Dann häufen sich die Streitereien

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Ein liebevolles "Guten Morgen, Sonnenschein" von Tarik weckt mich am nächsten Tag. Seine Anwesenheit überrascht mich, sodass ich gleich senkrecht im Bett sitze und ihn erschrocken, aber auch mit einer Spur Begeisterung anstarre. Tua beeindruckt unser unangekündigter Gast kein bisschen. Irritiert taste ich über die Matratze, dabei steht er in voller Kleidermontur hinter Tarik und schüttelt grinsend den Kopf, weil ich völlig verwirrt bin und wahrscheinlich dementsprechend aussehe, nicht nur, was meinen zwischen ihm und meinem Kumpel hin und her haschenden Blick anbelangt. Wie immer, wenn ich mal wieder vergessen habe, sie zusammenzubinden vor dem Schlafengehen, gleicht meine Haarpracht eher einem Vogelnest als einer wallenden, ordentlich definierten Lockenmähne. Tatsächlich lege ich sehr viel wert auf meine Haare, viel mehr als auf andere Äußerlichkeiten und die beiden Kerle die da vor mir stehen und mich amüsiert belächeln wissen das genau und ihr Lächeln wird noch ein wenig breiter als ich rasch alles von besagtem Vogelnest in einem verdammt unordentlich Dutt verschwinden lasse. Dass das etwas besser gemacht hat, bezweifle ich zwar, aber immerhin hab ich's versucht.

"Du bist gegangen?", fange ich mich langsam und drehe mich zu Tua. "Das hab ich gar nicht bemerkt."
"Weiß ich", antwortet er. "Erst wollte ich mich leise rausschleichen, dann hat Bastian den Geschirrspüler angeschrien und beleidigt - der scheint irgendwie kaputt zu sein - in einer Lautstärke, die Stean geweckt hat, der wütend in die Küche gestampft ist und Bastian angebrüllt hat und dann war mir klar, dass du wie ein Stein schlafen müsstest. Du hast nicht mal mit der Wimper gezuckt, trotz des ganzen Krachs."
"Er war kurz Jenn besuchen und ich bin mitgekommen, als er meinte, er geht zurück zu dir", mischt Tarik sich ein.
"Krasser Scheiß", murmele ich und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Die Müdigkeit ist überwältigend, ich könnte bestimmt sechs Tage mindestens durchschlafen.
"Los, steh auf, Stean hat Pancakes auf den Frühstückstisch gestellt und noch sind sie warm", befreit Tua mich aus dem Deckenknäuel und hebt mich hoch.
"Trägst du mich?", nuschele ich und schließe die Augen, um ein letztes Mal für heute die Isolation von dieser grausamen Welt zu genießen, die damit einhergeht.
"Wenn's sein muss", seufzt er, doch es ist rauszuhören, dass er eigentlich gerne den starken Mann spielt.

"Hey, Kleine, was ist denn mit dir los?", ertönt Bastians Stimme und er stiebt gegen meine Wange. Gähnend wende ich mich ab.
"Nimm Platz, Prinzessin", befiehlt Stean, der gerade die Butter aus dem Kühlschrank holt und ich werde von meinem Freund auf den Stuhl in Richtung Balkon gesetzt, den ich bevorzuge, wegen des Baums, den man von hier aus gut sehen kann und durch dessen Blätter das Licht der Sonne hübsch ins Zimmer fällt.
"Tarik, bist du im Bilde?", frage ich unseren plötzlichen Besucher. Hoffentlich weiß er Bescheid über den Blogeintrag, ich will nämlich absolut nicht darüber sprechen in meinem jetzigen zombieähnlichen Zustand.
Zum Glück nickt er. "Tua hat mich auf dem Weg in Kenntnis gesetzt."
"Okay", nicke ich ebenfalls, während ich mir Mandelmilch in den Kaffee schütte.
"Normalerweise hätte ich mich euch angeschlossen", verrät er Stean und Tua, "bloß schafft ihr das garantiert ohne mich."
"Du schließt dich niemandem an", fahre ich verärgert dazwischen. "Ich rede mit Lille und basta, keiner von euch poliert ihm die Fresse."
"Denk dran, es soll auch nachhaltig was bringen", neckt mich Bastian und ich boxe gegen seine Schulter.
Stean zuliebe esse ich zwei Pancakes mit Bananen und Blaubeeren und Haferflocken. Danach muss ich aufgeben, mein Magen fühlt sich so zugeschnürt wie ein Korsett an.
"Abends im Bunker bist du dabei?", hakt Tarik bei mir nach.
"Nee, er geht allein", deute ich zu Tua.
"Geh einfach mit", verdreht Tarik die Augen.
"Lass, Teddy, Stean kümmert sich brav um mich", winke ich ab.

"Vormittags redest du mit dem Spacken", konstatiert Bastian und beißt beherzt in sein Schinkenbrötchen.
"Drängel doch nicht", erwidere ich genervt.
"Du klärst das sofort oder willst du, dass es schlimmer wird?", insistiert er.
"Ich will, dass du dir deine blöden Anweisungen in den Arsch schiebst und mich in Ruhe lässt", knurre ich.
"Ist dir überhaupt irgendwo in der hintersten Ecke deines Erbsenhirns bewusst, dass der Zeitraum, über den die Schmach bereits im Netz kursiert, längst genügt, damit dein Vorgesetzter bei Universal sie beim Surfen zufällig entdecken kann? Das ist der erste Treffer, den dein Name bei Google erzielt, und was da über dich drin steht liefert deinem Chef einen Haufen Kündigungsgründe", argumentiert Bastian. "Solltest du ernsthaft die grandiose Idee weiterverfolgen und prokrastinieren, wirst du vielleicht morgen gefeuert werden."
"Offenbar ist der Post, wie du sagst, schon zu lange im Internet und ich kann die Situation eh nicht mehr retten. Das Risiko, das mein Boss bis morgen über mich recherchiert, ist außerdem ziemlich gering", halte ich dagegen.
"Bist du dumm oder glaubst du echt, dass das keine Konsequenzen nach sich zieht?", funkelt er mich herausfordernd an.
Die anderen drei Jungs gucken fasziniert und schweigend bei der Diskussion zu.
"Natürlich hat das Konsequenzen", verneine ich seine rhetorische Frage. "Die erste und wichtigste von allen ist, dass mein öffentlicher Ruf ruiniert wurde und dass das Internet nie vergisst und ich deshalb einem üblen Shitstorm ausgesetzt bin, der bald abflauen wird, sobald ein neues Hassobjekt gefunden ist."
"Bald?! Willst du mich verarschen? Bald - Deine Mudda, Iara. Das hält sich monatelang, wenn du nichts unternimmst und es geht auf die Psyche. Abgesehen davon, dass es deine Ausbildung gefährdet."
"Ich kann nix tun!", gestikuliere ich wild.
"Du kannst den Schaden minimieren!", flucht Bastian. "Stell den Typen zur Rede, der soll's löschen und das war's, dann ist die Sache geritzt!"

Womit er leider gewonnen hat, weil er Recht hat. Stean unterbricht mich, ehe ich mich um Kopf und Kragen reden und tierisch mit meinem Noch-Mitbwohner zerstreiten kann. (Wie ich ihm beibringe, dass ich demnächst ausziehen möchte, weiß ich auch noch nicht. Yay, es wird heiter! Nicht.)
"Fresse, alle beide!", ruft er.
"Ich will ihr nur helfen!", verteidigt Bastian sich.
"Ich bin nicht hängengeblieben, das hab ich schon verstanden", keift Stean.
"'Ne tolle Hilfe, bist du", murmele ich sarkastisch.
"Iara", tadelt mich Tarek mit streng zusammengezogenen Augenbrauen und ich brumme frustriert.
"Wir legen das Thema fürs Erste ad acta", schlägt Stean vor.
Bastian schnaubt. "Bin bei Julie", sagt er noch. Im nächsten Moment ist er zur Haustür raus.

ÜbergangslösungWhere stories live. Discover now