Kapitel 3: Magie

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Verdammt, dachte ich nur und verkrampfte mich. Es war derselbe Schmerz wie schon die beiden letzten Male; aber doch war er anders. Er ging von meiner Magengegend aus und breitete sich in meinem gesamten Körper aus. So etwas hatte ich noch nie gespürt. Mir lief es heiß und kalt den Rücken hinunter, das Atmen fiel mir plötzlich unendlich schwer. Ich sah mich um, aber alle hatten sich von mir abgewendet oder tanzten. Irgendwo konnte ich kurz einen Blick auf Jessies schwarze Locken erhaschen.

Ich musste an die frische Luft. Schnell bahnte ich mir einen Weg durch die Menge, bis ich die Glastür erreichte, die in den großzügigen Garten führte. Auf der Terrasse standen ein paar Jungs und rauchten, aber sie bemerkten mich kaum, als ich an ihnen vorbeihastete. Kleine Gartenlaternen tauchten die Büsche und Wiesen in ein gespenstisches Licht. Ich wusste nicht, wie weit ich lief, bis ich mich auf eine Bank zwischen zwei richtig alten Eichen sinken ließ.

„Shit", murmelte ich und beugte mich vornüber. Meine Hände zitterten. Meine Arme zitterten. Mein gesamter Körper zitterte und eine Schmerzwelle nach der anderen fuhr durch meine Adern. Es war kühl, aber trotzdem bedeckte ein dünner Schweißfilm meinte Haut. Ich saß einfach nur da und versuchte, wieder Herr über meinen Körper zu werden, der offenbar beschlossen hatte, verrückt zu spielen.

„Jane." Ich zuckte zusammen und sah auf. Mitten auf der Wiese vor mir stand Blake. Ich hatte ihn gar nicht kommen sehen, geschweige denn gehört. Sein Gesicht lag im Schatten der nahen Bäume, sodass ich ihn als erstes nicht erkannte. Musste er mir einen solchen Schrecken einjagen?

„Bitte, lass mich in Ruhe", murmelte ich und keuchte auf, als erneut Schmerz durch meinen Körper schoss. Das war wirklich das Allerletzte, was ich wollte – dass jemand wie er mich so sah.

Blake fluchte, und dann sprang er mit ein paar Schritten zu mir, sodass ich erschrocken ein wenig von ihm wegrutschte. Mit einer solchen Reaktion hatte ich nicht gerechnet.

„Dafür hättest du dir wirklich einen besseren Zeitpunkt aussuchen können", murrte er und klang irgendwie ... böse auf mich. Hatte er das ernsthaft gerade gesagt?

„Wie bitte?" Trotz allem, was gerade passierte, starrte ich ihn entgeistert an.

Doch er ignorierte mich und setzte sich neben mich auf die Bank. Ich wollte abrücken, aber dann schrie ich auf, als wieder Schmerz durch meinen Körper schoss.

„Beruhige dich", sagte er. „Du musst dich entspannen." Im Gegensatz zu mir schien Blake an dieser Situation überhaupt nichts merkwürdig zu finden.

„Ja?", presste ich hervor und krümmte mich zusammen. „Toller Ratschlag. Solltest du nicht ... lieber einen Arzt rufen... anstatt altkluge ... Kommentare von dir zu geben?" Langsam fragte ich mich, warum mir die Idee nicht gekommen war –  gerade eben war es aber auch noch nicht so schlimm gewesen, und ich hatte nicht im Mindesten daran gedacht, wegen ein wenig Bauchschmerzen nach Hause zu gehen.

„Der kann dir nicht helfen." Blake klang ruhig und bestimmt.

Ich ersparte mir eine Antwort, denn mir entwich ein Wimmern, als der Schmerz noch schlimmer wurde.

„Du musst mir vertrauen. Du musst dich entspannen. Je mehr du verkrampfst, desto gefährlicher wird es!" Irgendwas in seiner Stimme schien mir zu sagen, dass es stimmte, und ich kam seinem Wunsch nach; nun ja, ich versuchte es, so gut es möglich war. Sich zu entspannen, während einem alles weh tat, war keine einfache Angelegenheit, aber irgendwie... funktionierte es. Und er hatte recht. Der Schmerz ebbte ab.

Und machte mehr und mehr etwas Anderem Platz.

Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in meinem Körper aus. Ein leichtes Kribbeln, welches immer mehr zu einem starken Gefühl der... Kraft heranwuchs. Energie, die mit jedem Schlag meines Herzens durch meine Adern gepumpt wurde. Diese Energie durchströmte nach ein paar Herzschlägen meinen gesamten Körper bis zu den Zehenspitzen, beruhigte mich, ließ meine Angst verschwinden, bis ich nur noch eine Art ruhiges Erstaunen empfand.

Magie - Wolf's EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt