Kapitel 5: Die magische Stadt

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Für einen Moment fühlte es sich wieder so an, als würde ich fallen, bis ich sofort wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Ich hatte die Augen geschlossen und kurz blitzte weißes Licht auf und über meinen gesamten Körper fuhr ein angenehmes Kribbeln, ehe warmes Licht durch meine Augenlider drang. Blinzelnd öffnete ich sie und riss sie dann ganz weit auf.

Ich stand in einer riesigen Halle.  Ihr Dach war gut und gerne zwanzig Meter hoch und dicke  Balken aus schwarzem, glänzendem Stein wölbten sich bis nach ganz oben. Meterhohe, gebogene Fenster ließen den Blick in die schwarze Nacht hinaus. Hunderte schwebende Lichter tauchten sie in warmes, flackerndes Licht.

Um mich herum herrschte angeregter Betrieb, und langsam nahm ich meine Umgebung besser war. Die gesamte Halle war mit Portalen gesäumt, die allesamt durch Zäune voneinander abgegrenzt waren. Sämtliche Zugänge waren ausgeschildert und Leute in blauen Uniformen ließen die Menschen in Gruppen zu den Portalen gehen. Als ich das Schauspiel weiter beobachtete, sah ich, wie immer wieder Männer und Frauen durch die Portale traten, kurz blinzelten, ihre Kleider ordneten und dann weitergingen. Leises Stimmengewirr, durch die Wände der Halle immer wieder zurückgeworfen und reflektiert, war zu hören.

In dem Moment, als eine ältere, dickliche Frau mit riesigen Koffern mit Blumenmuster aus einem Portal mit der Aufschrift: „Magic Valley – Rocky Mountains" trat und auf den Ausgang zueilte, kam Ashley hinter mir aus dem Portal. Hastig trat ich ein paar Schritte beiseite, um ihr Platz zu machen.

Morgan und ihr Begleiter hatten sich währenddessen in leisem Flüsterton mit dem Mann, der an unserer Abgrenzung mit dem Namen „London – Zugang Nichtmagierwelt" stand, unterhalten.

„Na, wie findest du es?", fragte Ashley und grinste mir zu.

„Unglaublich", gab ich leise zu.

„Nenne es einfach die Portalhalle. Von hier aus kannst du an jeden anderen größeren magischen Ort reisen, und an die Zugänge zur Nichtmagierwelt. Vergleichbar mit einem der Flughäfen, wie die Nichtmagier ihn nennen."

In dem Moment nickte der Ordner in der hellblauen Uniform, ein leicht untersetzter Mann mit schwarzem Vollbart, Morgan zu. Diese drehte sich zu uns um.

„Kommt ihr?", fragte sie. Zusammen verließen wir die Portalhalle durch die Eingangstür und traten hinaus auf einen gepflasterten Platz. In dem Moment wurde mir klar, dass es der Platz zu einem Hafen war. Große, altmodisch gebaute Häuser drängten sich in einem Halbkreis an den Hafen, wo mehrere Segelschiffe angelegt hatten und in dem leichten Wellengang schaukelten. Die Luft war kühl und hatte den unverwechselbaren salzigen Geruch des Ozeans. Ein kräftiger Wind blies von der See, die in der bewölkten Nacht kaum zu erkennen war, und ließ mich ein wenig frösteln. Hier war es um einiges kälter als in London und ich zog schnell meine Jacke über.

„Das ist der Hafenplatz", erklärte mir Ashley, „er ist so ziemlich der wichtigste Punkt in Alenta."

Ich drehte mich einmal um mich selbst und ließ den Anblick mit offenem Mund auf mich wirken.

Die Stadt war unglaublich. Straßen schlängelten sich einen riesigen, flach ansteigenden Hügel hinauf und Laternen, die offenbar mit echten kleinen Flammen gefüllt waren, beleuchteten die Häuser. Zahlreiche Bäume und Büsche befanden sich am Rande der Wege, die offenbar alle von dem riesigen Platz, der mehrere hundert Meter durchmaß, abzweigten. Die Laternen tauchten sämtliche Häuser in ein warmes Licht.

Was am deutlichsten war, war die Stille. Oder besser gesagt die Abwesenheit von Motorengeräuschen. Als Londoner war man den ständigen Verkehrslärm auf eine Weise gewohnt, die mir bisher nie aufgefallen war. Hier gab es nur das Heulen des Windes, die Geräusche der See, das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Blätter der Bäume im Wind. Auf dem Gipfel des Hügels konnte ich in der Ferne einen riesigen, deutlich ausgeleuchteten Turm ausmachen.

Magie - Wolf's EyesWhere stories live. Discover now