Kapitel 7: Erklärungen

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Als ich am nächsten Morgen erwachte, brauchte ich ein paar Sekunden, um zu realisieren, wo ich war und wie ich hierhergekommen war. Ich war in Ashley Hunters Haus. In einer magischen Stadt. Auf einer magischen Insel.

Ich selbst war eine Magierin.

Bisher war so viel passiert, dass es mir noch nicht ganz klargeworden war, aber nun hatte ich das Gefühl, dass mein Gehirn endlich den Berg an Ereignissen des letzten Abends aufbereitet hatte und sich jetzt diesem Fakt zuwandte. Ich war eine Magierin. Ich hatte es gespürt; ich hatte die immense Energie gespürt, die durch meine Adern pulsierte.

Aber was hieß das eigentlich? Was erwartete mich in dieser Welt?

Der Gedanke, dass ich Magierin sein sollte, erfüllte mich mit einer merkwürdigen Vorfreude, aber auch Unsicherheit. Ich kann diese Welt nicht. Ich kannte diese Leute nicht und auch Ashley hatte mir nicht viel über sich erzählt.

Das musste ich schnell ändern. Bei Ashley hatte aber ich ein gutes Gefühl. Sie hatte gestern alles darangesetzt, mich zu beschützen. Und sie war ziemlich nett, wenn sie nicht gerade Krähen auf böse Männer hetzte. Ich war mir nämlich ziemlich sicher, dass die Krähe gestern von ihr dazu angestiftet worden war. Oder der Vogel war ein wildgewordenes Biest mit Selbstmordgedanken gewesen.

Ich stand auf und trat an das Fenster. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es kurz vor acht war, und die Sonne war gerade über der Stadt aufgegangen.

Für einen Moment blieb mir die Luft weg. Der Anblick, der sich mir bot, war atemberaubend. Ich schaute genau nach Osten über die Häuser, die sich an dem Hügel emporschlängelten. In der Ferne glitzerte das stürmische Meer. Die Wellen wurden von vielen kleineren Felsen gebrochen, die vor der Insel lagen. Zu meiner Rechten im Norden erstreckten sich mehrere hohe Berge. Ihre Gipfel ragten kahl in die Höhe, also hatten sie bestimmt gut 2000 Meter Höhe.

Vor meinem Fenster in Ashleys Garten stand der Baum mit den goldenen Blättern, die in der Morgensonne prächtig glitzerten. Ein kleiner, spatzenähnlicher grüner Vogel ließ sich auf einem Ast neben meinem Fenster nieder und legte den Kopf schräg, als er mich anschaute. Seine Augen leuchteten intelligent, und ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass das definitiv kein gewöhnlicher Vogel war.

„Mach lieber das Fenster zu, bevor seine Freunde angeflattert kommen." Ich drehte mich um. Ashley stand in der Tür und bedachte dem grünen Vogel mit einem wachsamen Blick. „Heimtückische Biester, diese Grünflügel. Sie haben ein Faible für alles Wertvolle. Sollte er etwas bei dir entdecken, dann bringt er seine Verwandten und sie rauben dich aus."

„Wirklich?" Vorsichtshalber schloss ich das Fenster. „Könnt ihr nichts mit Magie dagegen tun?"

Ashley lächelte. „Die sind gegen Magie immun. Viele magische Tierwesen sind das, außer diejenigen, die selber bewusst Magie wirken können. Unsere Art der Magie ist gegen sie wirkungslos. Du solltest, falls du es mit Grünflügeln zu tun hast, lieber vorsichtig sein. Verletzt man einen von ihnen, rächen sich seine Freunde an dir. Das und ihre Vorliebe für wertvolle Gegenstände macht sie zu eher unbeliebten Zeitgenossen. Ich komme mit ihnen allerdings gut klar. Naturmagiern gegenüber sind sie eigentlich recht freundlich."

„Naturmagier?", fragte ich.

„Das ist mein Talent. Ich kann gut mit Lebewesen umgehen."

Das Bild des großen schwarzen Vogels erschien vor meinem Auge. „Also hast du die Krähe auf Blake gehetzt", sagte ich triumphierend.

Sie nickte und grinste. „Damit hatte er nicht gerechnet. Er hat noch nie auf seinen Rücken geachtet – seine große Schwäche, zusammen mit der Tatsache, dass er mich maßlos unter-schätzt hat. Aber Vögel sind eh mein Spezialgebiet. Mit Pflanzen komme ich auch gut klar, aber nicht so gut wie mit Tieren. Menschen hingegen – das überlasse ich lieber anderen."

Magie - Wolf's EyesOnde histórias criam vida. Descubra agora