Dunkles Blut

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Jocelyn starrte auf die verschneiten Schlossgründe hinaus, die sie von ihrem Platz auf dem Nordturm aus beinahe gänzlich überblicken konnte und die von dem rötlichen Licht der untergehenden Sonne beschienen wurden, und schlang fröstelnd die Arme um sich. Sie wusste nicht, warum sie gerade diesen Ort aufgesucht hatte, der so voller schlechter Erinnerungen war. Immer wenn sie die Augen schloss, sah sie wieder, wie Lorcan hier gestanden hatte, sein Zauberstab in der Hand und ein höhnisches Funkeln in seinen Augen. Die Zweifel hatten sie gepackt und inzwischen wusste sie nicht mehr, was sie denken und fühlen sollte. Falls es das war, was Draco mit seinen harten Worten hatte erreichen wollen, dann war ihm das wohl gelungen.
Jocelyn rieb ihre vor Kälte geröteten Hände aneinander und atmete langsam aus. Ihr Atem hinterließ kleine Rauchwölkchen in der kalten Luft und sie wusste, dass sie besser wieder hinein sollte, bevor sie sich noch eine Erkältung zuzog.
Doch sie wollte nicht wieder zurück ins Schloss. Sie hatte das Gefühl, dass die Wände des wuchtigen Gebäudes sie langsam aber sicher erdrückten. Und Draco wollte sie im Moment auch nicht sehen, zu sehr schmerzten sie noch die Worte, die er ihr an den Kopf geworfen hatte.
Was schlägst du dann vor?, fragte eine ironische Stimme in ihrem Kopf. Hier draußen erfrieren?
Sie trommelte mit den Fingern auf der Brüstung herum, während der Wunsch, auszubrechen, immer größer wurde. Sie wünschte sich mit einer verzweifelten Sehnsucht, jetzt mit Lorcan reden zu können. Lorcan, der einzige, der für sie noch ansatzweise etwas wie eine Familie darstellte. Lorcan, den sie trotz allem, was er gemacht hatte, über alles liebte. Sie wollte, dass er ihr sagte, dass er Lucius Malfoy nicht aus freien Stücken getötet hatte. Sie erinnerte sich daran, wie er sie vor dem Raum der Wünsche umarmt hatte und es kaum fassen konnte, dass sie lebte, und ihr stiegen die Tränen in die Augen, weil sie ihn plötzlich fast schmerzlich vermisste.
„Hör auf, zu denken, dass ich immer noch gerettet werden kann!“, schossen ihr seine Worte in den Sinn.
Aber es ging nicht, sie konnte ihren Bruder einfach nicht aufgeben. Ein Teil von ihr wusste, dass sie sich mit ihm an dem letzten Rest Familie klammerte, der ihr noch geblieben war, aber es änderte nichts an ihren Gefühlen.
Die Erkenntnis kam ihr so plötzlich, dass sie selbst überrascht war. Sie musste ihn sehen.
Ihre Hand glitt zu dem Amulett, das über ihrem Herzen ruhte, und sie umfasste es fest mit den Fingern. Dann richtete sie sich auf und rieb sich ruppig die Tränen aus den Augen. Sie hatte einen Entschluss gefasst.
Während sie den Turm über die Treppe wieder verließ, machte sie in ihrem Kopf verschiedene Pläne, die sie nacheinander wieder verwarf. Sie traf das Schloss wie erwartet völlig ausgestorben an. Die wenigen Schüler, die über die Ferien in Hogwarts geblieben waren, befanden sich nun alle in ihren Gemeinschaftsräumen.
Kurz schoss ihr die Erinnerung in den Kopf, wie Draco sie die Treppe zu seinem Schlafsaal hochgetragen hatte, seine Lippen verlangend auf ihren und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Dieser Moment kam ihr so weit entfernt vor, obwohl er erst einige Stunden zurück lag.
