e l e v e n.

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-Freitag, 6. Juli 2018-

Eine Weile sitze ich einfach nur da und horche in die Stille, als eine weitere Person die Terrasse betritt. 

"Emma?" 

Shawn klingt unsicher, als würde er glauben, der Kuss wäre falsch. Gut, vielleicht war er das auch, aber aus meiner Sicht zumindest nicht. 

"Können... können wir reden?", fragt er weiter und ich werfe ihm einen kurzen Blick zu, bevor ich langsam nicke. Er setzt sich zu mir auf die Bank und nimmt meine Hände in seine. Automatisch gucke ich zu ihm und schenke ihm dann einen auffordernden Blick, dass er anfangen soll. 

"Okay, also Emma... ich weiß nicht wirklich, was ich sagen soll." 

Er senkt seinen Blick, was ich ihm kurz gleichtue. 

"Ich weiß, wir kennen uns noch nicht sehr gut, aber ich musste das tun." 

Fragend gucke ich ihn wieder an. 

"Ich musste das tun, um zu wissen, ob meine Gefühle echt sind und ob sie so weit reichen, dass ich sagen kann, mich in dich verliebt zu haben. Ich wollte es herausfinden und da mir die Worte und der Mut dazu gefehlt haben, habe ich versucht, es durch Taten zum Ausdruck zu bringen."

Ich schlucke und schließe meine Augen, um meine Gedanken wenigstens halbwegs ordnen zu können. 

"Ich verstehe, wenn du Zeit brauchst und wenn du möchtest, lasse ich dich morgen einfach nach Ottawa fahren, dann kannst du dir in Ruhe über deine Gedanken klar werden." 

Sofort gucke ich Shawn wieder an, der seinen Blick nun allerdings zum anderen Ende des Gartens gerichtet hat. 

"Nein Shawn, auf keinen Fall! Ich wollte da mit dir hingehen und ich will es auch immer noch, unabhängig davon, wer welche Gefühle für wen hegt. Hör zu, ich mag dich und das vermutlich auch mehr, als es in der kurzen Zeit eigentlich möglich sein könnte, aber wir werden nie wissen, wie genau wir uns dem anderen gegenüber fühlen, wenn wir keine Zeit zusammen verbringen!" 

Langsam wandert Shawns Blick wieder zu mir und als er mir eine Weile in die Augen geguckt hat, murmelt er etwas, was wie "Tut mir leid" klingt, bevor er eine Hand in meinen Nacken legt und mich zu sich zieht, um mich erneut zu küssen. Abermals lasse ich es geschehen, auch wenn ich eigentlich noch nicht weiß, ob ich Shawn genau so mag wie er mich scheinbar. Nach einiger Zeit, keine Ahnung wie lange genau, lösen wir uns wieder und Shawn schluckt. Seine Wangen haben sich leicht rot gefärbt und seine Lippen sind ein wenig angeschwollen, also kann man es nur schwer übersehen, dass er gerade jemanden geküsst hat. Und wenn ich mal annehmen kann, dass ich ähnlich wie er aussehe, lässt sich Eins und Eins schnell zusammenzählen. Shawn räuspert sich. 

"Tut mir leid, aber..." 

"Schon okay", unterbreche ich ihn allerdings schnell und lächle etwas unbeholfen. Insgeheim hat es mir ja irgendwie auch gefallen, aber das beweist noch nicht, ob ich mich in Shawn verliebt habe oder nicht.

Ich bin dann noch einmal nach Hause gegangen, wobei Shawn darauf bestanden hat, mich zu begleiten. Ich wollte eigentlich nur Wechselsachen, mein Trikot holen und Bescheid geben, dass ich bis morgen Abend auch noch weg bin, aber daraus ist dann nichts geworden, weil vor dem Haus ein Polizeiauto steht. Wie angewurzelt bleibe ich stehen und mich beschleicht dieses ungute Gefühl. Shawn ist ebenfalls stehengeblieben und mustert den Wagen, als es im Haus auf einmal laut wird. Wie als hätte mich das aus meiner Starre geweckt gehe ich zur Tür und öffne sie. Mindestens fünf Polizisten stehen in der kleinen Küche und drei von ihnen halten Avery, Ethan und Olivia fest. Werden sie verhaftet?

