4. - Kapitel 1

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„Hayashi, Suma!" Auf der Bühne verlagerten die Jugendlichen ständig ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Wann gab die Tante endlich auf und machte weiter? Wie lange mussten wir noch hier rumstehen?

Auch Eltern, Zwölftklässler und die neuen Schüler, die noch nicht Aufgerufen waren, drehten sich nach allen Seiten um, blickten sporadisch zu den anderen und versuchten die Verwandten des Fehlenden ausfindig zu machen. Doch niemand stand auf und suchte nach seinem Kind, denn niemand stand auf und suchte nach irgendwem.

„Das werde ich vermerken, Hayashi.", murrte Lina Rat, möglichst entfernt vom schwarz glänzenden Tonträger vor ihr. Die auf der Bühne stehenden begannen wissend in sich hineinzugrinsen. Sie zeigten dem Publikum ihre besten Besserwisser-ausdrücke. Dieser Blickwechsel ging solange weiter, bis Rat mit den Aufrufen fortfuhr.

In der Mitte der ersten Reihe saß Kiana. Ein kleines Mädchen mit schwarzen, ewig langen Haaren, die mit einem blauen Samthaargummi zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Der Zopf wackelte hin und her. Ihre dunkelbraunen Augen durchkämmten die Umgebung. Diese Schule war das höchste an Bildung, die man überhaupt erhalten kann und dieser Jemand fehlte bei der Eröffnungszeremonie einer Feier, die für ihre Einweisung organisiert wurde? Welchen Grund sie wohl hatte?

Immer mehr Fragen warf „Suma" auf und immer mehr verwirrten Kiana ihre eigenen Gedankengänge. Glücklicherweise wurde sie dadurch abgelenkt.

„Kiana Levento." Jetzt hätte sie am allerliebsten ebenfalls gefehlt. Nein, vielleicht nicht. Dass ihr Name einmal durch die Aula schallte, war bereits genug. So ließ sie den Saum ihres weißen Pullovers, an dem sie schon die ganze Zeit festkrallte, los und versuchte aufzustehen. Ihre Beine suchten nach festem Untergrund. Vergebens. Die Zeit verstrich, erste komische Blicke glaubte sie zu sehen.
„Zwei Fehler? Was für eine Frechheit!", dachten sie jetzt sicherlich. Furchtbar unangenehm! Auf einmal musste sie ganz dringend wieder nach Hause.

Eine Ewigkeit dauerte es, doch sie fand den Boden und schaffte es sogar stehenzubleiben, sogar jede einzelne Treppenstufe bis zur Bühne zu erklimmen.

Frau Rat empfing sie mit einem höflichkeitsbasierten Lächeln, was Kiana, trotz ihres hochkonzentrierten Tapsens erwiderte. Sie wurde stumm angewiesen, sich neben einen rothaarigen Jungen zu stellen.

Kiana wurde komisch angeguckt, glaubte sie zumindest. Sie sah zu den anderen auf der Bühne. Zu jeder der Personen musste sie aufsehen. Beiläufig begann sie mit der rechten Hand über den Saum ihres linken Pulloverärmels zu fahren. Winzig, geradezu Zwergenhaft!

In der dritten Reihe des Publikums saßen ihre Eltern. Sie lächelten und Kiana konnte sie gedanklich sagen hören: „Wir sind stolz auf dich!"

Als die letzte Person auf die Bühne gerufen wurde, konnten die 21 anwesenden Schüler der 11A des Jahres 2029 die Erhebung endlich verlassen. Das Publikum lobte die Schüler durch ihren Applaus. Die 11A setzte sich wieder auf ihre Plätze und wartete bis die drei weiteren neuen Klassen vorgestellt wurden. Kiana hörte genau zu. So konnte sie sich die Namen merken. Insgesamt waren es 85 neue Schüler aus den Ländern, die diese Begabtenschule förderten. Sie alle waren die neue Weltelite, die Besten der Besten, zumindest laut Test.

Bei den ersten drei vorgestellten Personen lehnte Suma Hayashi noch mit einem Bein an der Glastür, dem Aulaeingang.
Eine idiotische Veranstaltung. Das waren aber alle Zeremonien dieser Art. Die Eltern achten sowieso nur auf ihre Kinder und denken, dass es, weil es auf einer Bühne steht, jetzt etwas ganz besonderes sei. Fünf Minuten Ruhm dafür, dass man die einzige Person ist, die sein Kind anstarrt und ja, ach so stolz ist. Menschen sind engstirnige Idioten.
Er stieß sich mit seinem linken Fuß von der Tür ab und verschwand genervt aus dem Raum. So viel Sinnlosigkeit auf einem Fleck!

Blumenbrechen (Wird Nicht Mehr Überarbeitet Und Auch Nicht Fortgesetzt)Where stories live. Discover now