58. - Kapitel 11 (5)

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„Happy Birthday to you,"

27. Oktober.

„happy Birthday to you,"

Wind, Sturm, tanzende Blätter, ausgerissene Blumen.

„happy Birthday, lieber Suma"

Suma hasste diesen Tag und würde ihn hassen, solange er lebte.

„Happy Birthday to you."

Louisa stand auf der Bank unter Sumas Baum, um sie herum die Samstags-Tratsch-Traube und sie alle fühlten sich in der unbegründeten Verpflichtung zu singen. Suma schaute nicht runter, bloß nicht runter, nur auf den gelben Block, nicht runter, nicht rufen, wie sehr das gesinge doch nervte, nicht gucken, alles, außer das.

„Alles Gute zum Geburtstag!", schrie Cherry hoch. „Ich lege dein Geschenk auf die Bank unter dir." Cherry wartete einen Moment und schrie nochmal: „Die Bank unter dir! Okay?" Suma hielt noch immer seine Klappe. „O-K-A-Y?"

„Hör auf mich zu nerven, es ist mir vollkommen egal.", murrte er, laut genug, dass Cherry, Louisa, Viktoria und der ganze Rest da unten es hören konnte.

„Du hast heute Geburtstag?", hauchte Kiana, leise genug, dass weder Cherry, noch Louisa, Viktoria und der ganze Rest der Schule es hören konnte. Nur Suma – Suma hörte es. Und sah auf, sah das offene Fenster, Kiana dahinter, schwarze Haare, weißer Pullover und die Sonne kam zum Vorschein. Nicken, auch wenn er es gerne vermieden hätte. „Herzlichen Glückwunsch." Sie lächelte, er nicht. Er wandte sich ab.

„Der zufällige Tag meiner Geburt ist ein Tag wie jeder andere auch."

„Warum klingst du dann nicht abwertend oder hassend, wie sonst, wenn du von Tagen und Wochen sprichst?"

„Weil ich heute Wut empfinde."

„Was unterscheidet Wut von Hass, deiner Meinung nach?"

Zuerst schwieg er und wollte es dabei belassen. „Ich hasse alles Beständige und hasse es beständig. Ich bin wütend, wenn es irgendwann nachlassen kann, dieses Gefühl." Doch redete.

„Und wann lässt deine Wut auf den Tag deiner Geburt nach?" Sie spielte an ihren Pulloverärmeln.

„Das Gefühl hört auf, wenn ich nicht mehr an den Tag denken muss. Dann ist da nur noch Hass."

Eine Weile beobachtete sie ihn. „Hast du dir wirklich noch nie eine Feier gewünscht? Oder gewollt, dass Leute dir sagen, sie erkennen dich an, sie sind froh, dass du seit heute vor so-und-so-vielen Jahren existierst und keinen Tag früher oder später zum ersten Mal Licht wahrnehmen und zum ersten Mal einatmen konntest? Ob dieser Tag Zufall ist oder nicht, ist das denn wichtig? Schließlich ist doch vieles auf der Welt Zufall: die Familie, die Schule oder, dass wir uns getroffen haben. Was, wenn Rat dich nicht angesprochen hätte oder ich erst ein Jahr später an diese Schule gekommen wäre? Ist es schlimm, dass es Zufall war, dass wir uns kennen?"

„Soll ich dem Zufall für ein Datum danken? Soll ich mich freuen, dass meine Mutter mich sofort nach der Geburt abgab und ich nicht einen Tag später von einer anderen Frau geboren wurde, die mich behalten hätte? Tss. Manche Menschen liebt der Zufall mehr als andere.
Was soll mich das interessieren? Letztendlich ist das alles bedeutungsleer. Meine Mutter, sonstwer, es wäre vollkommen egal."

Kiana blinzelte. „Ist es dir egal?"

„Das weißt du schon."

„Fühlst du nichts außer Hass und Wut an diesem Tag?"

„Was fragst du so stupide?"

„Wenn ich ganz ehrlich sein darf, dann scheinst du mir etwas verletzt."

„Pff, Wattemensch." Er schaute runter. Wären nur diese Menschen nicht dort, wäre er gesprungen und verschwunden. Doch sie waren da und sie starrten und deshalb musste er verharren. Bei ihr. Bei Kiana, die schon wieder so höflich die Wahrheit sprach und sich wahrscheinlich dafür schämen wollte, doch nicht konnte und nicht sollte.

Sie war nicht im Recht, nein.
Das war sie nicht.
Er war nicht verletzt, denn das hieße,
er könnte fühlen.
Und das wäre eine Lüge. Das wäre falsch. Besonders an seinem Geburtstag. Besonders heute. Natürlich.
Klar.

„Suma?"

„Was?"

„Was-" Sie stoppte, ein Nicken, sie verstand alles. „Mein Vater hat gefragt, wie mir das Buch gefällt."

„Und?"

Sie kicherte. „Ich habe versucht das Thema zu wechseln und glaube, so schlecht ist mir das gar nicht gelungen."

„Das Buch ist interessant."

„Ich bin froh, dass es dir gefällt. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt über das zweite Kapitel komme."

„Und die Märchen?"

Kiana zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Ich konnte bisher nur eine Geschichte lesen." Sie lachte. „Und ich bin mir sicher, dass die dir auch nicht gefallen hat."

„Die Erste ist die schlechteste."

„Ich habe noch nicht alle gelesen und der Autor hat sich bestimmt viel Mühe gegeben,
aber-"

„Kiana hatte ihm auch die Klausur gegeben."
„Und sie reden immer miteinander."
„Wer ist Kiana? Die da im Fenster? Die ist doch noch ein Kleinkind. Suma hält sich an die Gesetze."

Auf der Erde war bloß ein Murmeln zu hören. Und dieses Murmeln übertönte Louisa wie ein Schlag ins Gesicht. Sie stoppte mit dem Reden, nicht ohne sich darüber noch einmal lauthals zu beschweren, aber es schien immer noch für alle tonlos zu verhallen, und blickte auf. „Und mir sagt Kiana, da wäre nichts.", murrte sie.

„Was soll schon mit Kiana und Suma sein?", nuschelte Viktoria, die ihr wohl noch als letzte zugehört hatte.

„Das wird mir Suma schon beantworten." Sie schrie an alle gerichtet: „Und das war alles für diese Woche. Tschüssi." Dann war sie weg und voller Wut.

Blumenbrechen (Wird Nicht Mehr Überarbeitet Und Auch Nicht Fortgesetzt)Where stories live. Discover now