Kapitel 39: Der Weihnachtsball - Part 1

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Jedes dieser Kleider war einzigartig und ein kleines Kunstwerk. Manche glitzerten in den schönsten Farben, bei anderen schien der Stoff von innen heraus zu leuchten. Ich sah eins, auf dessen Stoff naturnahe Wellen zu sehen waren, die sich bewegten, sobald der Stoff in Bewegung geriet. Es sah fast aus, als wäre der Stoff das dunkle Wasser eines ruhigen Sees. Unter den wachsamen Augen einer Verkäuferin gingen wir staunend durch die Reihen. „Okay", sagte Alice. „Ich muss zugeben - das ist richtig cool. Hey, Rose, das hier wäre das perfekte Kleid für dich." Sie zeigte auf ein elfenhaftes Kleid in einem blassen Gelb und einem zarten Blütenmuster. Rose ging interessiert hinüber und sah es sich an. Sie trug bereits zwei Kleider über dem Arm, die sie unbedingt anziehen wollte. Ich hingegen saß in meinem üblichen Dilemma fest: ich hatte keine Ahnung, wo ich anfangen sollte.

„Soll ich dir helfen, Kindchen?", fragte mich eine Stimme von hinten plötzlich und ich fuhr herum. Vor mir stand eine ältere, hochgewachsene und anmutig schlanke Dame, die mich freundlich aus ihren braunen Augen ansah.

„Ähm", sagte ich geistreich, „Ja, sehr... gern. Ich suche ein Kleid für den Weihnachtsball, Mrs. -"

„Laurent", sagte sie lächelnd und warf einen Blick zu meinen Freundinnen. „Die beiden brauchen keine Hilfe, sie wissen schon, wonach sie suchen. Ihr kommt von Fairchild, oder?"

„Woher wissen Sie das?", fragte ich verblüfft.

„Es steht euch im Gesicht geschrieben", sagte sie nur und musterte mich fachmännisch. „Bei dir habe ich schon einige Ideen. Wir müssen unbedingt diese grünen Augen zur Geltung bringen, oh ja... obwohl man sie kaum übersehen kann, wenn man dir ins Gesicht sieht, Kindchen. Du bist ein wenig blass, lernst du etwa zu viel? Ich hätte da ein wunderbares Kleid, ein wenig gewagt ist es, aber es wäre perfekt-..."

„Oh nein", sagte ich schnell, „sorry, aber ich will etwas... weniger Auffälliges." Sie musterte mich aufmerksam. „Natürlich", meinte sie nur. „Komm mal mit."

Und dann ging sie mit mir die gesamte Kollektion durch, drückte mir mal da, mal dort ein Kleid in die Hand, alles in dunklen Blau-und Grüntönen gehalten, bis wir vollkommen beladen zu den Garderoben zurückkehrten, wo Alice und Rose bereits fleißig Kleider anprobierten. Mrs. Laurent schob mich energisch in eine Umkleidekabine und gab mir das erste, lange Kleid herein, das ich unbedingt anziehen sollte. Ich musste sagen, diese Frau wusste es mir offenbar aus dem Gesicht abzulesen, was meinem Geschmack entsprach und was nicht. Jedes der Kleider, die sie herausgesucht hatte, hätte ich ebenfalls genommen; wenn ich mich denn mal dazu aufgerafft hätte, überhaupt eines der Kleider auszusuchen. Mum hatte sich schon des Öfteren über meine mangelnde Entscheidungsfreudigkeit beim Thema Kleidungsstücke beschwert. Jedenfalls hielt ich ein zartes Gebilde aus blau schimmerndem fließenden Stoff in den Händen und fast schon ehrfürchtig zog ich es an. Als ich mich im Spiegel betrachtete, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus, so toll sah es aus, aber offenbar war meine energische Beraterin da anderer Meinung. Kaum war ich aus der Kabine getreten, schob sie mich schon wieder hinein und reichte das nächste Kleid hinterher. Ich wusste ja nicht, worauf sie hinaus wollte. Für mich war ein Kleid schöner als das andere und langsam verlor ich echt den Überblick. Allerdings schien Mrs. Laurent ein ganz bestimmtes, mir nicht erschlossenes System zu haben, weswegen ich ihr einfach mal vertraute.

Nach dem gefühlt fünfzigsten Kleid reichte sie mir ein weiteres mit den Worten: „Das ist es." Neugierig sah ich es mir an. Es war in einem wunderschönen, tiefen Mitternachtsblau gehalten. Der Stoff war federleicht und seidenweich, und er floss mir geradewegs durch die Finger. Es war bodenlang. Ich zog es an, und wie bei jedem anderen Kleid zuvor auch schmiegte sich der Stoff sofort eng an meinen Körper (Reißverschlüsse waren bei magischen Kleidern übrigens vollkommen überflüssig), und der Saum kürzte sich automatisch auf eine passende Länge. Dann sah ich in den Spiegel und mir blieb der Mund offen stehen.

Magie - Wolf's EyesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora