Gar nicht mal so seltsam

46 8 12
                                    

Mika hat noch einen Vorschlag, neben der WG, von dem Pari und ich schon wieder restlos begeistert sind.
"Ich finde, wir sollten das feiern, dass unser Squad endlich wieder vereint ist", meint er. "Der Alkohol geht auf mich, Mädels. Lasst uns zum Tegeler See und dort ein bisschen chillen."
"Es ist noch voll früh", murre ich, bin aber zu sehr damit beschäftigt, meinen Enthusiasmus im Zaum zu halten, als dass mein Einwand überzeugend klingen würde.
"Davor können wir ja was anderes machen", zuckt Mika die Achseln.
"Wie wär's mit frühstücken?", wirft Tua in die Runde und fängt von allen Belagerern seiner Wohnung, einschließlich mir, ein dankbares Nicken auf.
"Alles klar", seufzt er und öffnet seinen Kühlschrank. "Sandwiches und - Jemand Bock auf Pfannkuchen?"
"Tua", warne ich ihn. "Muss ich jetzt mit dir die Diskussion über die korrekte Bezeichnung für Eierkuchen anfangen?"
"Ach, komm", stöhnt er. "Ich bin nicht von hier. Quäl doch bitte irgendwen anders damit. Für mich sind deine Pfannkuchen Berliner und basta."
"Das sind nicht meine Pfannkuchen, das sind jedermanns Pfannkuchen, weil das die korrekte Bezeichnung ist", erwidere ich beleidigt.
"Hey, Themenwechsel", ruft Pari fröhlich und holt einen Zettel aus ihrer Tasche. "Gestern war mir langweilig und dann ist mein Bildschirmschoner angegangen. Ihr wisst, das Foto von uns auf Iaras neunzehntem Geburtstag. Da musste ich direkt meinen Stift zücken und ein bisschen rumkritzeln und wahrscheinlich hat mit reingespielt, dass ich gerade die Harry Potter Reihe zum zweiten Mal lese. Auf jeden Fall kam das dabei raus." Und sie entfaltet ihre Interpretation von uns als goldenes Trio in ihrem hübschen Mangazeichenstil. Wir tragen sogar alle passende Gryffindor-Uniformen.
"Dieses Kunstwerk drucken wir auf eine Leinwand und hängen es im Eingangsbereich auf", beschließe.
"Am besten so, dass es das Erste ist, was man sieht, wenn man reinkommt", pflichtet Mika mir sofort bei und schlägt sich mit der flachen Hand völlig unvermittelt gegen die Stirn.
"Was ist?", frage ich.
"Ich bin ein Idiot", murmelt er. "Leute, ich verspreche euch, dass wir das mit dem Trinken nachholen. Ich bin verabredet und bin - Jap, fast zwanzig Minuten zu spät. Tut mir wahnsinnig leid." Hastig steht er auf und richtet den Kragen seiner Jacke, der ein wenig verdreht ist.
"Verabredet? Mit wem denn?", erkundigt sich Pari und rührt abwartend in ihrer Kaffeetasse.
"Die Erklärung verschieben wir", will er flüchten, doch Tua hält ihn auf.
"Mika", ruft er und der Herbefehligte reckt leicht verärgert seinen Kopf durch die Tür.
"Nimm das Sandwich wenigstens mit, ich schmier dir das doch nicht umsonst", klatscht er ihm die Tüte in die Hand.
"Danke, Mann", schlägt Mika bei ihm ein.
"Ist deine Verabredung eine Sie?", beeile ich mich mit meinen Nachforschungen.
"Ja und jetzt muss ich los, Iari", fasst er meinen und Paris Namen zusammen, was er manchmal tut, wenn ihm alles zu langsam geht.
"Tschüssi", verabschieden wir uns und da ist er auch schon fort.

