Wähle deine Männer stets mit Bedacht

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Einige Stunden später, wanken Carrie und ich noch toll kichernd von der Euphorie des Einkaufs an Steans Seite zu Bastian und mir. Mein Mitbewohner ist nicht zurückgekehrt und ich bezweifle irgendwie, dass er das heute Nacht tun wird. Tua hängt auf der Couch und sieht sich einen kulturell wichtig wirkenden Film, der seine volle Aufmerksamkeit allerdings nicht besonders fesseln kann.
"Die drei apokalyptischen Reiter sind hier", meint er benommen, als er das verrückte Grinsen bemerkt, dass Carrie und ich auf unseren Gesichtern zur Schau stellen.
"Zwei der drei apokalyptischen Reiter haben wunderschöne Kleider im Gepäck, in denen sie absolut umwerfend aussehen werden am näherrückenden Hochzeitstag. Apokalyptischer Reiter Nummer 3 wiederum präsentiert sich auf jener Veranstaltung in Armani", deute ich auf Stean.
"Apokalyptischer Reiter Nummer 3 erwartet in der Kategorie hammergeil aussehend von apokalyptischem Stubenhocker überboten zu werden", fordert Stean Tua auf.
"Apokalyptischer Stubenhocker wird seine Überlegungen bezüglich des Themas anstellen", nickt Tua ernst, bevor er aufsteht und mich kurz zur Begrüßung küsst.
"Hey Carrie", umarmt er meine Schwester.
"Hey Tua", lächelt sie freundlich.
"Ich wollte mich jetzt auf den Weg zum Bunker machen. Du bist ganz sicher, dass du nicht mitkommen willst?", hakt er nochmal nach.
"Todsicher", verneine ich. "Aber bring uns später was zu essen mit, bitte", verabschiede ich mich.
"Mach ich, ich bin gegen eins spätestens wieder da", verspricht er.
"Kein Stress", küsse ich ihn am Hals, weil ich zu faul bin, mich höher zu schrauben.
"Bis nachher", ruft er, dann ist er zur Tür raus.
"Also, Schwesterherz", sagt Carrie feierlich. "Du bist gezwungen mir alles aus deinem Leben zu berichten, was ich verpasst habe."
Müde verdrehe ich die Augen. Das Erzählen wird anstrengend, aber was soll's.

"Und Stean denkt, Lille ist möglicherweise in mich verliebt und dieser Blogpost, wäre aus Liebeskummer entstanden", schließe ich nach einer Stunde, in der ich sowohl geweint habe, wegen der vielen schmerzlichen Erinnerungen an die Zeit ohne Tua, als auch gelacht. Carrie kann mit ihrem bezaubernden Humor alles in ein lustigeres Licht tauchen und sei der Kontext noch so düster.
Stean hat sich gleich am Anfang unseres schwesterlichen Gesprächs in mein Zimmer zurückgezogen, wo er die Mangas liest, die ich auf Paris Empfehlung hin gekauft habe.
"Wie ich das sehe, hattest du den größeren Liebeskummer. Was bin ich froh, dass ihr euch am Ende zusammengerauft habt, denn Sinan meinte, du wärst kaum anzusehen."
"Schreibst du eigentlich viel mit Sinan?"
"Ausreichend um über seine neue Flamme Patrick Bescheid zu wissen", schneidet sie eine witzige Grimasse.
"Die sind so niedlich!", quietsche ich und höre mich dabei stark nach Pari an.
"Außerdem: Vergiss nicht, wer dich in deinen Freundeskreis integriert hat. Ich kenne FIA seit Ewigkeiten über Marten und Benjamin, genauso wie ich deinen Freund länger kenne. Nur deine Jungs, die KKK-Jungs, die sind mir erst durch dich aufgefallen. Stean ist ein Goldstück."
"Das sagst du nur, weil ihr Sex hattet."
"Oh, ich hatte auch mit Maurice und Bastian Sex, aber die würde ich nicht als Goldstücke betiteln."
"Wie wählst du deine Männer eigentlich aus, Schwesterchen?"
"Mit Bedacht, auch wenn es vielleicht nicht so wirkt. Jeder, mit dem ich mal geschlafen habe, steht bei mir hoch im Kurs, weißt du? Es geht darum, jemanden zu finden, der potentiell eine lohnende Ergänzung wäre. Bei dir war Karate Andi bloß ein Lückenfüller, aber so betrachte ich die Sache nicht mehr. Alles Kerle sind einzigartig und man muss ihre Einzigartigkeit auskosten, wenn man die Gelegenheit dazu bekommt."
"Was macht Stean und Bastian einzigartig?"
"Hm. Stean ist - Er ist ein Romantiker, langsam und er lässt sich Zeit und es funktioniert super. Bastian ist da härter drauf, bei ihm geht es Schlag auf Schlag, aber das hat etwas für sich. Es ist nicht romantisch, sondern dreckig."
"Warte, geht es dir um die Einzigartigkeit beim Sex?", lache ich.
"Ähm, nein, natürlich interessiere ich mich für den Menschen", verteidigt sie sich ironisch.
"Und Maurice?"
"Maurice ist klug. In allen Bereichen des Lebens und Genießens. Was sind dir denn so für Unterschiede zwischen deinen Typen untergekommen, hä?"
"Meine Typen haben immer zu meinem Alter gepasst", mutmaße ich. "Mit sechzehn hab ich mir nichts besseres als Harvey wünschen können und dann mit achtzehn, als ich älter wurde, da begann ich, mir etwas zu wünschen, das anders wäre. Und, halleluja, Tua war ganz schön was anderes. Genauso wie Andi dann wieder was vollkommen anderes war. Es musste abwechslungsreich für mich sein."
"Ist dir Abwechslung weiter wichtig?"
"Nö, ich habe alle Abwechslung, die ich benötige."
"Ich auch."
Wir geben uns einen High Five und lachen über unsere unkonventionelle  Betrachtung der Männerwelt.

