34. - Kapitel 8 (1)

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~ Regel Nummer Eins: Kein Kontakt zu den Unwichtigen!

„Er schreibt auf einem hässlichen gelben Block. Den bewacht er besser als alles andere." Lissia verschränkte die Finger ineinander. Sie stand in dem beigen Büro auf einem mit Makeln übersäten, roten Teppich. Ihre Haare waren strähnig, ihre Kleidung schlicht.

Headless lehnte neben der Tür an der Wand. Er gluckste. Ein Autor von großer Poesie, jaja.

Der Mann im schwarzen Bürostuhl vor Lissia lehnte sich zurück. Er rollte seine rechte Hand über einen imaginären Punkt. „Weiter."

Lissia nickte vorsichtig. „Er ist verliebt."

Das war zu viel für Headless. Alles in ihm krampfte sich vor Lachen zusammen. Verliebt? Verliebt – wie süß. Verliebt ist das knuffige Blümchen also. Der hat anscheinend nichts Besseres zu tun.

Der Mann zog eine Augenbraue hoch. „Sicher?"

Lissia schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nur eine Vermutung."

„Beobachte das weiter.", forderte der Mann.

„Ist gut, Pa." Lissia verschwand aus dem Raum. Hinter der wuchtigen Glastür neben dem Schreibtisch des Mannes grinste ein Vogel.

Headless zog an seinen Haaren, zog an seiner Haut und erbrach fast vor Witz. Tränen bildeten sich in seinen Augen, sein Mund war weit aufgerissen und es schallte Schreien und Piepsen aus ihm.

Der Mann rollte mit den Augen und räusperte sich. Headless verstummte noch im selben Moment. Der Mann hielt ihm einen Zettel hin. Als Headless danach griff, ließ der Mann nicht los. Direkt schaute er Headless nicht an, dafür war es zu egal: „Du hältst dich diesmal an die Abmachungen, Kleines." Headless nickte unterwürfg. ,,Jetzt hau ab und kümmere dich um deinen Achter. Er wird dir die Daten geben."

Headless grinste. „Ja, Vater." Und trat ab.

~ Regel Nummer Zwei: Kein Kontakt nach Außen!

Headless lachte viel, wobei er so gut wie nie tatsächliche Freude empfand.
Seine einzige Glückseligkeit, seine Lebensaufgabe und sein tiefster Frieden lagen in zerstückelten Körpern. Wenn warmes Blut über seine Haut floss und das Wesen keinen Impuls mehr von sich gab, wenn die abgetrennten Gliedmaßen noch frisch rochen und die Haare weich herabfielen, kam der Kick. Nur so spürte er das eigene Blut in seinen Adern rauschen, sein Herz seinen Brustkorb penetrieren und eine unendliche Leere, die ihn zu den Sternen beförderte.

Die Medien liebten Headless für seinen Kick. Seit er wieder begonnen hatte, waren sie auch wieder dabei.

„Headless! Headless! Der große böse Wolf reißt die armen Schafe der Menschheit!"
„Los! Los! Ich wusste es zuerst!"
„Kommt her! Kommt! Ergötzt euch an der Unmoral von anderen!"
„Hört zu! Hört zu! Vergesst euer langweiliges Leben für den Augenblick! Denkt an Headless!"
„Wir sind die Interessantesten! Seht doch! Wir haben Mystery! Wir haben Kriminalität! Wir haben gebrochene Verbote!"
„Schaut! Schaut! Jemand tut es für euch!"

Wie Aasgeier zerfleischten sie auch nur die kleinsten Überreste von Headless' Taten. Die ganze Welt schaute auf Headless. Alle redeten über ihn. Alle liebten ihn. Alle, bis auf die Person, die ihn wirklich beachten sollte.

Headless lief den Gang entlang, stieg die Wendeltreppe hinab und stieß die Tür direkt daneben auf. Er warf seine Haare nach hinten.

Der Raum war kahl. Neonlicht schien von der Decke. Hinten ratterten Waschmaschinen. Weiße Tische standen in langen Reihen hintereinander. Die Achter rannten umher, hasteten zur Wäsche, rasten zu den Vierern, blitzten zu den Briefen, rannten weiter und weiter.
Und rannten sich mit voller Wucht um. Ein Wäschekorb fiel zur Erde und die Wäsche flog in alle Richtungen. Jonah entschuldigte sich bei Carly. Er kniete sich neben sie und sammelte die Wäschestücke ein.

Headless tappte auf das schwarzgelockte Engelchen zu, stellte sich direkt hinter ihn und legte ihre Köpfe aneinander. Jonah zuckte zusammen. Headless grinste.

„Ich habe einen neuen Auftrag, weißt du."

Sofort sprang Jonah auf. „Ja, das weiß ich.", gab er von sich und eilte zu einem der Tische. Mit einem Pass, einem Flugticket, einem Stadtplan und einem Blatt Papier kam er wieder. Er gab Headless den Stadtplan und das Blatt Papier. „Ariane Catalis ist Mitarbeiterin der „Internationalen Kinderrechts-Organisation". Sie ist kurz davor, den Auftraggeber aufzudecken."

Auf dem Stadtplan war ein roter Kreis um das „Nationale Museum der politischen Ideologien" gezeichnet. Daneben stand mit Bleistift „:2.4.1:N.2\O-2-KQ-137f-F-3-&-bc-20". Ariane lebte also in der zweiten Querstraße neben dem Museum in der dritten Etage, Hausnummer 137c. Um 20:00 Uhr würde sie an ihrem Todestag sicher und alleine zu Hause sein.

Headless schaute sich den anderen Zettel an. Es war der Steckbrief. Name, Alter, Familie, Freunde, Feinde, Fotos, Hobbys, Präsenz in den Medien und größte Ziele.

„Traum: Allen Kindern der Welt ein würdiges Leben verschaffen." Headless lachte. „Oder allen ihre Weltansicht beibringen." Er schüttelte den Zettel, als ob sich dadurch diese paar Buchstaben in etwas anderes verwandeln würden. Nun schaute er sich ihre Bilder genauer an. „Sie hat wirklich hübsche Locken." Headless grinste über beide Ohren. „Wann fliege ich los?"

„Übermorgen um 15:45 Uhr." Er überreichte Headless das Ticket und den Pass. „Du bist als Patrick O'Brien, 32 Jahre, eingetragen." Jonah rannte zu den Waschmaschinen und kehrte mit einem Paar Turnschuhe, Größe 45, einer Cordhose, einem Hemd und einer Weste wieder. „Damit sollst du laufen üben." Er rannte wieder zurück, rempelte Carly an und kam mit widerwärtig süßlichem Aftershave und durchsichtigem Nagellack wieder. „Du weißt vom Rest."

Headless nickte und hüpfte aus dem Raum. Sofort atmete Jonah auf. Er lief zu Carly. „Tut mir Leid wegen eben."

„Sei kein Weichei und mach' deinen Job weiter.", lächelte sie und knuffte ihn in die Seite. Eine Waschmaschine piepte. Carly schnellte hinüber. Jonah setzte sich zurück an seinen Tisch.

~ Regel Nummer Drei: Keiner wiedersetzt sich der Hierarchie!

Blumenbrechen (Wird Nicht Mehr Überarbeitet Und Auch Nicht Fortgesetzt)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora