Kapitel 4: Begegnungen

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Ashley reagierte und eine silbern leuchtende, durchsichtige Scheibe – ein Schutzschild, wie ich realisierte – erschien zwischen uns und den Neuankömmlingen. Sie waren vielleicht zu sechst.

„Oh, dem Himmel sei Dank", seufzte Ashley nach ein paar Sekunden, in denen wir einfach nur stocksteif dastanden, und der Schild verschwand. „Für einen Moment dachte ich, ihr wärt schwarze Magier."

Eine der Gestalten trat nach vorne und ihr Gesicht wurde von einer Lichtkugel beleuchtet, die einfach so vor ihr in der Luft erschien und ein kühles weißes Licht ausstrahlte. Es war eine Frau – eine schöne Frau, mit langen lockigen dunkelblonden Haaren und Gesichtszügen wie von einem berühmten Maler gezeichnet. Als sie ihre sturmgrauen Augen auf mich richtete, hatte ich den Eindruck, sie schon einmal gesehen zu haben; ich hatte das Gefühl, sie zu erkennen, dabei hatte sich sie mit Sicherheit noch nie gesehen...

Dann wandte sie den Blick von meinem Gesicht ab und das Gefühl verschwand. „Wir hatten uns Sorgen gemacht, Ash", sagte sie mit warmer Stimme, die aber angespannt klang. „Was ist passiert?"

Während Ashley ihr berichtete, betrachtete ich die Frau fasziniert. Sie strahlte eine Macht aus, wie ich es bei keinem anderen der Neuankömmlinge spürte. Die Art, wie sie sich bewegte, wie sie sprach, ihre Haltung, einfach alles strahlte Macht und eine unerschütterliche Ruhe aus.

Die anderen gruppierten sich in einem engen Kreis um uns und hielten mit nervösen, aber festen Blicken die Umgebung im Auge. Eine kleine drahtige Frau und vier Männer. Einer war kleiner, die anderen drei größer, zwei von ihnen mit eher kompakten Körperbau und der dritte schlank und drahtig. Ich beobachtete den Dritten eine Weile. Er hatte als einziger sein Gesicht hinter der Kapuze seines schwarzen Mantels versteckt und bewegte sich so elegant und lautlos wie eine Raubkatze. Er schien nicht einmal mehr zu atmen, und starrte immer wieder in die Dunkelheit hinaus. Irgendetwas an ihm hielt mich gefesselt, genau, wie es bei der Anführerin der Fall war. Eine unerschütterliche Ruhe ging von ihm aus.

„Also gut", sagte die Anführerin, und ihr Blick fuhr wieder zu mir. „Du hast gut reagiert, Ashley. Ansonsten hätte Blake sie gekriegt." Nun wandte sie ihre Aufmerksamkeit zu mir und zum ersten Mal lächelte sie – ein strahlendes, warmes Lächeln, welches sofort ein wenig meiner Nervosität wegschwemmte.

„Es tut mir leid, dass ich mich nicht vorher vorgestellt habe", sagte sie. „Du musst sicher tausend Fragen haben, aber die meisten müssen warten, bis wir in Sicherheit sind. Ich bin Felicie Morgan." Sie streckte die Hand aus und fast schon ehrfürchtig ergriff ich sie. „Jane Watson."

Mit einem Lächeln antwortete sie: „Ich weiß. Ashley hat es mir gesagt."

Verwirrt sah ich von Ashley zu ihr.

Durch Gedankenrede. Ich machte einen Satz rückwärts, als ich plötzlich Morgans Stimme in meinem Kopf hörte. Das ist sehr einfache Magie. Ich bin mir sicher, dass du es ebenfalls bald lernen wirst. Auf diese Weise hat Ashley uns gerufen.

Eine Antwort wurde mir erspart, als der Katzenmann an Mrs. Morgan herantrat.

„Fay", sagte er mit leiser, tiefer Stimme – genau wie ich sie mir vorgestellt hatte. „Wir müssen los. Wenn diese Magier immer noch unterwegs sind..." Mrs. Morgan nickte ihm kurz zu. Einen kurzen Moment erhaschte ich einen Blick auf sein Gesicht. Er sah finster aus, seine Augen blickten starr geradeaus. Er hatte ein markantes Gesicht mit hohen, breiten Wangenknochen und scharfem Kiefer, und musste etwa in dem gleichen Alter wie Morgan sein.

„Jane", sagte Felicie freundlich. „Wir werden dich jetzt mit nach Alenta nehmen. Dort bist du sicher."

Nervös, aber auch ein wenig aufgeregt nickte ich. Aus irgendeinem Grund nahm mir die Anwesenheit dieser Frau meine Unsicherheit und mein Misstrauen. Sie war mir von Anfang an sympathisch.

Magie - Wolf's EyesWhere stories live. Discover now