Kapitel 36

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Brother (Acoustic)- Kodaline

Wir sitzen seit Stunden in diesem Raum und starren auf eine schwarze Wand. All die Toten um mich herum fragen mich ständig, ob ich etwas fühle, aber ich kann nichts fühlen. Meine Augen fallen von dem Beobachten der schwarzen Leinwand fast zu, da sie doch total uninteressant ist. Mir ist sterbenslangweilig. Und das im wörtlichen Sinne.

,,Warum bin ich hier?", frage ich, bevor ich mich zu meiner Familie und den zwei Katzen umdrehe. Meine Granny und mein Vater tauschen kurz Blicke aus, aber sind zu langsam um meinem Großvater zuvor zu kommen.

,,Du stirbst wahrscheinlich gerade.", sagt er sachlich und stopft sich daraufhin einen großen Ballen voll Popcorn in den Mund. Ich habe ihn schon immer gemocht. Er ist ehrlich und das brauche ich. Aber diese Information hätte er ruhig mal ein bisschen netter gestalten können. Meine Oma haut ihm mächtig einen Schlag auf den Oberarm.

,,Wirklich?", frage ich meinen Vater. Dieser schaut bloß gebannt auf die Leinwand und bekommt im Grunde gar nicht mehr mit, was hier im Saal überhaupt geschieht. ,,Dad!" Ich schmeiße eine Hand voll Popcorn in seine Richtung und treffe perfekt. Die Ladung Popcorn fliegt genau in sein Gesicht, woraufhin ich einen schweren Lachanfall ertragen muss. Mein Vater steigt in mein herzliches Lachen mit ein, wird dann aber gespielt ernst. All das hier erinnert mich so sehr an meine Kindheit.

,,Na warte! Das bekommst du zurück!", ruft mein Vater durch den gesamten Saal. Ich springe immer noch lachend auf und hechte durch die Sitzreihen, ohne dass mein Knöchel auch nur einmal umknickt. So etwas hätte ich das letzte Mal vor sehr langer Zeit. Die letzte Zeit bin ich mit kiloschweren Salben irgendwie über die Runden gekommen, aber das brauche ich jetzt nicht mehr. Ich fühle mich federleicht, fast schon unbeschwert.
Ich kreische hemmungslos und wie ein kleines Kind durch den Saal, während ich inzwischen einen Ausweg zwischen den Reihen vor all den toten Menschen in meinem Kinosaal suche. Mein Lachen wird immer lauter und verschlingt die lauter werdenden Geräusche aus meinem Gehirn. Aber dann kippt mein Vater eine Schale Popcorn über mich aus und in dem Moment werden die Geräusche lauter.

In meinem Bauch bewegt sich etwas und rückt sich komisch herum, obwohl ich bloß hier auf der Stelle stehe. Alle halten in ihrer Bewegung inne. Sogar mein verstorbener Großvater dreht sich zu uns um und starrt auf meinem Bauch. Ich folge seinem Blick und erstarre ebenfalls. An dem feinen, weißen T-Shirt bildet sich ein roter Blutfleck, der sich schneller verbreitet, als man denkt. Mir wird plötzlich schwindelig und ich kann nur noch die Umrisse meiner Mitleichen erkennen. Langsam drückt mich mein Vater auf einen der Sitze und massiert meine angespannten Schultern. Er flüstert meiner Großmutter etwas zu, was ich leider nicht hören kann, da die Geräusche wieder lauter werden. Der Schmerz in meinem Magen verstärkt sich konstant, wozu mein Kopf gleich zu Platzen droht. Gefühlte Tage verbringe ich in diesen Zustand, ehe der Schmerz abrupt aufhört. Mein Magen und mein Kopf fühlen sich nun genauso leicht an, wie der Rest meines Körpers.

,,Hat es aufgehört?", fragt mein Großvater involviert. Er ist sogar aufgestanden und mit einem Windzug ein paar Reihen näher gekommen.

