Kapitel 58

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Bad Reputation- Shawn Mendes

16. Januar 2018

Die Wohnung ist so leise. Zu leise. Diese Stille macht mich verrückt. Es dringt kein einziges Geräusch an mein Ohr. Nachdem ich schon eine ganz "beruhigende" Spotify-Playlist angehört und Meditation betrieben habe. Mein Herz hämmert inzwischen so schnell gegen meinen Brustkorb, dass ich mir langsam Sorgen mache. Ich bin neunzehn Jahre alt und absolut nicht bereit, mit einem Krankenwagen und einer Herzrhythmusstörung ins Krankenhaus zurückzukehren. Shawn muss seit sechs Stunden unterwegs sein. Nach unzähligen Anrufen meines Dozenten habe ich entschlossen, die ganze Sache einfach elegant zu ignorieren. Dieser Mann kann es sich nicht erlauben, mich aus dem Behandlungsraum meiner Mutter zu schicken und am Ende noch mein bester Freund spielen. Stattdessen hat er meine Ignoranz vollkommen verdient. Wäre es etwas Wichtiges, dann würde er sofort meinen Bruder rufen. Ich habe ihn vor kurzem als Zweitkontakt angegeben. Schließlich bin ich nicht ihr einziges Kind, das für sie entscheiden sollte. Alleine weil sie mich als Schlampe bezeichnet, sollten mir alle Rechte über sie entzogen werden. Aber das kanadische Gesetz will es nunmal nicht. Deswegen bin ich es intelligent hintergangen. Ich werde jetzt im Notfall kontaktiert, bin aber nicht der Einzige mit der Verantwortung.

Aus Verzweiflung und Selbstzweifel muss ich an diesen Traum denken. Mom hat mit mir geredet, während ich mir die Pulsader durchschneiden wollte. Das Messer ist einfach neben mir aufgetaucht. Damals habe ich mich als geisteskrank eingestuft, heute würde ich mich als verletzt einschätzen. Und ich habe in den letzten Monaten mehr über mich gelernt, als ich je hätte denken können.

Nur jetzt liegt die Schere vor mir, mit der ich eben noch meine Psychologieunterlagen zerschnippelt habe. Sie lächelt mich so freundlich an, dass ich einfach nicht widerstehen kann.

In diesem Traum hätte ich kurze Haare.

Ich möchte ehrlich sein. In der zweiten Klasse sah ich mit kurzen Haaren noch wie ein Walross mit Mondgesicht aus. In dem Traum aber sah ich so frei aus. Ich war nicht das jetzige Ich. Ich sah nicht nur frischer aus, ich habe mich auch gefühlt, als würde ich ein ganz neuer Mensch sein.

Also packe ich mir die Schere, schnelle zum Waschbecken im Badezimmer und setze sie zum Scheiden an. Sobald das brechende Geräusch meiner durchgeschnittenen Haare meine Ohren erreicht, atme ich erleichtert auf. Früher habe ich alle für dumm erklärt, wenn sie mir erzählt haben, dass sich Haareschneiden befreiend anfühlt. Doch heute kann ich es komplett nachvollziehen. Mit jedem Schnitt fällt etwas von meinen Schultern und versetzt mich in eine Art Trance.

Meine Gedanken verschwinden in meiner Kindheit.
Ich bin gerade mal sieben Jahre alt und klaue die Schere aus der Küchenschublade. Nachdem mein Vater aus dem Haus ist, um seine Chemo nachzuholen, hat Mom sich im Schlafzimmer verkrochen und kommt seitdem nicht mehr heraus. Will dachte erst, dass sie tot sei. Aber das ist sie nicht. Sie lebt. Ihre Brust hebt und senkt sich ganz normal. Also muss sie leben.
,,Bist du dir sicher?", fragt Will neugierig, als ich die Schere auf Schulterlänge an mein Haar ansetze. Ich nicke noch, bevor meine Finger die Schere automatisch dazu zwingen, eine Strähne meines Haares abzuschneiden. Es sind nur ein paar Haare, aber mein Herz bleibt für einen Moment stehen. Was ist, wenn ich all das hiernach zu tiefst bereue?