"Wo wir ja alle noch keine Pläne für heute Abend haben", beginne ich und werfe einen Blick in die Runde, der keine Widerrede zulässt, "schlage ich vor, dass wir uns gegen einundzwanzig Uhr bei Pari und Ivo treffen und uns von dort aus auf den Weg in die Bar des Kokainklan machen. Stean ist nämlich in der Stadt."
"Ivo und ich wollten sowieso hin", zuckt Pari gleichgültig die Schultern.
"Achso, ich vergaß", werfe ich ein. "Tim wird mitkommen, ich stelle ihn euch vor und wir trinken einfach ein bisschen gemeinschaftlich", gebe ich die Information preis, die ich natürlich nicht vergessen, sondern lediglich zurückgehalten habe.
Pari stöhnt genervt auf. "Manno, ich wollte einen entspannten Abend in der KKK-Bar und dann funkst du mir mit deinen verrückten Ideen dazwischen."
"Und ich wollte was mit Jenn machen", protestiert Tua ebenfalls.
"Du kannst danach was mit Jenn machen; es steht doch nichts fest, oder?", versuche ich ihn zu beruhigen.
"Trotzdem. Du kannst nicht meine Freizeit verplanen", schmollt er.
"Bitte", schiebe ich die Unterlippe vor und setze einen flehenden Ausdruck auf.
"Hör auf so zu gucken!", heischt er mich beleidigt an.
"Naw, armes Tua", bekunde ich mein Mitleid und er zieht kurz an meinem Zopf.
"Unfair", imitiert er mich.
"Die Taktik ist, dich mit deinen eigenen Mitteln zu konfrontieren", erläutere ich.
"Toll", schnippst Pari vor meinem Gesicht rum. "Und was ist die Taktik für mich?"
"Du lernst jemanden kennen, der nur gut für dich sein kann und den du attraktiv finden wirst", umreiße ich die Strategie.
"Iara, ich bin eingerostet und will gerade generell nicht flirten", sagt sie überdeutlich.
"Du wirst es tun. Unterbewusst und subtil. Vertrau mir."
"Das hat nix mit Vertrauen zu tun, ich vertraue dir. Es geht darum, dass ich keine Zeit für eine Beziehung habe beziehungsweise mich überhaupt nicht damit auseinandersetzen möchte zurzeit. Die Uni hat Vorrang, momentan sind etliche Vorlesungen und es stehen viele Projekte an."
"Das ist kein Grund, um Dates komplett auszuschließen. Tim arbeitet, Pari, der hat selbst kaum Zeit", entkräfte ich ihre Argumentation und sie schlürft etwas verzweifelt einen weiteren Schluck Kaffee. "Du willst es nicht verstehen, oder?"
"Ein Nein gilt nicht", stelle ich klar. "Du kommst mit und jetzt gib endlich nach, ich muss Tim schließlich auch noch überreden und Gott weiß wie lange das dauern wird."
Pari schweigt und ich beiße zufrieden in mein Sandwich, während ich mir gleichzeitig Bananenscheiben auf meinen Eierkuchen schaufele und Honig drüberträufle.
Tua sieht zufrieden aus, als er meinen Hunger bemerkt. Die Sache mit dem wenigen Essen macht ihm noch immer Sorgen, obwohl sie für mich längst ausgestanden ist. Zumindest hoffe ich das inständig.
"Ist er wirklich ein Hingucker?", meldet sich Pari zwischen zwei Gabelb ihres Nutella-Eierkuchens zu Wort.
"Tim? Besser als das", versichere ich ihr.
"Verdammt, Iara, du machst mich fertig." Gedankenverloren schnappt sie sich eine Cherrytomate aus der kleinen Schüssel neben dem Brotkorb.
"Das hör ich öfters", antworte ich schlicht.
Pari grinst Tua an und der grinst zurück.
"Sie ist ein seltsames Wesen", zeigt meine beste Freundin auf mich und mein Freund stimmt ihr zu.
"Ey, a) bin ich nicht so seltsam und b) sitze ich neben euch, ihr könnt nicht in meiner Anwesenheit über mich lästern", echauffiere ich mich, aber Pari und Tua schütteln bloß lächelnd den Kopf.
"Doch bist du", meint er und küsst mich und ich muss ihm leider Glauben schenken.

ÜbergangslösungWhere stories live. Discover now