,,Ja."

Jetzt schnellt mein Vater zu mir und hält mir eine Hand an die Stirn, als wolle er prüfen, ob ich Fieber habe. Neben meiner Großmutter stehen jetzt auch noch die beiden Katzen um mich herum und schauen mich mit ihren riesigen Glubschaugen an, als würde ich jeden Moment aufspringen können und tanzen. Was denken alle, was jetzt passiert?

,,Was passiert jetzt, Leute?", frage ich in die Runde.

,,Dass deine Schmerzen aufgehört haben, heißt, dass du nicht mehr operiert wirst. Es ist inzwischen deine zweite OP gewesen. Die erste haben wir auf der Leinwand beobachten können, aber die zweite war ein absoluter Notfall. Wie es aussieht hattest du eine Hirnblutung und wurdest im Magen operiert. Das ist nicht gut, Cassie! Aber jetzt müssen wir auf ein Zeichen warten. Wenn du eins empfängst, können wir sicher sein, dass du überleben wirst.", philosophiert mein Vater gekonnt vor all den Toten und mir. Ich starre ihn an. Er war Arzt. Sein Wissen über Medizin ist endlos.

,,Das heißt, ich bin noch nicht tot?"

,,Oh, Süße! Du warst tot, aber diese verdammt guten Ärzte haben dich zum Glück wieder zum Atmen gebracht.", wendet meine Großmutter sich wieder zu Wort.

,,Schatz, erzähl uns, wie all das überhaupt passieren konnte. Es ist nicht normal, dass ein achtzehnjähriges Mädchen so schwere Verletzungen hat und bei uns Toten über einem Monat herum hockt." Er kämpft mit den Tränen, versucht aber sie nicht zu vergießen.

,,Ein ganzer Monat? Ich bin doch gerade erst seit ein paar Stunden hier!", rufe ich entsetzt. Das kann gar nicht sein. Das ist unmöglich.

,,Ja, hier geht die Zeit schneller rum. Und hör gut zu, Honey! Wir würden dich liebend gern, bei uns behalten, aber du hast es verdient zu leben. Du bist stark. Immer wenn ich dich bei deiner Mutter sehe, sehe ich diese verletzte Seite. Betrachte ihre Krankheit als Feind. Du musst zusammen mit ihr dagegen angehen, verstanden? Ich bin stolz auf dich, mein Schatz. Also erzähl deinem alten Herrn genau, was passiert ist.", erklärt mein Vater ruhig, während ich langsam nervös werde.

,,Also. Mein Ex-Freund und ich haben uns im Auto gestritten. Ich wollte Schluss machen, er war so sauer. Er meinte, dass er mich tot sehen will. Dann ist er über die rote Ampel direkt in die Kreuzung gerast und hat uns in den Tod gestürzt. Ja, und jetzt bin ich wohl hier.", erzähle ich bitter.

Gerade als ich aufstehen möchte, um mir einen neuen Korb Popcorn zu holen, berührt etwas meinen Arm. Die Berührung zieht mich wieder zurück auf den Sitz und sorgt mit ihrer Wärme für ein angenehmes Gefühl. Ich weiß nicht, was es ist, aber es bringt mein Herz zum Rasen. Auf der Leinwand erscheint völlig unerwartet ein Bild. Es zeigt, wie Shawn weinend meine Hand zwischen seine nimmt und kleine Küsse darauf haucht. Es könnte genauso gut eine Filmszene sein, die ich hassen würde, wenn ich im Kino sitzen würde. Trotzdem setze ich mich wieder auf meinen Platz und schaue gebannt auf den Bildschirm. Shawn streicht immer wieder über meinen nackten Arm, als wäre er sich sicher, dass ich aufwachen würde, würde er es immer wieder machen.

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What's happening next? 😌What do you guys think?😘😏

To be continued...❤️

Because I had you [Shawn Mendes FF]Where stories live. Discover now