Sie schüttelte den Kopf, wie um die Erinnerung daran loszuwerden, und steuerte den Slytherin- Gemeinschaftsraum an. Alles in ihr widerstrebte sich, aber sie hatte keine Wahl, da sie nochmal in ihren Schlafsaal musste, bevor sie aufbrechen konnte.
Ihr Herz beschleunigte sich, als vor ihr die Wand mit der Öffnung zum Slytherin- Gemeinschaftsraum in Sicht kam, aber sie versuchte es zu ignorieren. Sie sagte das Passwort, das dieser Tage 'Salazar' lautete, und die Öffnung schwang auf. Sie kletterte hindurch und blickte sich dann flüchtig um. Sie verspürte eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung, als sie den Raum bis auf die Slytherin- Fünftklässler, die über die Ferien da geblieben waren, leer antraf.
Sie lief zu der Treppe, die in ihren Schlafsaal führte, und sprang sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hinauf. Der Raum kam ihr seltsam unberührt vor, als sie ihn betrat. Auf den Betten lagen sorgfältig gefaltet Tagesdecken und er war ordentlich aufgeräumt- nicht so wie sonst, wenn die Klamotten der anderen Mädchen wild im Raum herumlagen. Jocelyn ging hinüber zu dem kleinen Kleiderschrank neben ihrem Bett und öffnete ihn rasch. Sie nahm eine robuste, schwarze Hose und einen schwarzen Kapuzenpulli heraus und schlug die Schranktüren dann wieder zu. Sie zog sich eilig um, überlegte dann kurz und nahm sich noch ihre schwarze Lederjacke aus dem Schrank. Das ist doch angemessene Kleidung, um ein Todesserhaus zu betreten, dachte sie und griff nach ihrem Zauberstab, den sie in die Tasche ihrer Jacke steckte.
Dann verließ Jocelyn den Schlafsaal wieder und ging hinunter in den Gemeinschaftsraum.
Die zwei Fünftklässler sahen ihr mit unverhohlener Neugierde nach, als sie zur Öffnung lief und hinausschlüpfte. Draußen stieß sie unvermittelt mit jemandem zusammen und der Aufprall ließ sie ihr Gleichgewicht verlieren und zurückstolpern, bis jemand einen Arm um ihre Mitte schlang und sie festhielt. Jocelyn sah abrupt auf und ihre Augen sahen in nur allzu bekannte graue Augen. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, bevor es mit doppelter Geschwindigkeit weiterschlug. Draco hielt sie immer noch fest und sah sie mit einer Mischung aus Sehnsucht und Verzweiflung an. Jocelyn musste sich zwingen, den Blick von ihm abzuwenden und machte sich los. Er ließ sie gewähren und sie lief an ihm vorbei, entschlossen, ihn nicht anzuschauen. Als sie um die Ecke gebogen war, ließ sie langsam die Luft entweichen, die sie unbemerkt angehalten hatte, und lehnte sich für einen Moment gegen die Wand, um sich wieder zu fassen. Dann setzte sie ihren Weg fort. Sie ging die Treppe hinauf in die Eingangshalle und sah sich kurz um. Die Halle lag verlassen vor ihr und sie entspannte sich etwas. Sie ging zwischen den Flügeltüren hindurch nach draußen und die Kälte traf sie wie ein Peitschenhieb. Fröstelnd schlang sie die Arme um sich und machte sich auf den Weg zu den Eingangstoren, vor denen wie immer Autoren patrouillierten. Als sie näher kam, blickten die beiden Männer auf. Stumm sahen sie ihr entgegen. Jocelyn blieb vor ihnen stehen und ihre Gedanken überschlugen sich.
„Was ist los, Kleine?“, grollte einer der Auroren, ein grimmig dreinschauender Mann mit schwarzen Bartstoppeln.
Nicht gerade Vertrauen erweckend.
„Ich bin mit...meinem Onkel verabredet. Er wartet draußen auf mich.“, sagte Jocelyn und hätte sich im selben Moment am liebsten selbst geohrfeigt für diese lahme Ausrede.
