Kapitel 8: Alenta

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„Nein, oder?", fragte ich und konnte mein Entsetzen nicht verbergen. Ich würde alles vergessen, einfach so? Ashley nickte bedauernd. „Etwas anderes bleibt uns nicht übrig; außerdem wäre es das Beste für dich. Stell dir vor, wie sehr dich das Wissen um deine Entscheidung quälen könnte, wenn du für den Rest deines Lebens an die magische Welt zurückdenken würdest. Ich finde, dann ist es besser, wenn man sich gar nicht erst daran erinnert, diese Entscheidung je getroffen zu haben."

Irgendwie störte mich dieser Fakt mehr als alles andere. Ich würde das hier einfach so vergessen? Vergessen, dass es eine verborgene Welt gab? Dass Magie existierte?

Das wollte ich nicht.

„Ich glaube nicht, dass ich ablehnen könnte", murmelte ich. Auch wenn ich von allem nicht einmal einen Bruchteil verstand oder kannte - die Welt der Magie hatte mich in ihren Bann gezogen.

„Das ist keine Entscheidung, die man leichtfertig fällen sollte", sagte Ash mit weicher Stimme. „Lass dir lieber bis zum Ende der zwei Wochen Zeit. Ich werde versuchen, dir so viel wie möglich von unserer Welt zu zeigen – auch die schlechten Seiten. Du musst wissen, worauf du dich einlässt. Du wärst zum Beispiel verpflichtet, abseits deiner Familie zu leben."

„Aber ich darf sie sehen, oder?", fragte ich. Nichts wäre schlimmer, als wenn ich meine Familie nicht mehr treffen könnte.

Ash lächelte. „Natürlich darfst du sie sehen. Deine Familie wird von deiner Magie erfahren, sobald du deine Entscheidung getroffen hast. Aber du müsstest unter Magiern leben. Keinem Magier ist es erlaubt, in der Welt der Nichtmagier zu leben, und du musst dich ebenso an diese Regel halten wie alle anderen."

Mir fiel etwas von dem ein, was sie gestern Abend gesagt hatte, und ich runzelte die Stirn. „Aber du sagtest, dass du gestern Freunde besucht hast, die abseits von Alenta in London leben", entgegnete ich.

Ash lächelte. „Gut aufgepasst - allerdings sind diese Freunde keine Magier. Sie sind als Kinder von Magiern aufgewachsen, aber haben sich entschlossen, ihre Kräfte blockieren zu lassen."

„Aber warum würde irgendjemand das tun wollen?"

„Das ist eine Geschichte für ein anderes Mal." Ash stand auf. „Also, wenn du Lust hast, dann gebe ich dir eine ausführliche Stadtführung. Auf dem Weg haben wir noch mehr Zeit für Fragen."

Und so machten wir uns eine halbe Stunde später auf den Weg. Ich trug dieselben Sachen, die ich auch bei Will angehabt hatte. Es war ziemlich frisch, aber die Sonne war bereits sehr warm und ich genoss es, neben Ash durch die Stadt zu laufen und sie bei Tageslicht zu sehen. Die Häuser, so fiel mir auf, waren alle höchstens fünf Stockwerke hoch und die allermeisten waren Einfamilienhäuser. Und wirklich überall gab es Gärten; Gebüsche wuchsen an den Straßen und kleine Parks säumten die Kreuzungen. Die Straßen waren zum Teil alt und uneben und kaum vier Meter breit, aber es gab ja auch keine Autos, die auf ihnen fahren mussten. Die Stadt war auch nicht wahnsinnig groß, sodass alles gut zu Fuß erreichbar war. Ash erklärte mir, dass viele magische Familien außerhalb der Stadt noch kleinere oder größere Anwesen besaßen, auf denen sie sich bevorzugt aufhielten.

Tagsüber waren auch deutlich mehr andere Magier unterwegs und wir beide fielen in der Menge gar nicht auf. Einige von ihnen winkten oder lächelten Ash zu, also schienen sie sie zu kennen.

Der Stadtkern, das wurde mir bald klar, konzentrierte sich um den Hafen herum. Dort angekommen. holte ich mir als erstes Geld von dem einzigen funktionierenden Bankautomaten der Stadt. Er wurde offenbar mit Magie betrieben, ansonsten würde er ja nicht funktionieren.

Alle wichtigen öffentlichen Gebäude standen in unmittelbarer Nähe des Hafens, wie das Ratsgebäude, welches ich schon gestern gesehen hatte. Auf einer Straße gab es diverse Möglichkeiten zum Einkaufen. Dort zog Ash mich auch als erstes hin und ich ging mit großen Augen durch sämtliche Läden, die sie mir zeigte. Es gab ganz gewöhnliche Geschäfte wie etwa ein großer Buchhandel, aber auch solche wie Bogdanskis Moden. Ashley führte mich auch gleich zielstrebig darauf zu. Und als ich den Laden betrat, war mein erster Gedanke, wie hellauf begeistert Jessie sein würde, wenn sie sehen könnte, was ich sah. Offenbar war Mode unter Magiern nicht nur Mode - sämtliche Kleidungsstücke waren mit Zaubern besetzt, die die unterschiedlichsten Zwecke erfüllten. BH's, die schöne Kurven machten; Unterwäsche für eine schlanke Figur; Kleider, die je nach Stimmung oder Wetterlage ihre Farbe wechselten und Sportschuhe, die federleicht waren und dem Träger Schnelligkeit verliehen. Begeistert durchkämmte ich mit Ash das Geschäft. Ich war keines der Mädchen, die gerne shoppen gingen, aber hier konnte ich nicht anders, ich musste die farbverändernden T-Shirts und die Hosen, die lange Beine machten, unbedingt anprobieren. Und als ich das Geschäft verließ, trug ich einen großen Beutel voller neuer Sachen und mein Geldbeutel war um einige Scheine erleichtert. 

Magie - Wolf's EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt