Kapitel 77: Ein Schatten in den Tunneln

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Früher dachte ich immer, Simon wäre ein ziemlich guter Schwertkämpfer. Aber wie mir jetzt deutlich klarwurde, hatte ich damit falsch gelegen. Sehr falsch. Ständig mit James zu trainieren, der ein perfekter Schwertkämpfer war, hatte mir die Augen geöffnet. Schon als ich auf ihn zuging, fielen mir bestimmte Dinge auf. Simon fehlte die Eleganz, die James oder Vincent an den Tag legten. Jeder seiner Schritte war schwerfällig und er wirkte im Vergleich zu meinem Lehrer ungelenk. Als wir in die Ausgangspositionen gingen, gab seine Verteidigungshaltung mir sofort Grundlagen für meine ersten Angriffe. Sein Schwert hielt er fiel zu tief und zu weit links, und er würde es nie rechtzeitig in Position bringen können, wenn ich ihn blitzschnell auf der anderen Seite angriff.

Aber vorerst griff Simon mich an. Er legte seine ganze Kraft in seine Schläge und seine Beinarbeit war grottig. James hätte ihn schon längst zu Boden befördert, aber ich wartete noch ab, analysierte, versuchte, sein Bewegungsmuster zu lernen, und verteidigte mich vorerst nur.

Simons Gesichtsausdruck wandelte sich von einem selbstgefälligen Lächeln zu einem Zähnefletschen, als er merkte, dass er schon längst nicht mehr in der Lage war, mich einfach so zu entwaffnen. Aber er verstand nicht. Blind für meine offensichtliche Zurückhaltung schlug er auf mich ein, völlig missachtend, dass ich mein Schwert mit Leichtigkeit immer zwischen mich und seine Klinge bringen konnte oder seinen willkürlichen Vorstoßen einfach auswich, und dadurch in der Lage war, seine Angriffe zu kontrollieren, seinen nächsten Schritt dadurch vorauszuahnen und zu kontrollieren. Er war ganz erpicht darauf, mich für meinen Scherz mit ihm zu besiegen, aber er war mit jedem Schritt weiter davon entfernt. Ich tat ihm sogar den Gefallen und wich ein paar Schritte zurück und er war dumm genug, um es mir abzukaufen. Er glaubte, er drängte mich zurück, aber er verschwendete nur seine Kraft und legte mir all seine Schwächen auf einem Silbertablett dar.

Dann beschloss ich, doch zu handeln. Und zwar kurz und schmerzvoll. Zum allerersten Mal ging ich in die Offensive und davon völlig aus seinem Konzept gebracht, bemerkte er nicht, dass ich den Schlag an seine linke Seite nur machte, um seine Verteidigung zu durchbrechen. Denn gleich darauf stieß ich blitzschnell vor, wirbelte mit meinem Schwert herum und von rechts kommend schlug ich ihm das Schwert aus der Hand. Er erstarrte und Unglaube zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als ein lautes Klirren zu hören war und sein Schwert zu Boden fiel, und ich ihm daraufhin mein eigenes Schwert an die Kehle hielt. Ich hätte ihn auch woanders treffen können, aber ich wollte mit meinem Stil einen Unterschied zu seinem kopflosen Herumgehämmere setzen. Ich wusste im Gegensatz zu ihm, was ich tat, und mein Schwert an seiner Kehle bewies das eindeutig.

„Erster Treffer an Jane", erklang Professor Adams' mürrische Stimme und auch er schien von der plötzlichen Wendung überrascht. Er hatte ganz offensichtlich gedacht, dass Simon mich fertigmachte.

Ein kleines, zufriedenes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, und Simon warf mir einen wütenden, aber leicht verunsicherten Blick zu, bevor er sein Schwert aufhob und wir erneut in Ausgangsstellung gingen.

Ich beschloss, von jetzt an keinen Rückzieher mehr zu machen und kämpfte nun mit offenen Karten. Und dank James' Training waren meine Karten ziemlich gut. Nach nur ein paar Augenblicken traf ich den völlig desorientierten Jungen an den Kniekehlen und brachte ihn damit zu Fall. Als Simon erkannte, dass mein erster Treffer kein Glücksfall gewesen war, wurde er prompt hochrot.

„Zweiter Treffer auch an Jane", knurrte Adams nun und warf mir einen funkelnden Blick zu. Ich ignorierte den Lehrer. Er konnte mir mal den Buckel runterrutschen. Und wenn er es wagte, mir eine schlechtere Note zu geben als seinem Lieblingsschüler, der sich gerade zum Affen machte, dann würde ich ihm ein paar Takte sagen.

Simon währenddessen besann sich doch auf ein paar grundlegende Verteidigungszüge und wurde vorsichtiger, aber zu spät für ihn. Ich hatte schon längst seine größte Schwäche erkannt - seine Beinarbeit. Er wusste gar nicht, was er mit seinen Füßen veranstaltete. Er stand meist nicht richtig, hatte kein Körpergefühl, keine Ahnung davon, auf welchem Bein er stehen und mit welchem er gehen sollte, und seine Fußgelenke waren manchmal während seinen Bewegungen achtlos abgeknickt, was seinen Stand unsicher machte. Er verteidigte sich nun besser, aber ich war zu schnell für ihn. Um ihn herumtanzend und mein Schwert blitzschnell vorstoßend, schaffte ich es, seine Beinarbeit zu seinem Verhängnis werden zu lassen. Er schaffte es tatsächlich, einen solchen Knoten in seine Füße zu bringen, dass ich sie ihm nur noch mit einer Bewegung unter seinem Körper wegwischen musste, und Simon landete mit dem Hintern zuerst auf dem Hallenboden - so wie ich, unzählige Male, während James' Stunden.

Magie - Wolf's EyesNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