Kapitel 18: Henry Campbell

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Kaum berührte meine Haut die Tür, ging sie auch schon quietschend auf.

Es war ein kleines Klassenzimmer, ähnlich dem Raum für Ebenen. Die Tische und Stühle sahen nicht so aus, als wären sie in letzter Zeit benutzt worden, und waren achtlos an den Rand gestellt. Am Lehrertisch saßen zu meiner Überraschung drei Personen: Morgan, Callahan und ein alter Mann, der Henry Campbell sein musste. Sie alle richteten den Blick zur Tür, als ich eintrat, was meine Nervosität nur noch verschlimmerte.

„Ah, Jane, schön, dass du da bist." Morgan stand auf und durchbrach damit das Schweigen. „Henry Campbell – das ist Jane Watson", stellte sie mich vor. Etwas unsicher sah ich zu Henry Campbell, der am Tisch saß und mich schweigend und mit strengem Blick musterte. Ich hatte selten so einen alten Magier gesehen. Campbell hatte graues, schütteres Haar und faltige Haut, aber überraschend klare, grüngelbe Augen und eine aufrechte Haltung. Unter seinem Blick wurde mir unwohl, denn er schien jeden einzelnen Zentimeter zu betrachten und regelrecht zu durchleuchten.

„Nein", sagte er dann. Seine Stimme war trotz des Alter voll, aber ein wenig heiser.

Morgan erstarrte. „Wie bitte?!", fragte sie, überrascht und empört.

„Nein. Das ist meine Antwort. Ich werde sie nicht unterrichten."

Erschrocken und verletzt schaute ich zu Campbell. Was sollte das bedeuten? Hatte Morgan nicht gesagt, dass er mich unterrichten würde? Warum gab er ihr dann erst jetzt eine Antwort?

Morgan und Campbell lieferten sich ein Blickduell und ich konnte mir vorstellen, dass sie gerade in Gedanken stritten. Fast schien es mir, als könnte man sie hören. Callahan konnte das wohl tatsächlich, denn er hatte sich angespannt nach vorne gebeugt und sein Blick schoss zwischen beiden hin und her, während ich nicht wusste, ob ich hierbleiben oder gehen sollte.

„Das reicht jetzt!", sagte Professor Callahan auf einmal scharf. „Wir wissen alle, was du durchgemacht hast, Henry!" Es war das erste Mal seit langem, dass ich ihn jeden hörte. Seine Stimme war voll und tief und jagte mir einen Schauer über den Rücken. „Das bedeutet nicht, dass es so weitergehen muss. Du kennst sie nicht einmal."

„Das stimmt", sagte Henry. „Ich kenne sie nicht. Genau deswegen." Er warf Morgan einen bedeutungsvollen Blick zu, und trotz der Tatsache, dass mich sein Verhalten verwirrte, hätte ich nur zu gerne gewusst, was gerade in seinem Kopf vorging. Was veranlasste ihn zu seiner Abneigung? Gab es... gab es irgendetwas an mir, was ihm nicht gefiel? Ich biss mir auf die Lippen und sah hilfesuchend zu Morgan, die aber immer noch Campbell fixierte.

„Gib ihr wenigstens eine Chance!", knurrte Callahan. „Du kannst jederzeit aufhören, sie zu unterrichten, niemand wird dich zwingen." Ich konnte nur abwarten und Callahan überrascht ansehen. Nie hätte ich gedacht, dass er so vehement für mich Partei ergreifen würde.

Sie blickten sich tief in die Augen und ich sah, wie Henrys Züge, vorher starr und widerwillig, sich entspannten. Jetzt warf er mir einen fast schon nachdenklichen Blick zu. Was hatte Callahan ihm gesagt, dass plötzlich nicht mehr so sicher aussah? Ich platzte fast vor Neugierde.

„Na schön", brummte Campbell und setzte sich wieder. „Aber nur, solange ich der Meinung bin, dass sie meine Zeit verdient."

Morgan stieß die Luft aus. „Danke, Henry. Ich hätte auch Adam fragen können, aber er hat so schrecklich viel-..."

„Jaja, das überrascht mich nicht", fiel Henry ihr ungeduldig ins Wort. „Adam hat immer viel zu tun. Außerdem ist er ein katastrophaler Lehrer. Also was ist, sollen wir beginnen, oder noch ewig hier rumsitzen und über dieses und jenes reden?!"

Morgan nickte und mir kam es vor, als hätte selbst sie unglaublichen Respekt vor diesem alten Mann. „Ich lass euch jetzt allein. Meine Klasse wartet." Sie lächelte mir ermunternd zu und schloss leise die Tür hinter sich, aber ihr Lächeln half nicht. Stark verunsichert und auch ein wenig verletzt wegen Campbells Worten suchte ich mir schweigend einen Stuhl und setzte mich ihm gegenüber. Meine Tasche ließ ich zu Boden fallen. Ich hatte große Lust, wieder zu gehen, wenn Campbell eh schon der Meinung war, dass ich seine Zeit verschwendete.

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