Kapitel 34: Geheimgänge und Enthüllungen

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Einen Moment lang fragte ich mich, ob ich wirklich hineingehen sollte, doch dann überwog meine Neugier. Kurz sah ich über meine Schulter, um ja sicherzugehen, dass mich niemand sah, dann erschuf ich eine flackernde Lichtkugel und ließ sie vorausschweben. Muffige Luft zog mir entgegen. Es war eiskalt in den Gängen, sogar noch kälter als draußen. Ich musste mich bücken, um durch den Eingang zu kommen, doch danach fand ich die Decke angenehme zwei Meter hoch vor. Vor mir erstreckte sich ein langer, vielleicht ein Meter breiter Gang, der Richtung Schulgelände verlaufen musste. Als ich zurücksah, erkannte ich, dass sich der Eingang hinter mir wieder verschlossen hatte. Nur eine blanke Felswand war zu sehen.

Als ich vorsichtig den Gang entlanglief, spürte ich Runen. Sie zogen sich in langen Linien über die Innenseiten der Steinwände. Staunend fuhr ich sie mit dem Finger nach; es musste unheimlich lange gedauert haben, sie dort anzubringen. Ich besah sie mir genauer. Ein paar von ihnen kannte ich nicht, aber ich wusste doch genug, um die Bedeutung der Runenzauber zu erkennen. Sie sorgten dafür, dass der Raum des Ganges von außen nicht existierte. Es war, als hätte jemand das Prinzip von Hermine Grangers Handtasche aus Harry Potter genommen und auf die Gänge übertragen, nur noch extremer. Atemlos vor Begeisterung las ich Rune für Rune. Solche Zauber waren besonders knifflig, und obwohl die Runen offenbar sehr alt waren, hatten sie nichts von ihrer ursprünglichen Kraft verloren. Sie machten es zum Beispiel unmöglich, diese Gänge von außen zu spüren. Oder die Gänge zu betreten, ohne die Schlüsselrune an den Eingängen angebracht zu haben. Eine Schlüsselrune, die in meinem Kopf jetzt fest verankert war.

Es war ein gutes Gefühl, sie zu kennen, und ich konnte es kaum erwarten, die Gänge zu erkunden. Ich würde herausfinden, wohin jeder einzelne von ihnen verlief.  Adam hatte Recht gehabt, als er meinte, es würde mir gefallen. Es gefiel mir ziemlich gut.

Ich kam an mehreren Abzweigungen vorbei, lief aber instinktiv in die Richtung weiter, die ich zuerst eingeschlagen hatte. Es kam mir irgendwie vor, als wüsste ich schon, wo ich hinging, dabei hatte ich die Gänge nie zuvor betreten. Minutenlang strich ich mit aufgeregt klopfendem Herzen und vor Erstaunen offenem Mund den Gang entlang. Dieses undefinierbare Gefühl unterdrückter Aufregung, welches einen immer überkam, wenn man etwas Geheimes (und vielleicht sogar verbotenes) machte, ergriff von mir Besitz. 

Ein wenig spät bemerkte ich die leisen Schritte, und dann auch die leuchtende Lichtkugel. Vielleicht zehn Meter vor mir war eine Abzweigung, und jemand ging den Gang entlang, der senkrecht zu meinem Weg verlief.

Mist, dachte ich mir nur und ließ das Licht meiner Kugel verblassen, ehe ich mich, ohne groß zu überlegen, in eine nahe Ausbuchtung des Ganges drückte. Mein Herz begann, vor Angst noch schneller zu schlagen. Da war jemand in den Gängen. War es ein Lehrer? Würde ich jetzt Ärger bekommen? Oder ein Schüler - aber wenn ja, wer konnte es sein?

Hoffentlich sah mich derjenige nicht. Mein Herz trommelte allerdings so laut gegen meine Brust, dass ich einfach entdeckt werden musste. Derjenige würde mein Herz gegen meine Rippen pochen oder meinen schnellen Atem hören. Ich verfluchte die Tatsache, dass ich noch nicht gelernt hatte, wie man Geräusche manipulierte und verbarg. Das wäre jetzt eine äußerst hilfreiche Fertigkeit gewesen.

Zu meinem Entsetzen kamen die Schritte in meine Richtung, langsam, bedächtig. Ich hielt mir die Hand über den Mund, um ja kein Geräusch von mir zu geben, und hielt den Atem an. Eine helle, stetig leuchtende Lichtkugel schwebte vor der Person her, und dann ging diese an meinem behelfsmäßigen Versteck vorbei. Ich erkannte gegen das blendende Licht der fremden Lichtkugel nur, dass es ein junger Mann war, mit Gesichtszügen, die halb im Schatten lagen, mir aber merkwürdig bekannt vorkamen. Als er mich passiert hatte und langsam, mit wachsam angespannten Körper weiterging, konnte ich sein hellblondes Haar ausmachen. Moment - war das nicht...

Magie - Wolf's EyesWhere stories live. Discover now