Dich zu verletzen war nie der Plan

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Bastian winkt mir, als ich das Restaurant betrete. Ein Lächeln liegt auf seinen Lippen, das es mir umso schwerer macht, ihm gleich zu verkünden, dass ich unsere WG auflösen möchte. Schluckend lächle ich ebenfalls und gehe auf den Tisch unterhalb eines Olivenbaums zu.
"Das Tony Roma's", nicke ich anerkenndend. "Wow, du hast dir echt Mühe gegeben."
"Die Rippchen sind der Hammer, du liebst sie, ich weiß es." Er hat recht. "Na", umarmt er mich vorsichtig.
"Hey", begrüße ich ihn schüchtern.
"Was ist los mit dir? Du bist ja ganz rot im Gesicht", lacht er mich aus.
"Draußen ist es kalt", überspiele ich meine Nervosität, aber meine Augenbraue zuckt. Langsam hänge ich meinen Mantel über den Stuhl und gleite auf meinen Platz.
"Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?", spricht uns die Kellnerin in diesem Moment an.
Dankbar bestelle ich einen Kaffee; Bastian nimmt ein einfaches Bier.
"Wie läuft es bei dir?", beginne ich das Gespräch, um das Thema erstmal von mir wegzulenken.
"Gut. Gut läuft's, ich verdiene scheiße viel Geld, hab eine, die's mir ordentlich besorgt, steh mit beiden Beinen fest im Leben und die Drogen haben mich noch nicht dahingerafft", erzählt er im lockeren Plauderton.
Leicht grinsend nicke ich. "Wer ist sie, kenn ich sie?", hake ich neugierig nach.
"Unwichtig", winkt er ab.
"Schon wirst du rot", mache ich mich über ihn lustig.
"Halt die Fresse", murmelt er, was mich nur zusätzlich amüsiert.
"Ist es Julie?", forsche ich zu Steans und meinem Verdacht nach.
"Ach, was soll's", seufzt er. "Irgendwann erfährst du's ja eh. Wir sehen uns ab und an."
"Süß."
"Ich verbitte mir solche Schandwörter", tadelt er mich. "Deine Mutter heiratet nächste Woche, oder?"
"Stimmt genau. Woher weißt du das? Sag nicht, Carrie hat es dir gesagt." Hoffentlich sind Bastian und meine Schwester endgültig auseinander. Sie hätten sich gegenseitig bloß kaputt gemacht mit ihren völlig verschiedenen Einstellungen.
"Nee, deine Mutter selbst."
"Bitte?!", huste ich den Schluck Kaffee, den ich gerade genommen habe, wieder heraus.
"Hab sie zufällig in der Stadt getroffen", reicht er mir eine Serviette zum Aufwischen.
"Und da habt ihr dann ein Weilchen miteinander geschnackt?", krächze ich heiser.
"Klar, sie ist die Mutter von 'ner Freundin von mir, da sag ich natürlich höflich Hallo und wenn die weiter quatscht, dann hör ich der auch zu."
"Der wohlerzogene Herr Krüger", spotte ich und bekomme im Gegenzug seinen Mittelfinger präsentiert.
"Fast hätte sie mich eingeladen, ich konnte sie gerade so abwimmeln", klagt er. Es ist besser, wenn er nicht kommt. Mama hat anscheinend vergessen, wie er vor mehreren Jahren meinen siebzehnten Geburtstag gecrasht und mein halbes Schlafzimmer auseinandergenommen hat. (Fragt lieber nicht.)
"Sie ist überglücklich, ich glaube, am liebsten würde sie die ganze Welt umarmen", verdrehe ich die Augen.
Wir ordern unser Essen. Im Anschluss mustert Bastian mich nachdenklich.
"Willst du echt bei Universal aussteigen?"
"Luk, dieses Plappermaul", murre ich.
"Das Goldkehlchen singt anstandslos", zuckt er die Schultern.