Was ist, wenn ich all das hiernach zu tiefst bereue?

Mit diesen Worten setze ich die Schere an der nächsten Strähne an. Während ich Meine Haare abschneide, denke ich nur an meine Kindheit. Ich hatte eine tolle Kindheit. Das Problem hierbei ist bloß, dass meine Mutter mich nicht großgezogen hat, sondern Karen. Meine Mutter hat an "meinen schlechten Genen" gar nichts beizusteuern gehabt.
Sie ist einfach nur die Frau, die mich auf die Welt gebracht hat, mehr nicht. Deswegen hat sie auch heute kein Recht, so über mich zu reden. Sie kennt mich ja nicht einmal richtig. Für sie bin ich bloß das Mädchen, das nichts auf die Reihe bekommt.

Immer mehr rote Locken fallen in das Waschbecken und verlassen meinen Haarschopf. Jedes andere Mädchen würde bei dem Anblick meiner kurzen Haare in Tränen ausbrechen. Nur ich bin froh. Ich sehe exakt so aus, wie in dem Traum. Mein Spiegelbild hat mich so geisteskrank angesehen, dass ich Angst vor mir selbst bekommen habe. Dann habe ich versucht, mich selbst umzubringen. Keine Ahnung, warum ich sowas träume, aber es hat anscheinend seine Wirkung gezeigt. Ich verwandle mich immer mehr in das Mädchen, das meine Mutter sehen möchte. Eigentlich hatte ich mir schon vor langer Zeit geschworen, mich nicht für irgendjemanden zu verändern.

,,Cassie?", schreit eine aufgeregte Stimme durch die Wohnung. Ein letzter Blick in den Spiegel lässt mich kurz daran zweifeln, was ich getan habe. Weil ich hier in Toronto ein Problem habe und nicht alleine damit klar komme, habe ich Shawn Mendes, meinen Freund aus Vancouver hierher gerufen. Diese Abmachung war nur für dringende Notfälle. Würde ich jetzt schwer verletzt im Krankenhaus liegen und ihn bei mir haben wollen, wäre der Anruf ja verständlich gewesen, aber doch nicht in dieser Situation. Man, das ist sein Job. Und ich hole ihn aus dieser Situation heraus, weil meine kranke Mutter das macht, was sie schon seit Jahren abzieht.

,,Hier.", versuche ich mich verständlich zu machen. Auf einmal ist alles so verschwommen. Meine Stimme ist nur noch ganz leise und kaum zu hören. Trotzdem steht Shawn innerhalb den nächsten zehn Sekunden vor mir. Er mustert mich sorgfältig von oben bis unten. Meine Hände zittern, meine Wangen brennen vor Aufregung und Nässe Tränen Rinnen jetzt doch meine Wangen hinunter.

,,Was ist passiert?", fragt Shawn, nachdem er mein Gesicht zwischen seine Hände genommen hat und sein Gesicht nah vor meines geschoben hat.

,,Meine Mutter hat..." Ich kann nicht weitersprechen. Meine Kehle scheint verstopft und mein Mund verschlossen zu sein. Ich kann die Worte einfach nicht über mich bringen.

,,Was...?"

,,Sie hat gesagt, dass ich sterben soll!"

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Dadaaaaam... 👋🏻

Was denkt ihr über das Kapitel?

Ich habe jetzt wieder Schule und absolut kein Stück Freizeit mehr. 😭Aber da mein brilliantes kleines Hirn schon mal vorgesorgt hat und ich deswegen schon ganz viele Kapitel vorgeschrieben habe, kommt jetzt doch eins. Ich hoffe euch gefällt es. 😏

Und! Danke, Danke, Danke für die 4K reads!😘😘😘😘😘😘

Das ist unfassbar!!!❤️❤️❤️

To be continued...❤️

Because I had you [Shawn Mendes FF]Where stories live. Discover now