Der andere Auror lachte rau auf. Er hatte straßenköterblonde Haare, die er zu einem Zopf zurück gebunden hatte und dunkle Augen, die nun vergnügt aufblitzten.
„Mit deinem Onkel? So, so. Bist du sicher, dass es nicht jemand anderes ist, der auf dich wartet?“, sagte er spöttisch.
Jocelyn sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wer denn sonst?“
Er trat auf sie zu und beugte sich zu ihr herunter. „Vielleicht dein fehlgeleiteter Bruder.“, zischte er und sie zuckte erschrocken zurück.
„Wa...Woher wollen sie das wiss...“, stotterte sie überrumpelt.
„Ich hatte Dienst, an jenem Abend, als er durch diese Tore hier geflüchtet ist.“, knurrte der Auror und es war ihm anzusehen, dass er Lorcan immer noch nicht verziehen hatte, dass er ihn überrumpelt hatte.
Plötzlich schoss seine Hand vor und umfasste ihren Oberarm. „Hau lieber ab, du kleine Todesser- Göre, bevor ich noch Dumbledore hiervon erzähle.“, sagte er mit einem gemeinen Funkeln in den Augen.
Jocelyn riss sich von ihm los und funkelte ihn wütend an. Dann wandte sie sich um und machte einige Schritte zum Schloss, bevor sie sich unvermittelt wieder umdrehte, währenddessen ihren Zauberstab zog und einen Ganzkörperklammerfluch auf den blonden Auror schleuderte. Er fiel um wie ein gefällter Baum und der andere Auror zog mit einer blitzartigen Bewegung seinen Zauberstab. Sie duckte sich gerade noch rechtzeitig und sein Schockfluch zischte über ihren Kopf hinweg. „Stupor!“, schrie sie ihrerseits, aber der Auror war sehr viel erfahrener als sein Kollege und sprach blitzschnell einen Schildzauber, der sie zurückprallen ließ. „Imperio!“, rief Jocelyn verzweifelt und unglaublicher Weise traf ihr Fluch den Auror, der mit erstauntem Gesichtsausdruck zurückstolperte. „Lassen sie mich durch.“, befahl Jocelyn mit zittriger Stimme. Es kam ihr wie ein Wunder vor, als der Auror nach kurzem Zögern langsam zur Seite trat und sie passieren ließ.
Sie rannte durch das Tor und als sie endlich außerhalb der Schutzschilde Hogwarts war, richtete sie ihren Zauberstab auf ihr Amulett und murmelte fieberhaft den Zauberspruch, der es in einen Portschlüssel verwandelte. Als sie geendet hatte, und das Amulett still und ruhig in ihrer Handfläche lag, fürchtete sie einen Moment, einen Fehler gemacht zu haben, aber dann leuchtete es abrupt auf und begann wie wild in ihrer Handfläche zu pulsieren. Keine Sekunde später spürte sie, wie ihre Füße vom Boden weggerissen wurden und sie verschwand in Schwärze.
Sie hatte das Gefühl, durch die Luft gewirbelt zu werden und das Metall ihres Amuletts drückte sich fast schon schmerzhaft fest in ihr Fleisch. Endlich traf sie auf dem Boden auf und öffnete abrupt die Augen. Vor ihr ragte Malfoy Manor in die Höhe und sie erinnerte sich für einen Moment daran zurück, wie Isidor sie das erste Mal hierhergebracht hatte, an ihre Angst, das betäubte Gefühl in ihrem Inneren, das eine Mischung aus Trauer und Schock gewesen war.
Jocelyn schüttelte die Erinnerung ab und lief los. Da sie die Tore nicht passieren konnte, hatte sie vor, sich einen Weg den Hügel hinter dem Haus hinauf zu suchen.
Das Haus war von einer fast schon unnatürlichen Stille umgeben. Nicht einmal das Gezwitscher der Vögel konnte sie hören. Es schien so, als wäre sie der einzige Mensch im Umkreis von einigen Kilometern. Die Sonne war inzwischen vollständig untergangen. Als sie endlich den Hügel hinauf war, näherte sie sich vorsichtig dem großen Anwesen, das wie ein schlafendes Raubtier in der Dunkelheit dalag. Die Fenster von Malfoy Manor waren alle geschlossen, aber was anderes hatte sie auch nicht erwartet. Sie wägte ihre Möglichkeiten ab. Das unterste der Fenster war einfach zu erreichen, aber als sie schnell den Grundriss des Hauses im Kopf durchging, kam sie zu dem Entschluss, dass es sie geradewegs in den Salon führen würde. Sie drückte sich flach an die Hauswand und gestattete sich einen kurzen Blick ins Innere des Hauses. Sie erschrak so heftig, dass es ein Wunder war, dass sie einen Schrei unterdrücken konnte. Vor dem Fenster stand Isidor, ihr Vater, und blickte hinaus. Sie warf sich mit wild pochendem Herzen zurück und hoffte, dass er sie nicht gesehen hatte. Aber das war unwahrscheinlich - sein Blick war abwesend und es wirkte so, als wäre er tief in Gedanken versunken. Während Jocelyns Herzschlag sich langsam wieder beruhigte, dachte sie darüber nach, was sie gesehen hatte. Isidor wirkte sehr kränklich und ähnelte dem stolzen Mann von früher fast gar nicht mehr. Er wirkt gebrochen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie kämpfte mit den unterschiedlichsten Gefühlen: Hass, Verachtung, Mitleid und Trauer. Ein Teil von ihr wollte hoffen, dass Isidor sich verändert hatte, dass er seine Entscheidungen bereute, aber der andere wusste, dass dem nicht so war.
Sie ging in die Hocke und schob sich unbemerkt an dem Salonfenster vorbei. Das nächste Fenster gehörte ebenfalls noch zum Salon und stellte auch keine Möglichkeit dar: Selbst wenn Isidor im Moment in Gedanken versunken schien, würde er unweigerlich mitbekommen, wenn sich das hintere Fenster öffnen würde. Verdammt. Sie legte den Kopf in den Nacken und überlegte fieberhaft. Das obere Fenster musste zu Dracos Zimmer gehören. Wenn sie es bis dahin schaffen würde...Bevor sie wusste, was sie da tat, sprang sie auf das Fensterbrett des hinteren Salonfensters und stellte sich auf die Zehenspitzen, um sich zu dem darüber liegenden Fenster hoch zu ziehen. Sie ächzte, als sie ihr ganzes Gewicht auf ihre Arme verlagern musste und hatte einen Moment das Gefühl, dass ihr der Griff um das obere Fensterbrett langsam entwich, aber schließlich hatte sie es geschafft und kauerte auf dem Fensterbrett des oberen Fensters. Als sie hindurch blickte, erkannte sie ihren Irrtum. Sie sah eines der Gästezimmer im oberen Stockwerk, während ihr klar wurde, dass Dracos Zimmer auf der anderen Seite des Hauses lag. Sie zuckte die Achseln und hob ihren Zauberstab. „Alohomora.“, murmelte sie und das Fenster sprang auf. Erleichtert ließ sie sich vom Fensterbrett in den Raum gleiten und war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Sie sah sich im Raum um und stellte fest, dass hier schon lange niemand mehr geschlafen hatte: Die Laken waren abgezogen und auf den Oberflächen war überall eine dicke Staubschicht. Und es miefte. Jocelyn rümpfte angeekelt die Nase und ging dann quer durch den Raum zur Tür, wobei sie sich bemühte, keine Geräusche zu machen. Als ihre Hand schon auf dem Türgriff lag, stockte sie plötzlich, da sie glaubte, Schritte auf dem Gang gehört zu haben. Während sie angestrengt lauschte, hörte sie sie wieder, ganz eindeutig entfernten sie sich von ihr. Sie drückte vorsichtig die Türklinke hinunter und schob die Tür einen Spaltbreit auf. Als sie hindurch spähte, machte ihr Herz einen erschrockenen Sprung. Am Ende des Flures war Molana. Sie schlüpfte aus dem Raum und ging ihr hinterher. Als Jocelyn ihre Mutter erreichte, war sie schon auf der Treppe, die hinunter in den Eingangsbereich führte, und sie blieb stehen, während sie zusah, wie Molana die letzte Treppenstufen hinunterstieg und dann den Salon ansteuerte. Die Neugierde trieb Jocelyn voran. Sie tastete sich die Wand entlang und spähte vorsichtig durch das Geländer nach unten, aber es schien, als wäre außer ihren Eltern niemand zu Hause, was sie für einen Moment mit Enttäuschung erfüllte. Konnte sie es wagen...?
Ihre Füße setzten sich schon in Bewegung. Geduckt huschte sie die Treppe hinunter und lief so leise wie möglich auf die offen stehende Tür des Salons zu. Da waren sie.
Molana trug ein langes, schwarzes Samt- Cape und ihre langen, dunkelroten Locken ergossen sich über ihren Rücken. Sie sah sehr viel besser aus, als Jocelyn sie in Erinnerung hatte, was man von Isidor nicht behaupten konnte. Er hatte sich vom Fenster abgewandt und sie sah erst einmal richtig, in was für einem schlechten Zustand er war.
„Gibt es Neuigkeiten?“, schnappte Molana. Sie stand mit dem Rücken zu Jocelyn, aber irgendwas in ihrem Tonfall ließ sie erraten, dass Verachtung in Molanas Augen lag.
„Nein. Der Dunkle Lord wird sicher schon ungeduldig...“, erwiderte Isidor nervös und zupfte mit hektischen Bewegungen an dem Kragen seines Umhangs herum, als würde er ihm die Luft abschnüren.
„Und was genau gedenkst du dagegen zutun? Weiter aus dem Fenster zu starren und auf eine plötzliche Erleuchtung zu hoffen, während dort draußen gewisse Leute versuchen, uns unsere Stellung wegzunehmen?“, sagte Molana mit so schneidend kalter Stimme, dass Jocelyn unweigerlich zusammenzuckte.
„Wer...wovon redest du, Molana?“, erwiderte Isidor verunsichert und zupfte erneut an seinem Kragen herum.
„Snape!“, stieß Molana hervor und ihre Stimme rutschte ein paar Oktaven höher. „Merkst du nicht, wie er versucht, sich bei dem Dunklen Lord einzuschleimen? Wie er erreichen will, dass wir bei ihm in Ungnade fallen? Nein, natürlich merkst du das nicht, du bist ja zu sehr von Selbstmitleid zerfressen!“
Isidors Kopf zuckte hoch und er presste hervor: „Was fällt dir ein...“
„Oh, sag, was fällt dir ein! Ich bin anscheinend noch die einzige mit Verstand von uns beiden! Dass Lorcan uns immer mehr entgleitet, ist dir nämlich sicher auch nicht aufgefallen, nicht wahr?“, zischte sie wütend und Jocelyn zuckte erneut zusammen.
„Was meinst du damit?“, fragte Isidor scharf.
„Dass unser Sohn dabei ist, den gleichen Fehler wie seine Schwester zu begehen! Er zeigt mir zu viel Gefühle. Er wird schwach, ebenso wie deine Tochter es war.“
„Meine Tochter? Sie war auch deine Tochter!“, stieß Isidor aufgebracht hervor.
„Nun, ihre Charaktereigenschaften hatte sie wohl eher von dir.“, erwiderte Molana hart.
Während Isidor um Worte rang, wirbelte Molana abrupt herum und Jocelyn konnte sich im letzten Augenblick noch aus dem Türrahmen zurückziehen. Mit pochendem Herzen presste sie sich flach an die Wand, als Molana auf einmal zischte: „Wo ist er überhaupt?“, und sich mit klickenden Absätzen der Tür näherte. Jocelyn keuchte leise auf und stieß sich von der Wand ab. Ohne nachzudenken, rannte sie den Flur hinunter und riss die erstbeste Zimmertür auf. Gerade noch rechtzeitig verschwand sie darin, während Molana aus dem Salon stürmte und laut nach Lorcan rief.
