48. - Kapitel 9 (5)

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Wo war sie nur? In der SMS stand „Nach dem Essen bei den grünen Sofas." Die grünen Sofas waren im dritten Stock und die gemütlichsten des ganzen Schülertrakts. Dass sie mitten am Gang standen und somit jeder in diesem und im Flur unter ihnen alles mithören konnte, störte Louisa anscheinend wenig.

„Als Vorwarnung:" Wiederholte Noah. „Meine Freunde sind nur so lange okay, bis sie einen dummen Witz machen können. Und Louisa hat 'nen Knall."

Hannah lehnte ihren Kopf an seine Schulter und gähnte. „Und da war die Nummer drei."

Noah seufzte. „Meine Freunde sind unglaublich tolle Leute, wirklich. Ich glaube fast selbst dran."

„‚Wer Freunde ohne Fehler sucht, bleibt ohne Freunde'. Habe ich mal gehört.", antwortete Hannah und spielte mit Noahs Fingern.

„Ich habe sie nicht gesucht, die haben mich gefunden!"

Hannah rollte mit den Augen. „Drama Queen."

„Hallo Spielerchen, weil mir noch immer kein besserer Spitzname einfällt.", schrie Louisa von der anderen Seite des Flurs. Reiko schlug sich gegen die Stirn und Lloyd Louisa gegen den Hinterkopf. „Ey!", rief Louisa.

Hannah runzelte die Stirn, starrte zu Noah und wieder zu Louisa.

„Wer ist hier die Drama Queen?", zischte Noah, bevor er in eine überschwängliche Umarmung gezogen wurde. Er klatschte sich mit den Jungen ab und drückte auch noch Zina und Reiko.

„Und du bist also Hannah.", bemerkte Louisa.

„Scheint so.", antwortete Hannah, wurde von Louisa ebenfalls umarmt – guckte dabei wie eine verschreckte Robbe – und wurde zwischen ihr und Noah eingequetscht.

„So." Louisa grinste. „Warum gerade ihr Zwei. Warte! Nicht antworten!-"

„Das hatten sie offensichtlich auch nicht vor.", grätschte Lloyd ein.

„Lloyd, das ist gerade völlig unpassend, ich konzentriere mich auf meine Theorien um sie gebündelt und knapp sagen zu können. Sonst wird das wieder wie in der letzten Literaturklausur und der Lehrer schreibt ‚Komm endlich zu Punkt' und dann vergesse ich den Schlussteil und habe den Punkt damit gar nicht mehr genannt. Wir wollen doch nicht, dass das schon wieder passiert." Sie starrte an die Decke. „Ich hab meine Frage vergessen."

„Wer hätte es gedacht.", meinte Reiko und Hannah begann zu lachen.

„Wie heißt du?", fragte Hannah.

„Das ist Bounty, die vielleicht besser zu Noah passen würde, aber wegen dir ist die Theorie auf der Hashtag-Liste erst einmal raus. Vielleicht kommt sie nach dem Treffen wieder rein."

„Louisa vergisst öfter mal, was wahr ist und was erfunden.", meinte Leo, der Zwölftklässler.

„Ey!"

„Ich bin Reiko." Sie nickte Zina zu, die Louisa auf den Oberschenkel schlug.

„Und ich bin Stephan.", sagt Stephan, zwinkerte und kassierte einen Todesblick Seitens Noah.

„Wenn du Hanni – ah, ich meine Hannah. Wenn du Hannah anflirtest, dann setz ich dich unter die Roofies in meinem Auto und fahre mit dir an einen Ort, wo dich niemand findet."

„Ohh", grölte es von allen Steiten. Louisa fuchtelte mit ihren Armen in der Luft herum.

„Psst, psst. Wartet! – Hanni? Unser Spieler gibt ihr sogar einen Spitznamen! Dann sollten wir ihr auch einen geben. Hm, mal sehen."

„‚Namen sind Schall und Rauch'.", murmelte Hannah. „Ein altes Sprichwort."

„Namen sind trotzdem nicht unwichtig und schon gar nicht Spitznamen! Spitznamen sind sowas wie 'ne zweite Taufe. Du hast ihn und er passt besser zu dir und klingt besser und sowieso bildet er dich besser ab. Spitznamen zeigen, wer du bist, und wie du redest und –

„‚Reden ist Silber, viel reden ist Blech'.", murmelte Hannah. Louisa stoppte und starrte Hannah mit offenem Mund an.

