62. Kapitel 12 (1)

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Louisa hatte über Suma geschwiegen. Ganze vier Wochen lang. Und ihr Samstagstratsch hatte sich verändert.

Seriös war nicht.
Nicht ernsthaft.
Nicht spannend.
Langweilig.

Niemand hörte mehr zu. Nur, weil sie diese eine Sache verheimlichen musste, konnte sie nichts mehr finden. Alles schien so farblos und grau. Und alle waren nur noch genervt. Genervt von ihren Geschichten. Von ihr selbst? Aber sie konnte doch nicht zu weit gegangen sein! Sie doch nicht! Nicht Louisa.

„Reiko.", murmelte sie, als sie auf ihrem Bett saß und an die Decke starrte. Reiko hatte gerade ihre Blume gegossen.

„Nicht ‚Bounty'?"

Louisa zuckte mit den Schultern und drehte sich zur Wand. „Bin ich ein schlechter Mensch?"

Reiko seufzte und setzte sich an ihre Bettkante. „Bist du. Warst du schon immer."

„Und bin ich schlecht in dem, was ich tue?" Sie zog die Beine an und berührte mit den Fingern den Stoff ihrer Jogginghose.

„Das stimmt auch."

„Sei nicht so ehrlich, ich wollte aufgeheitert werden."

„Na gut.", antwortete Reiko, setzte ein falsches Lächeln auf und meinte: „Du hast alles richtig gemacht. Zum Beispiel damals, als du von Noahs und Hannahs Beziehung erzählt hast, bevor sie selbst davon wussten. Oder, dass Nika gerade kurz vorm gehen ist, weil du sie angestiftet hast, sich in die Schülerkartei zu hacken. Oder, als du Kiana und Suma etwas angehängt hast, mit dem sich beide offensichtlich unwohl fühlen. Ach, und super, wie du Professor Andersson mit seiner Spielervergangenheit und Herrn Moeller mit den Fetischseiten erpresst hast, um Informationen über Frau Rat zu erhalten. Wirklich toll gemacht, Louisa, beeindruckend. Du bist ja ein so großes Vorbild."

„So hab ich das alles noch gar nicht gesehen."

„Auf was für einem Planeten befandst du dich die letzten zwei Jahre?"

„Einem sehr viel schöneren, als diesem hier.", nuschelte sie in ihr Kissen. „Ich wollte doch nur, dass alle von allem wissen. Ich wollte doch nur glückliche Pärchen sehen und meinen können: ‚Ich war das!' Und dann sollten sie sagen, wie gut ich das doch gemacht hätte. Dann wären sie glücklich und alle hätten von diesem Glück gewusst."

„So funktioniert die Welt nicht."

„Weiß ich doch.", hauchte Louisa. „Aber ich dachte, vielleicht würde es wahr werden, wenn ich es nur genug will. Vielleicht kann ich die Welt verändern, in dem ich allen sage, was wahr sein könnte."

„Du bist nicht Gott, Louisa. Und erst recht keine ernstzunehmende Journalistin. War es nicht dein Traum, Ruben Koubas Nachfolgerin zu werden? Und dann bastelst du dir deine Traumwelt zusammen, weil das für dich schöner klingt."

„Klaas Rolatius hat das auch gemacht und wurde sehr erfolgreich."

„Klaas Rolatius darf nie wieder für irgendeine Zeitung arbeiten, seit der Betrug rauskam. Ein tolles Vorbild hast du da."

„Sein Stil war gut."

„Und seine Beiträge erlogen."

Louisa zuckte mit den Schultern. Reiko setzte sie auf, sah ihr tief in die Augen und verpasste ihr eine Ohrfeige. „Sag mal: Bist du dumm? Was willst du jetzt machen? Einfach aufgeben?"

„Was sonst? Ich habe nichts mehr zu erzählen. Mein Samstagstratsch ist tot, meine Hashtags sind tot. Und vor allem ist Suma bereit mich zu töten, wenn ich irgendetwas ausplaudere. Ich kann nur noch aufgeben. Werde ich eben Taxifahrerin."

„Also wirst du keine Journalistin, weil das einfacher ist? Du bist die dümmste Idiotin, die ich je erlebt habe! Wenn du nur ein wenig genauer recherchieren und ein wenig einfühlsamer in deinen Geschichten werden könntest, dann schaffst du das!"

Louisa senkte erst den Blick, überlegte viel zu lange, doch sprang schließlich mit großen Augen aus ihrem Bett. „Du hast Recht! Ich werde weitermachen, aber diesmal besser. Diesmal mit mehr Recherche. Und mit dem Einverständnis der Personen. Ich werde mich an den Pressekodex halten und die beste Journalistin der Welt – nach Ruben Kouba – werden! Komm, Bounty."

Und zum allerersten Mal seit zwei Jahren, lächelte Reiko, als sie antwortete: „Na gut. Ich bin dabei."

Blumenbrechen (Wird Nicht Mehr Überarbeitet Und Auch Nicht Fortgesetzt)Where stories live. Discover now