Ihr Atem ging keuchend und Molanas Worte schwirrten ihr immer noch durch den Kopf. Lorcan!, dachte sie verzweifelt. Es war nicht gut, wenn ihre Eltern glaubten, dass er nicht mehr länger auf ihrer Seite war.
Als sie sich das erste Mal im Raum umblickte, sah sie, dass sie in einer Art Abstellkammer gelandet war. Wie passend, dachte sie ironisch und seufzte leise. Ihr ganzes Unternehmen war nicht gerade von Erfolg gekrönt gewesen.
Sie konnte auch unmöglich warten, bis Lorcan zurückkam, denn das Risiko, doch noch entdeckt zu werden, war viel zu hoch.
Jocelyn wartete unruhig, bis sie Molanas Schritte nicht mehr hören konnte und öffnete dann vorsichtig wieder die Tür. Der Flur lag verlassen da und Jocelyn trat aus der Abstellkammer. Mit schnellen Schritten ging sie auf die Tür zu. Als sie am Salon vorbeikam, warf sie einen Blick hinein und sah, dass er leer war. Dabei fiel ihr das erste Mal auf, wie verwüstet der Salon eigentlich aussah. Der schimmernde Flügel, der immer in der Raumecke gestanden hatte, war umgeworfen worden und der Glastisch war zerbrochen. Der Boden war überseht von Scherben und an einigen Stellen von Blutflecken.
Ihr wurde übel und sie war froh, als sie die Tür erreichte. Sie öffnete sie und schlüpfte nach draußen. Dankbar atmete sie die kalte Nachtluft ein und sprang dann eilig die Stufen hinunter. Die Einfahrt lag still und verlassen vor ihr und sie beeilte sich, sie hinunter zu laufen. Je weiter sie sich von Malfoy Manor entfernte, desto leichter ging ihr Atem. Als sie wieder auf der Straße stand, blickte sie noch einmal zurück. Das Anwesen ragte wie ein dunkler Riese in die Höhe und unwillkürlich schauderte sie. Sie wandte sich um und stieß geradewegs mit jemand zusammen. Jemand packte mit schmerzhaft festem Griff ihre Arme. „Wenn das nicht Jocelyn Fortescue ist.“, hörte sie eine dunkle Stimme schadenfroh hervorstoßen.
Sie riss den Kopf hoch und sah in das maskierte Gesicht eines Todessers.
Aber trotz der Maske wusste sie sofort, wen sie vor sich hatte.
„Dolohow“, stieß sie hervor und der Todesser lachte hämisch auf. Seine Hände bohrten sich schmerzhaft fest in ihr Fleisch, während er zischte: „Ganz richtig. Dein Vergessenszauber ist dir wohl nicht so geglückt, da ich mich noch genau daran erinnern kann, wie dein geliebter Malfoy- Bastard den Zauberstab gegen mich gehoben hat. Das - wird - er - bereuen!“
Er schüttelte sie und brachte dann sein Gesicht dicht an ihres. Sie spürte seinen heißen Atem auf ihrer Wange und hörte ihn wispern: „Was hältst du davon, wenn ich ihm über dich wehtue, hm? Würde dir das gefallen?“
„Lassen sie mich los!“, fauchte Jocelyn und kämpfte gegen Dolohows Griff an, doch er war unerbittlich. Panik stieg in ihr hoch und sie spürte, wie ihr Herz zu rasen begann.
„Niemand weiß, dass du hier bist, richtig?“, sagte Dolohow mit Schadenfreude in der Stimme.
Sie zuckte zusammen, da er recht hatte. Sie hatte niemandem erzählt, wo sie hingehen würde.
„Niemand wird dir zu Hilfe kommen. Wie dumm, dass du so leichtsinnig gewesen bist.“, stieß Dolohow voller düsterer Freude hervor.
Und dann zog er sie mit sich.

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