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-Freitag, 29. Juni 2018-

"Liebe Fluggäste, stellen Sie Ihre Sitze nun in eine aufrechte Position, klappen Sie ihre Tische hoch und schnallen Sie sich an; wir beginnen mit dem Landeanflug.

Diese Ansage klingt momentan wie Musik in meinen Ohren, denn so langsam bin ich es echt leid, hier rumzusitzen und außerdem würde ich gerne endlich mal meine Gastfamilie kennenlernen!
Die Landung ging zum Glück relativ schnell vorüber und auch wenn sich momentan alles etwas dumpf in meinen Ohren anhört, freue ich mich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich versuche es mit einem Druckausgleich und gleich darauf hört sich alles schon viel besser an. Nun noch ein wenig glücklicher mache ich mich auf den Weg zu der Gepäckausgabe und warte auf meinen Koffer, der eigentlich schon viel zu groß für mich ist. Als ich es irgendwie geschafft habe, meinen Koffer ohne Knochenbrüche vom Band zu hieven, atme ich tief durch. 

Dann gehe ich gemeinsam mit den restlichen Fluggästen zur Empfangshalle des Flughafens, um nach meiner Familie für das nächste Jahr zu schauen. Allerdings ist es hier so brechend voll, dass man niemanden finden würde. Frustriert puste ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor ich einen weiteren Blick über die Menge schweifen lasse. Täusche ich mich oder hält da vorne tatsächlich jemand ein Pappschild mit meinem Namen hoch? Eine Weile starre ich angestrengt auf das Schild, bevor ich mir sicher bin, dass wirklich ich damit gemeint bin und mich dann auf den Weg dorthin mache. 

"Emma Hughes?", fragt der Mann und ich nicke, während ich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr streiche. 

"Willkommen in Kanada!", begrüßt mich nun auch die Frau und das Mädchen lächelt mich freundlich an. 

"Ich bin Avery, das ist mein Mann Ethan und das hier ist unsere Tochter Olivia." 

"Hi, ich bin Emma", stelle ich mich noch einmal leicht lachend vor, weshalb die drei mit einsteigen. Wenn sie tatsächlich so freundlich und humorvoll sind, wird dieses Jahr schneller vorbeigehen, als geplant!

Wir verlassen das Gebäude zu viert, aber steuern dann auf eines der Taxis zu, die hier vor dem Eingang parken. Überrascht ziehe ich eine Augenbraue nach oben, woraufhin Avery sofort zu einer Erklärung ansetzt. 

"Wir haben kein Auto. Ethan arbeitet von Zuhause aus, die Schule ist einfach zu Fuß zu erreichen und ich bin als Hausfrau tätig, von daher haben wir kein Nutzen in einem Auto gesehen." 

"Ist schon okay, ich frage mich nur, ob mein Koffer überhaupt in den Kofferraum passt!" 

"Ach, das bekommen wir schon hin", meint Ethan dann und krempelt seine Ärmel nach oben. Tatsächlich hat der Koffer gepasst, wenn auch nur gerade so und jetzt wahrscheinlich mit einigen Kratzern. Auch, dass wir uns zu viert auf die Rückbank quetschen mussten, war mehr als knapp, aber ich frage mich dennoch, warum der Fahrer nicht wollte, dass sich einer von uns neben ihn auf den Beifahrersitz setzt, aber okay. Die Fahrt dauerte auch nicht allzu lange, sodass es noch auszuhalten war, mit drei mir noch komplett fremden Personen auf der Rückbank eines Autos zu sitzen. 

Als wir dann aussteigen konnten und auch meinen Koffer in einem Stück auf dem Kofferraum gehievt haben, bezahlt Ethan und führt mich dann in das kleine Haus. Von außen macht es nicht viel her, aber drinnen kann ja alles besser aussehen, nicht? Leider nur ist auch innen nicht allzu Besonderes, aber vielleicht ist es auch nicht schlimm, zu lernen, mit dem zu leben, was man braucht und mehr nicht. Ich werde mir dieses Jahr sicher nicht vermiesen lassen, weil es mir gut tun soll, mal von zuhause wegzukommen. 

"Komm, ich zeig die dein Zimmer", sagt Olivia und winkt mich hinter sich her. Ich nicke und folge ihr durch das einstöckige Haus. Eigentlich schon ein Wunder, dass ich ein eigenes Zimmer bekomme...

"Hier, tut mir leid, dass es nicht unbedingt modern ist, aber wir haben nicht allzu viel Geld." 

Ich winke ab und betrete den Raum. Es ist sehr schlicht gehalten, mit einem Bett, einem kleinen Schreibtisch aus Holz und einer Kommode für meine Kleidung. Olivia lässt mich alleine, damit ich mich einrichten kann. Allerdings lege ich mich zuerst in mein neues Bett. Es ist erstaunlich weich, also ist nicht alles so schlecht. Jetzt verstehe ich auch, wieso die Familie vorherigen persönlichen Kontakt vermieden hat und irgendwie tun sie mir leid, sehr sogar.

Schließlich fange ich doch an, die ersten Klamotten aus meinem Koffer in die Kommode zu räumen, bevor ich mein Handy hervorhole und Lynn, Lia und meinen Eltern eine Nachricht schicke, dass ich heil angekommen bin. Dann klopft schon jemand an der Tür und ehe ich etwas hätte sagen können, öffnet die Person die Tür. 

"Hey, sorry falls ich störe, aber wenn du nichts dagegen hast... wir könnten etwas zusammen spielen, so zum Kennenlernen." 

Ich lächle Olivia an und deute auf das Bett, das von nun an für den Rest des Jahres meins sein wird. Sie holt einen Karton hervor und schnell kann ich erkennen, dass es eine etwas ältere Version von ‚Mensch ärgere dich nicht' ist. Lächelnd setze ich mich zu ihr und helfe, das Spiel vorzubereiten. Als ich dann anfange, zu würfeln, guckt Olivia mich fragend an. 

"Kann ich dich ein paar Sachen fragen?" 

Ich nicke, während ich die Würfel werfe und gucke, ob eine Sechs dabei ist. 

"Wie alt bist du und wann hast du Geburtstag?" 

Ich setze die erste Figur aufs Feld und würfle erneut, bevor ich ihr antworte. 

"Ich bin 16 Jahre alt und habe am 1. Januar Geburtstag." 

Sie guckt mich überrascht an, doch ich gehe nicht weiter darauf ein. Fast jeder findet es entweder cool oder anstrengend, dass ich an Neujahr geboren worden bin. Die einen finden es cool, weil ich jedes Jahr in meinen Geburtstag reinfeiere und quasi die ganze Welt mit mir feiert, die anderen würden es anstrengend oder komisch finden, an Neujahr geboren worden zu sein, weil jeder dann das neue Jahr und nicht den Geburtstag feiert. Mich persönlich hat das nie interessiert, ich fand es immer lustig, mit meinen Freunden gemeinsam in das neue Jahr und eben auch meinen Geburtstag reinzufeiern. Olivia stellt mir noch einige weitere Fragen, während wir zusammen spielen und schlussendlich gewinne ich sogar, wenn auch nur knapp.

ᴛᴏʀᴏɴᴛᴏ ʟᴏᴠᴇ || sᴍWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu