Geisterstadt

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Der Mond hatte bereits seinen höchsten Punkt erreicht, als sich langsam Stille in dem Büro des Schulleiters von Hogwarts niederließ. Jocelyn hatte das Reden übernehmen müssen, da Draco sich völlig abgekanzelt hatte und Narzissa immer noch völlig neben der Spur schien. Dumbledore hatte ihr schweigend zugehört und der Ausdruck in seinen blauen Augen war nur schwer zu deuten gewesen. Wie erwartet hatte er darauf verzichtet, sie wegen dem unerlaubten Benutzen seines Flohnetzwerks zu bestrafen, aber Jocelyn hatte trotzdem noch Gewissensbisse deswegen.
Sie merkte auf, als Dumbledore seine Feder zurück in das Tintenglas stellte und das Pergament, das er in Windeseile beschriftet hatte, zusammenrollte. Er erhob sich und ging um seinen Schreibtisch herum. Dort saß, immer noch genauso prachtvoll wie bei Jocelyns erstem Besuch bei Dumbledore, Fawkes. Der Schulleiter band ihm das Pergament an das Bein und der Phönix breitete mit einem leisen Krächzen seine Flügel aus und flog durch das offene Fenster hinaus in die Nacht.
„Ich habe Kingsley Shacklebolt benachrichtigt. Ich bin mir sicher, er wird sich so schnell wie möglich auf den Weg hierher machen.“, informierte Dumbledore sie.
Narzissas Blick flatterte nervös und sie sah hilfesuchend zu Draco, aber der starrte mit bleichem, unbewegtem Gesicht auf seine verschränkten Hände. Jocelyn konnte nur ahnen, wie unwohl sich Dracos Mutter fühlte. Auf die Hilfe von jemandem angewiesen zu sein, den man seit jeher verachtet hatte, war sicher befremdend für sie.
„Seien Sie unbesorgt, er wird Sie in ein sicheres Versteck bringen.“, sagte Dumbledore, der anscheinend ebenfalls ihre Unruhe bemerkt hatte.
Narzissa nickte langsam. Die Zweifel standen ihr immer noch ins Gesicht geschrieben.
Plötzlich klopfte es an der Tür, Dumbledore wandte sich überrascht um und rief: „Herein!“
Die Tür ging auf und Snape kam hereingeeilt. Er trug immer noch seinen Reiseumhang und erstarrte abrupt, als er Narzissa erblickte. Diese erhob sich hastig und die Erleichterung über das Eintreffen von Snape, einem Vertrauten, war ihr deutlich anzusehen. „Severus“, sagte sie. „Hat man... mein Verschwinden bereits bemerkt?“
Snape musterte sie einige Sekunden lang schweigend und nickte dann.
„War er wütend?“, flüsterte Narzissa und fing an zu zittern.
Eine Emotion zuckte über Snapes fahles Gesicht und es schien, als würden ihre Worte unfreiwillige Bilder in ihm heraufbeschwören.
Statt zu antworten, wandte er sich abrupt an Dumbledore.
„Ich nehme an, Sie werden sich um ein sicheres Versteck für sie kümmern, Sir?“, sagte er steif.
„Ja. Ich habe Shacklebolt bereits eine Nachricht geschickt.“, erwiderte dieser.
Snape wandte sich wieder Narzissa zu und sagte zögernd: „Ich möchte Ihnen mein Beileid für den Tod ihres Mannes aussprechen, Narzissa.“
Narzissas Augen füllten sich mit Tränen und sie öffnete den Mund, aber dann schien sie sich daran zu erinnern, dass Draco ebenfalls im Raum war und begnügte sich mit einem ruckartigen Nicken. Auch Snape blickte nun zu Draco, der immer noch völlig reglos dasaß. Er machte einen Schritt in seine Richtung und legte ihm mit einer eckigen, unbeholfenen Bewegung die Hand auf die Schulter. Er reagierte nicht und Narzissa liefen stumm Tränen über die Wangen.
Und nun saßen sie also in Schweigen und warteten auf Shacklebolts Eintreffen. Die Stille schien bis in die hintersten Ecken von Dumbledores Büro vorzudringen und lastete schwer auf Jocelyn. Einmal mehr fühlte sie sich hilflos. Sie spürte förmlich Dracos Trauer, aber sie wusste nicht, wie sie für ihn da sein konnte, wenn er so in sich gezogen war.
Als das Kaminfeuer schließlich einige Minuten später grün aufleuchtete, schien ein Ruck durch die versammelten Leute in Dumbledores Büro zu gehen und alle sahen zum Kamin, wo nun eine große, breitschultrige Gestalt in den Flammen auftauchte. Shacklebolt stieg aus dem Kamin und klopfte sich den Ruß von seinem Umhang. „Dumbledore, ich bin hierhergekommen, so schnell ich konnte. Was ist los?“
Er ließ den Blick durch den Raum gleiten und falls er überrascht war, Narzissa hier zu sehen, so ließ er sich nichts anmerken.
Dumbledore zauberte wie aus dem Nichts heraus einen Stuhl herbei und bedeutete dem Phönixordenmitglied, darauf Platz zu nehmen. Dann fasste er schnell die Ereignisse des heutigen Abends für Shacklebolt zusammen, der aufmerksam zuhörte.
„Ein sicheres Versteck“, murmelte er nachdenklich, nachdem Dumbledore geendet hatte.
Er erhob sich und sah Narzissa an: „Wollen wir aufbrechen, Madam?“, fragte er höflich.
Diese sah beunruhigt zu Snape und sagte mit zittriger Stimme: „Aber was ist mit Draco?“
„Ich werde mich um ihn kümmern, sei unbesorgt, Narzissa.“, sagte Snape ruhig.
Draco bewegte sich das erste Mal seit einigen Minuten und funkelte Snape wütend an. Es schien ihm nicht zu gefallen, wie die beiden über seinen Kopf hinweg redeten.
Narzissa nickte und stand auf, nicht ohne Draco nochmal die Schulter zu tätscheln. Sie ging zu Shacklebolt hinüber und dieser informierte sie: „Wir werden zuerst einmal mit dem Flohnetzwerk zu einem sicheren Ort reisen, von dem wir dann apparieren können.“
Narzissa gab stumm ihre Zustimmung und Shacklebolt warf etwas Flohpulver in die Flammen und stieg in den Kamin. „Winkelgasse“, sagte er und verschwand. Mit einem letzten, besorgten Blick auf ihren Sohn folgte Narzissa ihm.

Burning DarknessWhere stories live. Discover now