Epilog

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Das Erste, was ich spürte, war die Kälte, die mich umfing und noch immer in meinen Gliedern steckte. Kalte, gefährliche Magie. Was auch immer Sam – nein, Kian – für einen scharzmagischen Fluch angewandt hatte, ich war dem ganzen vollkommen hilflos ausgeliefert gewesen.

Ich spürte, dass ich auf etwas Weichem lag – ein Sofa oder Bett –aber es gab keine Decke, die mir ein bisschen mehr Wärme bieten konnte als die leichten Sachen, die ich trug. Meine Glieder fühlten sich schwer und erschöpft an, denn sie wurden noch immer von der schwarzen Magie gefangen gehalten.

Mühsam zwang ich meine Augen dazu, sich zu öffnen. Ich blinzelte gegen das helle Tageslicht, das von Fenstern zu kommen schien. Der Geruch nach altem Gemäuer, Stein und Holz erfüllte den Raum. Aber es roch weder muffig noch nass. Gepflegt.

Langsam klärte sich mein Blick und ich nahm den Raum war, in dem ich mich befand. Er hatte eine hohe Decke, holzvertäfelte Wände, Dielenfußboden und zwei große Bogenfenster, durch die helles Tageslicht hereinflutete. Ich lag auf einem Sofa – in der Nähe befand sich ein Tisch, mehrere Stühle – und auf einem dieser Stühle, die Beine übereinandergeschlagen, mich genauestens beobachtend, saß Kian.

Ruckartig wurde mir klar, was passiert war. Scheiße, scheiße, scheiße, dachte ich mir. Ich setzte mich schnellstmöglich auf und das Leben kehrte in meine Beine und Arme zurück.

„Na, Dornröschen, aufgewacht?", fragte er mich mit einem amüsierten Grinsen. „Dachte schon, dein Schönheitsschlaf hält ewig an."

Panisch blickte ich mich um. Der Raum war mir vollkommen fremd. Das konnte nur eines bedeuten-...

„Wo bin ich hier?", zischte ich.

„Auf Tourmont, natürlich", sagte Kian und wies mit einer ausladenden Geste um sich. „Herzlich Willkommen, obwohl du das sicherlich nicht hören willst." Er schmunzelte, als er mein entsetztes Gesicht sah.

„Dein „Herzlich Willkommen" kannst du dir sonst wohin stecken", fauchte ich zurück und wollte nach meiner Magie greifen – bis ich feststellte, dass sie fehlte. Panisch versuchte ich, mich mit ihr zu verbinden, aber sie war von meinem Geist weggeschlossen. Nur ein paar Mal hatte ich bisher dieses beängstigende Gefühl verspürt, und mit dunkler Ahnung blickte ich auf meine Handgelenke.

Silberne Ringe lagen an ihnen. Adamas.

Verflucht.

Hastig versuchte ich, sie abzustreifen, doch sie saßen zu fest. Fieberhaft suchte ich mit meinen Fingern nach einem Verschluss, aber es gab keinen.

Kian beobachtete mich immer noch amüsiert. „Versuch es erst gar nicht, den Schlüssel zu denen hab nur ich", sagte er und allergrößte Genugtuung schwang in seiner Stimme mit.

Scheiße. Jetzt wurde mir erst richtig klar, in was für einer Patsche ich saß. Ich hatte keinen Zugriff auf meine Magie – der Schlüssel dazu befand sich in den Händen – oder besser gesagt im Kopf – von Kian Alexander. Ich war auf der Festung der Schwarzen Magier gefangen, auf jener Festung, von der bisher die wenigsten entkommen konnten.

„Also war das die ganze Zeit dein Plan?", fragte ich mit bitterer Stimme. Ich gab es auf, die metallenen Ringe von meinen Handgelenken schieben zu wollen. „Die Schwerter zusammenbringen und mich gefangen nehmen?"

Was mich wohl hier erwarten würde? Nichts Gutes. Ich musste schleunigst von hier verschwinden.

„Du bist keine Gefangene, liebe Jane, nicht doch. Nur ein Gast. Solange, bis du die Aufgabe erfüllt hast, wegen der du hier bist. Was danach passiert – nun, das wird jemand anderes entscheiden."

Jedes Wort, was er sprach, gefiel mir immer weniger. „Welche Aufgabe?", fragte ich mit heftig klopfendem Herzen.

Doch Kian schien allergrößten Gefallen daran gefunden zu haben, mich im Dunkeln zu lassen. „Das wirst du schon noch herausfinden."

Ich sprang auf – obwohl ich meine Magie nicht benutzen konnte, verspürte ich merkwürdigerweise keine Angst vor ihm. Vielleicht war meine Wut, meine Enttäuschung, mein Schmerz über seinen Verrat einfach zu groß.

„Ich werde überhaupt gar nichts für ... Euch tun", spuckte ich aus und ballte die Hände zu Fäusten. „Egal was für eine Aufgabe das sein mag."

„Oh, ich fürchte, du hast gar keine andere Wahl", sagte Kian vergnügt.

In dem Moment öffnete sich die Tür und ich stöhnte innerlich auf, als ich sah, wer noch eintrat. Nicht der, sagte ich mir und leise Angst beschlich mich, als ich in das grobe Gesicht von Reynolds blickte. Ich konnte mich an den Reynolds in Manchester erinnern. An den aus Elyas Erinnerungen. Ein Sadist, hatte James gesagt. Jemand, an dessen Händen mehr Blut klebte als an denen aller anderen zusammen. Paul Reynolds lächelte ein böses Lächeln, als er sah, dass ich bereits auf den Beinen stand.

„Gut, sie ist wach", sagte er zu Kian, und sprach mit ihm, als kannten sie sich schon sehr lange. „Hat ja lange genug gedauert. Du hättest nicht so viel schwarze Magie verwenden sollen."

Kian verdrehte die Augen. „Ich sagte dir doch bereits, dass ich keine große Zeit hatte, den Fluch vorzubereiten! Ihre kleinen Freunde waren schon längst in der Bibliothek."

„Trotzdem", sagte Reynolds. „Außerdem hättet ihr gut daran getan, die kleine Morgan mitzunehmen. Wir könnten ein Druckmittel für sie hier  gebrauchen."

Elli ist in Sicherheit, dachte ich, unheimlich erleichtert. Oder nicht? Hatte er sie am Ende getötet?

Kian stand auf. Reynolds war massig und bullig, aber der junge Alexander überragte ihn ein bisschen und hielt sich aufrechter, eleganter. „Ich hatte alle Mühe, Jane und mich ungesehen vom Schulgelände zu schmuggeln", sagte er leise. „Wir können von Glück reden, dass es mir gelungen ist. Also fang nicht an, meinen Erfolg kleinzureden, Paul. Du weißt selbst, wie schwer es war, an sie heranzukommen."

Für einen Moment dachte ich, dass Paul irgendetwas erwidern würde, aber er selbst schien es sich anders zu überlegen. Aus gutem Grund. Obwohl wesentlich jünger als er, strahlte Kian eine ganz andere Autorität aus.

„Mach dich bereit", wies er Kian nur knapp an. Dann sah er zu mir und lächelte voller grimmiger Vorfreude.
„Wir haben viel zu tun."

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So, meine Lieben,  eine kleine Entschädigung für den Cliffhanger. Was haltet ihr von der kleinen Szene? Da scheint sich doch einiges anzubahnen,  nicht wahr?


Magie - Wolf's EyesWhere stories live. Discover now