Kapitel 41: Der Weihnachtsball - Part 3

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„Was? Doch etwa nicht-..." Vincent drehte sich um und fluchte. Als ich über meine Schulter sah, erkannte ich auch warum.

Verdammte..., dachte ich mir, denn in dem Moment betrat Simon Spencer höchstpersönlich den Festsaal. Vincents Mum begleitete ihn und hatte sich bei ihm eingehakt. Sie sah elfenhaft schön aus in ihrem eleganten blassgrünen Kleid. Das Auftreten des weltweiten Kriegeroberhauptes sorgte für einiges an Aufsehen. Die Menschen in der Nähe machten ihm Platz, und hoch erhobenem Hauptes schritt er mit scheinbar entspannter Miene hinein. Er trug einen festlichen Umhang, der geradezu schrie: Seht her, ich bin einer der mächtigsten Männer der Welt und bei jedem Schritt hinter ihm herbauschte. Ich sah, dass Professor Morgan auf ihn zu trat und ein paar Worte mit ihm und seiner Frau redete, mit einem wieder äußerst mürrisch wirkenden Professor Callahan im Schlepptau, der Spencer mit scharfen, berechnenden Blicken durchbohrte.

Vincent fasste mich am Arm. „Los, wir sollten verschwinden", zischte er, und ich kam der Aufforderung nur zu gerne nach. Ich hatte ebenso wenig Lust auf eine Begegnung mit dem Kriegeroberhaupt wie Vincent selbst. 

Wir drängten uns hastig durch die Menschenmenge und ich trat aus Versehen ein paar von den Leuten auf die Füße.  Hinter einer breiten Säule schlüpften wir auf die weitläufige Terrasse, die an den Festsaal anschloss und vereist und dadurch sehr rutschig war. Ich atmete tief durch, als die eiskalte Winterluft mich umfing und mich erschaudern ließ. Wegen der Kälte waren nicht viele Leute auf der Terrasse, und schnell erschuf ich einen Wärmeschild um uns herum.

„Du hast den Dreh mit den Dingern echt raus", bemerkte Vincent anerkennend und lächelte mich warm an. „Danke", sagte ich verlegen.

„Mein Vater wird darauf bestehen, dass ich dich ihm vorstelle", sagte Vincent leise und strich sich über das Gesicht. Die Geste hatte etwas Nervöses und Angespanntes an sich. „Wir können uns vermutlich nicht immer vor ihm hier verstecken."

Zaghaft sah ich ihn an. Vincent sah besorgt aus, seine dunkelblauen Augen glitzerten im fahlen Mondlicht. 

„Das willst du nicht. Du willst nicht, dass ich ihn treffe", stellte ich fest.

„Nein", gab er zu und ich spürte seine kühlen Finger an meiner Hand.

Ich wagte kaum zu atmen, und ich zwang die Worte über meine Lippen. „Warum nicht?", hauchte ich.

Er sah mich beinahe nachdenklich an. Gerade hatte er keine überhebliche, arrogante Maske aufgesetzt. Er wirkte nicht länger so unangreifbar. Ich glaubte zum ersten Mal, eine andere Seite an ihm zu sehen, eine sanftere, verwundbare.

„Du weißt, warum."

Mir stockte der Atem. Es brauchte keiner weiteren Erklärung, er wusste es. Wusste es schon eine ganze Weile, wie es schien.

„Wie?", fragte ich nach.

Er grinste und der Moment verschwand. Jetzt war er wieder der Vincent,  den ich kennengelernt hatte. „Ich habe Augen im Kopf, weißt du. Wenn man so viele Unterrichtsstunden mit dir hat und eins und eins zusammenzählen kannst-..."

„Clarissa weiß es auch", sagte ich verbittert.

Er nickte. „Sie hat mir gegenüber so etwas Ähnliches angedeutet. Aber um ihren Vater brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Meiner ist das Problem. Von mir erfährt er nichts - Ich bin mit ihm aufgewachsen - das erste, was er mir noch vor dem Lesen beigebracht hat, war die Kunst, meine Gedanken zu verbergen." Wieder war sein Gesichtsausdruck versteinert, wie immer, wenn er von seinem Vater sprach. „Wenn ich dir einen Rat geben darf - gib dich ganz normal. Ein sechszehnjähriges Mädchen, das einfach nur einen Ball besucht und sich ganz geehrt fühlt, das Kriegeroberhaupt kennenzulernen. Dann kommt er gar nicht erst auf die Idee, nachzuforschen. Professor Morgan hat doch sicherlich deine Aura verborgen, oder?"

Magie - Wolf's EyesWhere stories live. Discover now