Der Tod allein

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Sie hatten ihre Hände so fest miteinander verschränkt, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Beide hielten den Kopf gesenkt, um den angstvollen Blicken des Mannes auszuweichen, der über ihren Köpfen an einem Seil hin und her baumelte. Etwas berührte Jocelyns Fußknöchel und sie zuckte zusammen. Als sie auf den Boden blickte, sah sie, dass Voldemorts Schlange Nagini sich um die Beine ihres Stuhls wandte. Sie schluckte krampfhaft. Unten ging die Haustür auf und wenig später waren eilige Schritte auf der Treppe zu hören. Alle Todesser wandten sich um, als Snape mit wehendem Umhang in den Salon kam. Seine schwarzen Augen glitten für einen Moment über die Reihen der Todesser, bis er sich schließlich Voldemort zuwandte. „Severus“, zischelte der. „Wie schön, dass du es noch geschafft hast. Ich habe dir einen Platz frei gehalten.“
Snape neigte leicht den Kopf und nahm auf dem freien Stuhl auf Voldemorts rechter Seite Platz. Voldemort faltete die langen, blassen Finger und sagte dann mit bedrohlich ruhiger Stimme: „Wieder einmal ist ein Versuch gescheitert, Harry Potter zu fangen. Anstatt direkt anzugreifen, hat Scabior zugelassen, dass der Orden vorgewarnt wurde und dass sich die Mitglieder alle in Sicherheit bringen konnten.“
Sein Blick schweifte zu dem Mann, der hilflos von dem Seil herunterbaumelte. „Äußerst töricht.“
Die Nachricht, dass Harry, Hermine und die Weasleys noch rechtzeitig verschwinden hatten können, erfüllte Jocelyn für einen Moment mit einem Gefühl von Erleichterung.
Voldemort wandte den Blick von Scabior, der daraufhin kaum hörbar aufatmete.
„Lorcan hingegen, hat seinen Auftrag ohne Probleme ausführen können.“, sagte Voldemort wohlwollend. Lorcan, der neben Jocelyn saß, schien vor Stolz beinahe zu platzen und Isidor erlaubte sich ein hochmütiges Lächeln.
„Herr“, sagte plötzlich ein Todesser, den Jocelyn unter der Maske nicht erkennen konnte. „Der Auftrag des Jungens war doch, sie zu töten. Folglich hat er den Auftrag also gar nicht ausgeführt.“
„Ich habe den Plan vor einigen Tagen geändert, Rockwood. Es scheint mir, dass du nicht gut informiert bist.“, erwiderte Voldemort mit einem herablassenden Lächeln.
Rockwood sank in seinem Stuhl zurück und Bellatrix gackerte schadenfroh.
„Aber nun wieder zu dir, Scabior.“, zischelte Voldemort und der Mann riss angsterfüllt die Augen auf. „Ich befürchte, dein Verhalten ist nicht zu entschuldigen.“
„H-herr, es tut mir leid...“, stotterte Scabior und seine Stimme überschlug sich vor Angst. „Ich werde volle Verantwortung für mein Handeln übernehmen, aber bitte, töten sie mich nicht!“
Voldemort lachte höhnisch auf.
Langsam hob er seinen Zauberstab. Der Mann begann qualvoll zu wimmern und Jocelyn lehnte sich Schutz suchend an Draco, wollte die Qualen des Mannes nicht länger mit anschauen.
Avada Kedavra!“, schrie Voldemort und ein grüner Lichtblitz zuckte auf. Mit einem dumpfen Geräusch landete Scabiors toter Körper genau vor ihnen auf dem Tisch. Mit stillem Grauen hörte Jocelyn, wie Voldemort seiner Schlange auf Parsel zuflüstere: „Es gibt Essen, meine Liebe.
„Was sagt er?“, wisperte Draco ihr zu. Sie sah ihn stumm vor Entsetzen an und er schien zu verstehen, da seine Augen sich abrupt weiteten.
Langsam kroch Nagini von Voldemorts Schulter auf den Tisch und auf den toten Körper zu.
Jocelyn wich ruckartig zurück, als die Schlange bei ihnen angekommen war. Obwohl sie nicht hinsehen wollte, konnte sie den Blick nicht abwenden. Sie war wie erstarrt, während Nagini zischend das Maul öffnete und dann blitzschnell zubiss. Erst als sie Bluttropfen auf ihrem Arm spürte, konnte sie sich wieder bewegen. Sie wollte von ihrem Stuhl aufspringen, aber Lorcan hielt ihren Arm fest. „Bleib sitzen.“, befahl er. Seine Augen blickten kalt wie immer, aber sein Gesicht war blass geworden. Jocelyn wimmerte auf, als die Schlange erneut zubiss. Draco drückte ihre Hand so fest, dass sie zusammenzuckte. „Das genügt.“, zischte Voldemort schließlich endlich seiner Schlange zu. Mit einem unwilligen Geräusch zog sie sich zurück und hinterließ blutige Schmieren auf dem spiegelblanken Tisch. „Wurmschwanz!“, blaffte Voldemort und der gedrungene Mann kam angeeilt. „Ja, Herr?“ 
„Entsorge ihn.“, Voldemort wedelte achtlos in Richtung der blutverschmierten Leiche. Wurmschwanz packte die Füße des toten Todessers und zog ihn vom Tisch auf den Boden, wo er mit einem Grauen erregendem Knall aufkam. Jocelyn entwich ein Geräusch, das wie ein abgehacktes Schluchzen klang. Hastig hielt sie sich den Mund zu und bemerkte dabei, dass ihre Hände von Blut besprenkelt waren.
„Ich habe einen neuen Auftrag zu vergeben.“, teilte Voldemort den Todessern mit. Sofort wurden sie aufmerksam und Bellatrix rief: „Ich melde mich freiwillig!“
Voldemort schüttelte den Kopf. „Ich habe bereits entschieden, wer ihn ausführen wird."
Er richtete seine roten Schlangenaugen auf Jocelyn. Sie fühlte sich, als würde sie träumen, als sie ausdruckslos fragte: „Was soll ich machen?“
Voldemort lächelte kalt. „Ich sehe, du hast dazugelernt.“
Plötzlich räusperte Lorcan sich. „Herr, warum lassen Sie nicht mich den Auftrag ausführen? Ich bin viel fähiger als meine Schwester.“
Voldemort redete weiter, als hätte er nichts gesagt. „Ich verlange von dir, dass du Albus Dumbledore tötest.“, sagte er.
Jocelyn schnappte nach Luft und Voldemorts Augen blitzten höhnisch auf. „Sobald das neue Schuljahr anbricht, gebe ich dir Zeit bis zu den Weihnachtsferien. Sollte Dumbledore zu Beginn der Ferien noch leben, dürften die Konsequenzen für dich klar sein.“
Seine Augen glitten zu Draco. „Von dir, Draco, verlange ich, dass du Jocelyn bei ihrem Auftrag hilfst. Und wenn sie versagt, musst du ihn an ihrer Stelle ausführen.“

Burning DarknessWhere stories live. Discover now