Da erst bemerke ich das ältere Ehepaar, das etwas weiter abseits dasteht und das Szenario beobachtet. Gerade will ich fragen, was los ist, da geht auf einmal einer der Polizisten auf mich zu und gibt mir die Anweisung, die Hände auf den Rücken zu legen. Als ich ihn nur verwirrt angucke, dreht er mir die Hände gewaltsam nach hinten, weshalb ich schmerzvoll aufzische. 

"Was soll das, ich habe nichts getan!", gebe ich von mir und gucke verzweifelt zur Tür, in der Shawn steht. Ich versuche ihm so unauffällig wie möglich mitzuteilen, dass er verschwinden soll und zum Glück schleicht er wirklich davon.

Ich werde zu den dreien gebracht und mir werden ebenfalls Handschellen angelegt. Das ältere Ehepaar mustert mich, sagt aber nichts. 

"Wieso verhaften Sie uns?", frage ich einen der Polizisten, der mir dann auch endlich antwortet. 

"Wir verhaften sie für Diebstahl, Hausfriedensbruch und Androhung körperlicher Verletzung." 

Dann erhält er über Funk eine Meldung, während ich nacheinander Avery, Ethan und Olivia schockiert angucke. 

"Also schön, wir bringen euch jetzt für das Verhör zum Revier." 

Er packt Olivia und mich ziemlich grob und bringt uns nach draußen zum Wagen, setzt uns hinein und holt dann Olivias Eltern.

Auf dem Revier tippe ich nervös mit dem Fuß auf dem Boden herum, was Ethan scheinbar unruhig macht. Dann werde ich schließlich in den Verhörraum gebracht und mir werden die Handschellen abgenommen. 

"Also Ms. Hughes, wie ich sehe sind sie kein Familienmitglied der Smiths." 

Ich schüttle leicht den Kopf. 

"Sie sind hier zu Besuch?" 

Ich nicke, bevor ich etwas ergänze. 

"Ich mache ein Auslandsjahr hier in Kanada. Eigentlich komme ich aus Deutschland." 

Der Mann nickt und notiert sich etwas. 

"Gut Ms. Hughes, Sie sind nicht wegen den Straftaten hier. Weder Mr., noch Mrs. Anderson haben Sie für einen der Diebstähle verantwortlich gemacht und das mit dem Auslandsjahr prüfen wir jetzt. Ich habe allerdings eine Frage: Wenn Sie wussten, dass ihre Gastfamilie klaut, wieso haben Sie die Familie dann nicht gewechselt?" 

Ich seufze leicht. 

"Ich hatte Mitleid mit ihnen. Sie sehen schon keinen anderen Ausweg mehr als zu stehlen und da sie Geld dafür bekommen, mich aufzunehmen, wollte ich ihnen das nicht wieder streichen, nur weil ich die Familie wechsle." 

Der Mann nickt abermals, als ein weiterer Mann in den Raum kommt und dem Mann, der mich verhört, eine dünne Mappe reicht. 

"Also gut, Sie haben keine Vorstrafen und das mit dem Auslandsjahr stimmt ebenfalls. Haben Sie denn jemanden, der Sie aufnehmen würde, bis eine neue Familie gefunden wurde?" 

Zögerlich nicke ich, woraufhin der Mann aufsteht. 

"In Ordnung. Sie können gehen, Ms." 

Kurz gucke ich den Mann überrascht an, bevor ich schnell aufstehe, mich bedanke und gehe, bevor er es sich doch wieder anders überlegt.

ᴛᴏʀᴏɴᴛᴏ ʟᴏᴠᴇ || sᴍDonde viven las historias. Descúbrelo ahora