Lloyd begann zu lachen. „Du hast dir eine super Freundin ausgesucht, Noah."

„Stimme zu.", erwiderte Reiko. Der Rest gab ähnliches von sich.

„Ich hab's!", rief Louisa schließlich. Einige Schüler drehten sich zur Sitzecke um, nur um Louisa zu bemerken und sich desinteressiert um ihre eigenen Probleme zu kümmern. „Agonia!"

„Bitte was?", meinte Noah verwirrt. „Sterbehilfe? Du willst Hannah Sterbehilfe nennen? So furchtbar ist sie nun wirklich nicht."

Hannah verdrehte die Augen. „Drama Queen."

„Nein, nein! Wir taufen Hannah Agonia, weil sie immer mit Sprichwörtern antwortet."

„Was?", lachte Lloyd.

„Also, ich meine das so:" Louisa setzte sich gerade hin und versuchte in irgendeiner Form seriös zu erscheinen. Es funktionierte grandios schlecht. „Agonia heißt auf einigen Sprachen Sprichwort. Im Englischen ist es ja auch ‚Adage' – das kommt vom selben Wort. Und weil Hannah mir bisher irgendwie nur mit Sprichwörtern kam und Noah seit dieser Beziehung von irgendwelchen Dichtern und Philosophen faselt, und das mit ziemlicher Sicherheit von unserer Lieben Nia kommt, habe ich mir erschlossen, dass sie das gerne macht. Deshalb: Agonia!"

„Natürlich macht ausschließlich das Hannahs Persönlichkeit aus.", sagte Noah.

„Ist doch egal, Spieler. Also Hannah, was hältst du von Agonia?"

Hannah zuckte mit den Schultern. „Von mir aus."

„Supi!", rief Louisa. „Damit ist es beschlossen. Applaus für Agonia!" Keiner, außer Lousia klatschte. Sie räusperte sich. „Damit ist die Kennlernrunde beendet. Auf zu den Zimmern."

Sie verabschiedeten sich noch voneinander.

„Entschuldige das.", murrte Reiko und rannte hinter Louisa her.

Schließlich waren Noah und Hannah allein.

„Louisa hat wirklich einen Knall.", sagte Hannah und lehnte sich wieder gegen Noah.

„Sag' ich doch."

Es war ruhig. Schüler gingen nur noch vereinzelt durch den Gang, die meisten waren in ihren Zimmern. Ab und zu hörte man ein Lachen durch eine Tür hindurch. „Ich mag deine Freunde.", lächelte Hannah schließlich.

„Also wird das jetzt keine Trennungsszene?", lachte Noah.

Hannah rollte mit den Augen. „Wahrscheinlich nicht, wenn du keinen dummen Spruch mehr bringst."

„Aber du kennst mich doch. Mich, Mercutio! Ich muss dumme Sprüche bringen um meiner Rolle in diesem Trauerspiel gerecht zu werden und wenn ich dann abgeknallt werde, dann werde ich lachen und immer noch nichts ernst nehmen. Das ist doch meine Rolle."

„Gute Nacht.", meinte Hannah, stand auf und ging in die Richtung des Mädchenzimmers.

„Du lässt mich zurück? Einfach so?"

„Ja.", rief Hannah.

„Aber wir sind schon noch zusammen?"

„Ja." Sie war inzwischen im zweiten Stock angekommen und würde Noah sicher nicht mehr hören.

Er starrte an die Decke. „Oh, Mann.", seufzte er und machte sich ebenfalls auf in sein Zimmer.


Einsamkeit ist ein komisches Wort, denn es Beschreibt einen Normalzustand. Das Ich ist selbstverständlich einsam und auch das Nichts, doch überspielt es das besser.

Doch auch du? Du Alles bist es auch? Nein.
Das darfst und kannst du nicht sein.
Du bist naiv und lieb, wie solltest du auch einsam sein, wenn du dem Ideal des Nichts entsprichst?
Nein, das kann nicht sein.

Bleib im Bild.

Blumenbrechen (Wird Nicht Mehr Überarbeitet Und Auch Nicht Fortgesetzt)Where stories live. Discover now