Kapitel 73: Familientreffen-Part 1

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„Was hast du nur mit dem armen James gemacht?", murmelte Ash mir am Sonntag ins Ohr. Wir standen am Hafen von Alenta, bereit, nach London zureisen und meine Familie zu besuchen. Ein ziemlich kalter und starker Wind pfiff von Westen her und wehte mir meine Haare immer wieder ins Gesicht. Mittlerweile mussten sie aussehen, als hätte ein Vogel darin genistet. Ash hatte das Problem mit ihren kurzen Haaren nicht.


Ich wusste, was sie meinte, und warf einen Blick zu James. Der hatte seine griesgrämige Miene seit Tagen nicht abgelegt und ich glaubte auch nicht, dass er es in London bei meiner Familie schaffen könnte.

Ich grinste und zuckte mit den Achseln. Ashs Augen begannen, schelmisch zu funkeln, und sie flüsterte mir zu: „Zu lange von seiner Fay getrennt, hm?"

Ich kicherte, unterbrach mich aber sofort, als James trocken sagte: „Wisst ihr... ich kann euch hören."

Ash schien das nicht zu stören. Sie warf James ein neckendes Lächeln zu.

Der wandte sich ab. „Gehen wir jetzt oder nicht?"

Ich grinste amüsiert. „Definitiv zu lange von ihr getrennt", stimmte ich Ash zu und wir lachten beide in uns hinein.

„Und nein, in den letzten Sekunden bin ich nicht taub geworden", erklang seine genervte Stimme.

Ash konnte selbst die Gesellschaft von James lustig gestalten. Vielleicht sollte ich sie mal zu unseren Profilstunden einladen.

Wir beide folgten, immer noch in uns hineingrinsend, dem verärgerten James zur Portalhalle und stellten uns in die verhältnismäßig kurze Schlange zum Portal nach London. Es herrschte geschäftiger Trubel - kein Wunder für einen Sonntag, an dem viele Magier die Gelegenheit wahrnahmen, um Verwandte und Bekannte, die auf der ganzen Welt verstreut lebten, zu besuchen. Es gab viele, weit verstreute kleine Magierdörfer und auch kleinere und größere Anwesen, die einfach mitten in der Nichtmagierwelt vor aller Augen verborgen lagen.

Mir fielen die Blicke auf, die in unsere Richtung geworfen wurden. Nicht wegen mir, sondern wegen James. Einige Magier blieben wie erstarrt stehen, um erstaunt in James' Gesicht zu blicken. Dann schlich sich der Respekt und die Neugierde in ihre Augen. Ein Verhalten, welches die Menschen meist in Felicies Nähe an den Tag legten, aber wiederholt wurde ich schlagartig daran erinnert, dass es James gewesen war, der – angeblich –Lucien Alexander besiegt hatte. Auch wenn Felicie natürlich die Hälfte der Arbeit leistete, als sie Asramon besiegte. Dieser ignorierte die Blicke und Finger, die auf ihn zeigten,geflissentlich, was mir zeigte, dass er es schon längst gewohnt war.

Die Kontrolleure, die jeden Magier, der in die Nichtmagierwelt wollte,akribisch nach magischen Gegenständen durchsuchten, warfen James nur einen scheuen Blick zu und ließen uns ohne irgendwelche Kontrollen durch das Portal schreiten.

Praktisch, dachte ich mir, wenn ich etwas für meine Familie nach draußen schmuggeln will, muss ich nur in Begleitung von James Callahan nach London gehen.

„Denk nicht mal dran", murmelte James, der diesen Gedanken natürlich aufgeschnappt hatte. Ich warf ihm ein Grinsen zu und einer seiner Mundwinkel zuckte. „Warum denn nicht?", fragte ich und klimperte unschuldig mit den Wimpern.

Er verdrehte nur die Augen und schob mich weiter.

~~~

„Ich kann nie wirklich begreifen, wie die Nichtmagier ohne Magie auskommen", sagte Ash leichthin und erntete sich einige verwunderte Blicke von den Passanten vor der U-Bahn-Station Hyde-Park Corner.

„Still jetzt!", zischte James und sah sich mit gerunzelter Stirn um. „Wenn das die falschen Leute hören, Hunter, dann haben wir ein Problem. Wir müssen so schnell wie möglich zu Janes Elternhaus, dort sind wir geschützt. Und denkt daran - keinen Funken Magie. Sonst sind wir geliefert, ich habe den Verdacht, dass die Schwarze Hand London rund um die Uhr beobachtet."

Magie - Wolf's EyesWhere stories live. Discover now