"Keine Ahnung. Ich denke darüber nach, aber es kommt mir zu dumm vor. Ich bin ein Niemand auf dem Arbeitsmarkt, ich will nicht zu allem Überfluss ein Niemand ohne Ausbildung sein."
"Du würdest untergebracht", versichert er mir.
"Von wem?", meine ich ratlos.
"Das lässt sich arrangieren, Iara, vertrau mir da mal, Kleine." Er legt seine Hand auf meine und drückt sie kurz. Eine unglaublich liebevolle Geste für seine Verhältnisse.
"Mach ich", antworte ich ehrlich. Tatsächlich beruhigt mich sein Versprechen ein bisschen. Und ich fühle gleichzeitig, dass ich Bastian meine Pläne nicht länger verschweigen möchte. Er hat die Wahrheit wirklich verdient.
"Bastian ...", fange ich zögerlich an, aber ich muss es loswerden. "In ein paar Monaten möchte ich ausziehen."
"Bei mir ausziehen?", fragt er verblüfft.
"Ja. Es hat sich ergeben, dass Mika, Pari und ich heute vorhin einen Vertrag für eine neue, gemeinsame Wohnung unterschrieben haben", erkläre ich.
"Ist das so? Wann hattest du vor, mich davon zu unterrichten?" Sauer verschränkt er die Arme vor der Brust und lehnt sich erwartungsvoll nach hinten.
"Jetzt?", piepse ich.
"Nachdem jetzt alles unter Dach und Fach ist?"
Beschämt schaue ich nach unten.
"Iara", sagt er ernst.
"Tut mir leid", wimmere ich. "Das ging furchtbar schnell, ich hatte gar keine Gelegenheit."
"Du hättest mir schreiben oder mich anrufen können. Verdammt, du hättest ein Treffen mit mir vereinbaren können, direkt nachdem du die Entscheidung gefällt hattest! Bin ich es dir das nicht wert? War es dir zu umständlich, mich zu informieren?"
"Bastian -"
"Nein, Iara, versuch nicht, dich zu rechtfertigen!", unterbricht er mich sofort laut. "Was ist aus dem Vertrauen geworden, das wir einander mal entgegen gebracht haben? Hast du keinen Respekt vor mir?"
Die Kurzschlussreaktion, die dieser Satz in mir auslöst, ist der ganzen elenden Chose logischerweise nicht zuträglich. Dennoch erwidere ich bissig: "Wieso sollte ich Respekt vor jemandem haben, der mich als Schlampe bezeichnet?"
Genervt stöhnt er auf. "Dafür habe ich mich eine Millionen mal entschuldigt."
"Denkst du, mit einer Entschuldigung ist es getan?", keife ich. "Merkst du nicht, dass wir nur streiten?" Mit Rücksicht die anderen Gäste werde ich leiser. "Ich halte das nicht länger aus. Das ist anstrengend und unnötig. Einer von uns beiden muss gehen und das bin ich, denn es ist deine Wohnung. War es von Anfang an und wird es immer sein."
"Was soll das heißen 'Einer muss gehen'?"
"Es hat nicht funktioniert!", werde ich unfreiwillig doch nochmal lauter. "Erst war es gut, sehr gut sogar. Aber ich werde älter, ich kann nicht mit jemandem zusammenwohnen, mit dem ich mir dauernd in den Haaren liege und will es überhaupt nicht", erläutere ich. Der Ausdruck in seinen Augen macht mir das Herz schwer.
"Bastian, bitte", flehe ich. "Zieh es nicht unnötig in die Länge."
"Wer hat dir das eingeredet? Dass es nicht funktioniert?" Seine Stimme zittert.
"Niemand." Und bei meiner eigenen Stimme ist es ähnlich. "Da bin ich ganz von allein draufgekommen." Der Versuch eines Lächelns scheitert an der Traurigkeit der Situation.
"Toll", resigniert er und greift nach seiner Jacke. "Dann bist du ja jetzt richtig erwachsen."
Der Hohn sticht wie zehntausende Nadeln in meiner Brust.
"Bastian", will ich ihn aufhalten. Vergeblich.

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