Kapitel 39

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Capital Letters- Hailee Steinfeld

Da steht es also. Eine kleine Portion Nudeln steht vor mir auf dem Tisch und ist bereit zum Verspeist werden. Ich versuche nach der Gabel zu greifen, kann meine Hand aber nicht dazu bringen, die Gabel hochzuheben. Schon beim ersten Versuch, die Gabel anzuheben, gleitet sie mir aus der Hand und fällt erst auf den Tisch, dann fällt sie lautstark auf den Boden. Innerhalb ein paar Sekunden liegen alle Blick der Menschen in der Cafeteria auf mir. Gleich drei alte Damen schauen mich schockiert an, als ich mich zu bücken versuche. Ich kann ja sowieso alles perfekt bewegen, bis auf meine Finger und meine Beine. Und genau das ist das Problem. Ich kann nicht genau einschätzen, wann meine Finger den Boden berühren. Also greife ich ins Nichts. Shawn, der direkt neben mir auf einen der Mensastühle sitzt, beobachtet meine Tat geduldig. Er lässt mir meinen Freiraum. Die Ärzte meinten nämlich, dass es Zeit braucht, bis mein Gehirn wieder die üblichen Signale an meinen Körper senden kann. Sie meinten jedoch auch, dass ich nie wieder aufwachen würde. Sie meinten allerdings auch, dass ich bald wieder sprechen könnte.

,,Das ist nicht schlimm. Versuchs einfach nochmal!", meint Shawn mit beruhigenden Unterton. Er steht auf, läuft um mich herum und hebt die Gabel vom Boden auf. Lächelnd legt er mir die Gabel in die Hand und schließt meine Finger um die Gabel. Meine Augen sind inzwischen mit Tränen gefüllt, aber ich würde nicht weinen. Seitdem ich aufgewacht bin, habe ich keine einzige Träne vergossen. Schließlich weine ich fast nie. Normalerweise bin ich ein Mädchen, welches nie weint. Doch die letzten Monate waren für mich ein einziges Chaos. Ich hatte mehr geweint als ich es je zuvor getan hatte. Aber das ist okay.

Ich stehe immer wieder auf! Und genau deswegen muss ich jetzt die scheiß Gabel in der Hand behalten und die blöden Nudeln aufspießen. Das muss ich jetzt tun. Ich weiß das. Es funktioniert folgender Weise:

1. Gabel senkrecht halten. (dabei versuchen, sie nicht  aus der Hand fallen zu lassen!)

2. Hand langsam sinken lassen, so dass die Gabel mit den Spitzen die Nudeln berührt.

3. Wenn Nudeln an der Gabel hängen, die Gabel zum Mund führen und diese mit dem Mund umschließen.

4. Nach dem Schließen des Mundes, die Gabel aus dem Mund ziehen. (Dabei beachten, dass die Lippen durchgehend geschlossen sind.)

5. Versuchen die Nudeln zu kauen.

Meine Mutter wäre stolz gewesen, wenn ich heute noch zwei gewesen wäre. Denn ich lasse diese Schritte mit Gravur hinter mir. Nur das Kauen ist schwerer als gedacht. Klar, ich habe lange nicht mehr geredet oder den Mund in jeglicher, anderer Weise bewegt. Ich bin quasi eine erwachsene Frau, die nochmal das ganze Ritual des Essen von vorne lernen muss. Im Grunde besteht die Schwierigkeit darin, dass ich all die Schritte bereits kenne, sie aber nicht umsetzen kann. Unter Beobachtung meiner Familie, zerkaue ich hoch konzentriert die weichen Nudeln.

,,Und?", fragt Karen mir gegenüber auf einen der weißen Plastikstühlen. Alle am Tisch schauen mich so gespannt an, als würde ich ihnen gerade einen tollen Kinofilm spoilern. Dabei tue ich im Grunde nichts anderes als das, was alle Menschen normalerweise zum Überleben machen. Doch für mich ist alleine dieser eine Tag ein einziger Erfolg. Ich glaube, dass meine Nahtod-Erfahrung mir Vieles gelehrt hat.

Das Leben ist schön!

Egal, wie viel wir im Leben vermasseln, wie viel wir nicht mögen oder wie viele Menschen und den Tag vermasseln. Das Leben ist schön. Und am Ende wird uns das viel zu spät klar. Also warum sollte ich nicht alles tun, damit es mir besser geht?

,,Lass sie doch erst mal essen.", kommandiert Manuel seine Frau streng, hat aber trotzdem eine weiche Miene aufgesetzt.

