“, presste Lorcan zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch hervor, ein mörderischen Ausdruck in den blassblauen Augen, „wirst du büßen.“ 
„Lass sie los.“, sagte Draco ruhig. Doch Lorcan fixierte seine Schwester weiterhin mit seinem Blick und schien ihn gar nicht gehört zu haben. Jocelyn, dessen Arm inzwischen unangenehm kribbelte, kämpfte gegen ihn an. Schließlich ließ er sie endlich los, aber ihre Erleichterung darüber hielt nur für wenige Augenblicke an. 
„Ginny? Ist alles in Ordnung? Was machst du bei denen?“, fragte Harry, der urplötzlich neben Jocelyn aufgetaucht war und nun einen misstrauischen Blick in die Runde warf. Hinter ihm standen Hermine und Luna. „Lorcan Fortescue ist ihre Begleitung. Ich habe die beiden vorhin zusammen hereinkommen sehen.“, sagte Luna mit ihrer typisch verträumten Stimme. „Aber ist er nicht furchtbar böse?“ Sie runzelte die Stirn. 
Harry blickte sie einige Sekunden lang völlig perplex an, bevor er sich wieder fasste und sich kopfschüttelnd von ihr abwandte. Offenbar hielt er ihre Worte nicht für bare Münze, aber Jocelyn wusste es besser. Ein hysterisches Lachen stieg in ihrer Kehle auf und sie merkte erst einmal, wie angespannt sie war, seit Lorcan mit Ginny auf der Party aufgetaucht war. Als sie das diabolische Funkeln in seinen Augen gesehen hatte, hatte sie bereits eine dunkle Vorahnung gepackt. Sie kannte ihren Bruder und wusste, was passierte, wenn er in dieser Stimmung war. Irgendeiner musste dafür bezahlen. Sie blickte zu Ginny, die offensichtlich völlig neben der Spur war. Sie sah hektisch zwischen Lorcan und ihren Freunden hin und her, nicht wissend, wie sie in diese Situation geraten war. Doch Jocelyn wusste es genau, Lorcan hatte sie erneut mit dem Imperiusfluch belegt. Sie nahm an, dass dies zu dem kleinen, grausamen Spiel gehörte, das er sich zu spielen überlegt hatte. Plötzliche, brennende Wut auf ihren Bruder erfasste sie und sie musste die Fäuste ballen, um nicht erneut auf ihn loszugehen. Für ihre Ohrfeige würde sie auch so schon bitter bezahlen müssen. Ihr kam die Erinnerung daran, wie er sie gezwungen hatte, ihre Hand ins Kaminfeuer zu halten, in den Sinn und sie schauderte. 
Lorcan hatte seine Mimik inzwischen wieder unter Kontrolle gebracht und mit einem leisen Lächeln trat er zu Ginny, die ihn mit großen Augen anschaute. Er fasste nach ihrem Arm und beugte sich zu ihr herunter, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. In Ginnys Augen trat ein benommener Ausdruck. Schließlich richtete Lorcan sich wieder auf und sie blinzelte verwirrt. „Ich bin tatsächlich mit ihm hier.“, sagte sie unvermittelt und sah Harry an. 
Dieser tauschte einen wütend-fassungslosen Blick mit Hermine und trat dann mit drei großen Schritten auf Ginny zu. „Ginny, sag mir, was er mit dir gemacht hat!“ 
„Er hat nichts mit mir gemacht. Ich mag ihn und deshalb hab ich ihn auch als meine Begleitung ausgewählt.“, erwiderte das rothaarige Mädchen stur. 
„Du magst ihn?“, echote Harry ungläubig. „Er ist ein Fortescue!“ 
Jocelyn zuckte gegen ihren Willen leicht zusammen und Harry, der das bemerkt hatte, wandte den Kopf, um sie anzusehen. Sie senkte den Blick und nach kurzer Stille wandte Harry sich an Lorcan. 
„Ich weiß nicht, was du ihr erzählt hast, damit sie glaubt, dass du sie magst, aber ich weiß genau, dass du nur mit ihr spielst!“, sagte er wütend. 
„Ist das so, Potter?“, fragte Lorcan gelangweilt. „Komm, Ginny, lass uns etwas vom Büfett holen.“ Und Ginny folgte ihm widerstandslos und ließ Harry und Hermine mit fassungslosem Blick zurück. Es war McLaggen, der die angespannte Stille schließlich unterbrach. „Kommst du endlich, Hermine?“, fragte er ungeduldig und nahm ihren Arm, um sie mit sich zu ziehen. 
Mit einem weiteren kurzen Blick zu Jocelyn verschwand Harry ebenfalls in der Menge und Luna folgte ihm, leise vor sich hin summend. Jocelyn vergrub mit einem verzweifelten Laut ihr Gesicht in ihren Händen. „Was ist los?“, Draco umfasste ihre Handgelenke und nach kurzem Zögern ließ sie zu, dass er ihre Hände von ihrem Gesicht wegzog. 
„Lorcan.“, erwiderte sie mit belegter Stimme. Als Draco fragend eine Braue hob, sagte sie: „Du kennst ihn nicht, aber ich schon. Ich weiß, was passieren wird, wenn er in dieser Stimmung ist.“ 
Und dann, als würde sie aus einer Art Trance aufwachen, begann sie fieberhaft den Raum abzusuchen. „Wo sind sie? Gerade waren sie doch noch da!“, sagte sie verzweifelt. Genau in dem Moment erblickte sie die beiden. Sie liefen quer durch den Raum und erst nach einigen Augenblicken wurde ihr klar, dass sie auf die Tür zusteuerten. Jocelyn lief ihnen hinterher, und drückte sich dabei rücksichtslos an den anderen Partybesuchern vorbei. Draco folgte ihr nach kurzem Zögern. Auf halbem Weg zur Tür stieß Jocelyn plötzlich gegen etwas- oder besser gesagt jemand. Als sie herunterblickte, sah sie, dass sie gegen einen kleinen Elf, der ein mit Gläsern gefülltes Tablett gehalten hatte, gelaufen war. „Entschuldigung, Miss!“, piepste er, als ob es seine Schuld gewesen wäre. Sie sah unentschlossen zwischen dem kleinen Wesen und der Tür hin und her und schließlich bückte sie sich hastig, um dem Elf aufzuhelfen. „Meine Schuld!“, sagte sie, während ihr Blick immer wieder zur Tür huschte. Verdammt! Lorcan und Ginny waren nirgends mehr zu sehen. Jocelyn zog hastig ihren Zauberstab hervor, murmelte „Reparo!“, woraufhin sich die Scherben der Gläser wieder zusammenfügten, und stürzte dann durch die Tür nach draußen. Doch als sie hektisch den Flur absuchte, fand sie ihn völlig verlassen vor. Wo waren sie lang gegangen? Sie legte die Hände an die Schläfen und überlegte fieberhaft. 
„Kannst du mir vielleicht mal erklären, was mit dir los ist?“, fragte Draco, der ihr vor die Tür gefolgt war. 
„Lorcan! Ich glaube, er hat vor, Ginny zu töten!“, platzte sie heraus. Draco sah sie zweifelnd an. „Hier? In der Schule, wo doch jeder direkt mitbekommen würde, dass er es gewesen war?“ 
„Das ist ihm egal! Er ist in dieser Stimmung, in der ihm alles gleichgültig ist!“ Jocelyn hatte sich für eine Richtung entschieden und lief los.

Burning DarknessWhere stories live. Discover now