,,Ist ja gut.", zickt sie ihren Mann an. Sie wechseln einen bösen Blick miteinander aus und unterhalten sich dann über irgendetwas. Meine Gedanken schweifen zu meinem Bruder. Er ist doch gerade erst frisch verheiratet und soweit ich weiß, ist heute der fünfte November und das heißt wiederum, dass er seit einer Woche in den Flitterwochen sein sollte. Er sollte also nicht hier sein, als ich aufgewacht bin. Kate und mein Bruder sollten nun in Brasilien sein und ihre Ehe genießen. Sie sollten Leben. Aber anstatt, dass alle leben, verbringen sie die Zeit mit mir zusammen im Krankenhaus und schauen mir beim Leiden zu. Normalerweise leide ich nicht, aber nachts fällt mir das Schlafen oft schwer. Sobald ich die Augen schließe, kommen alle möglichen Gedanken in mir hoch. Bilder von Chris in Anzug schlagen sich wie Schleier vor mein inneres Auge und verschwinden einfach nicht bis Shawn kommt. Und ja, ich weiß wie kitschig das klingt, aber ich kann zurzeit nur an Shawns Seite einschlafen. Er hält immer so lange meine Hand, bis ich einschlafe. Und das deprimiert mich. Er ist jung und flexibel. Er ist Shawn Mendes und sollte eigentlich auf Tour sein. Doch wegen Cassie Clark sitzt er die ganze Nacht auf irgendeinem ungemütlichen Stuhl neben meinem Krankenbett. Dabei sollte er eigentlich mit irgendwelchen Fans im Pool rumknutschen und sein Leben in vollen Zügen auskosten.

Aber stattdessen sitzt er neben mir in der Mensa des Krankenhauses und hat einen Arm hinter meinem Rücken auf meiner Stuhllehne liegen und beobachtet mich sanft. Als ich seinen Blick jedoch erwidere, ändert sich sein Gesichtsausdruck. Er schaut mir traurig in die Augen, fast so, als hätte ich gerade seinen Welpen getreten. Ich merke gar nicht, warum er mich so ansieht. Aber als ich wieder auf meinen Teller sehe, kapiere ich es. Die Gabel liegt unter den Nudeln vergraben auf dem Teller und nicht mehr in meiner Hand. Wieder sammeln sich Tränen in meinen Augen. Die Nudeln haben ja nicht einmal geschmeckt. Also warum muss ich jetzt rumheulen? Diesmal kann ich nichts daran machen, dass die Tränen über meine noch trockenen Wangen rasen und auf den Teller fallen. Ich kann einfach nur dasitzen und gekränkt auf meinen Teller starren.

,,Hey.", unterbricht Shawn meine depressive Phase. Seine Eltern bekommen meine Heulerei gar nicht richtig mit. Sie unterhalten sich aufgeregt über irgendeine Sache. ,,Das kriegen wir auch wieder hin."

Ich schüttle immer noch unter Tränen meinen Kopf und versuche mich mit meinen Armen von dem Stuhl aufzustemmen. Es gelingt mir wirklich. Ich habe es geschafft, alleine aufzustehen. Shawn springt sozusagen auf und greift sofort nach meinem Arm. Seine Eltern stehen inzwischen ebenfalls auf und starren mich erstaunt von der Seite an. Mein ganzes Gewicht liegt zwar in Shawns Armen, aber ich bin alleine aufgestanden. Das ist ein Anfang. Und wenn ich alleine laufen kann und alle Kontrolltermine mit Gravur bestehe, dann werde ich aus der Klinik entlassen. Doch gerade laufen mir Tränen der Trauer die Wangen hinunter und Tropfen auf mein weißes Oberteil.

,,Willst du denn nicht weiteres essen?" Shawn macht eine Handbewegung zu seinem Vater, während er mir langsam beim Laufen hilft. Oder besser gesagt beim Humpeln. Es hat sich nämlich ergeben, dass meine Bänder im Knöchel entzündet waren. Wäre ich schlau gewesen und wäre früher zum Arzt gegangen, hätte ich vielleicht heute wieder normal laufen können.

Aber wäre ich schlau gewesen, hätte ich Chris vielleicht nie vertraut. Denn irgendwas hat er getan, aber ich weiß nicht, was.

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Tja...😂 Inzwischen habe ich wirklich keine Ahnung mehr, was ich hier hin schreiben soll. 🧐Hoffe euch hat das Kapitel gefallen.☺️

To be continued...❤️

Because I had you [Shawn Mendes FF]Where stories live. Discover now