Auf dem Couchtisch fällt mir Tuas Handy auf. Kopfschüttelnd wähle ich Tariks Nummer.
"Hey, was geht?", meldet er sich.
"Hi, Teddy!", flöte ich. "Gibst du mir Tua, der hat sein Handy bei mir liegen gelassen."
"Claro, un momento."
"Iara, meine Göttin, was kann ich für dich tun?"
"Nennst du mich ab jetzt immer deine Göttin?", pruste ich.
"Dann musst du mich im Gegenzug schon als deinen Gott ansprechen."
"Das hab ich ja wohl oft genug zwischen Kissen und Decken getan, oder?"
"Definiere oft genug, ich hör das gerne aus deinem Mund."
"Das kann ich mir vorstellen, du Kiffer", verurteile ich ihn indirekt.
"Die Bong war gestopft und wurde rumgereicht, ich konnte nicht widerstehen, sorry", entschuldigt er sich.
"Ach, mir ist das doch scheißegal. Da du allerdings dein Handy hier vergessen hast, würde ich an deiner Stelle mal eben überprüfen, ob dein Kopf noch an deinem Körper befestigt oder du ihn vielleicht irgendwo auf der Party verloren hast."
"Der sitzt noch gut."
"Ich möchte eine zweite Meinung zurate ziehen."
Das Handy wird weitergereicht und Nico versichert: "Kopf befindet sich an anatomisch korrekter Position."
"Großartig, dann verschreckst du ja auch den Imbissbesitzer nicht, sobald du unser Abendessen besorgst."
"Soll ich andere Dinge ebenfalls besorgen?"
"Nach Hause kommen sollst du, du Spinner", gluckse ich.
"Du hast das Wort Spinner mit dem Wort Gott verwechselt."
"Rawr, dann komm endlich heim, Sexgott, und vergiss das Essen nicht."
"Bäh, bist du widerlich."
"Selber widerlich, ich will Falafel mit ganz viel Knoblauchsoße."
"Willst du mich ärgern?"
"Nein, lediglich mit meinem verseuchten Atem erledigen und deine Leiche nächtens verscharren."
"Das beruhigt mich."
"Kommst du endlich nach Hause?"
"Hör mal."
Ich lausche, aber hören tue nichts.
"Ick hör nischt", klage ich.
"Liegt wohl daran, dass ich den lärmenden Bunker samt Belegschaft verlassen habe und unterwegs zu dir bin."
"Braves Tua."
"Du solltest in der Zwischenzeit alle rausschmeißen, die auf den Schlaf unterbrechende Stöhngeräusche heute verzichten wollen."
"Meinetwegen, bis gleich."
"Bis gleich."

Ich entlasse Carrie und Stean, die einen gemeinsamen Nachtspaziergang zu Henrys Wohnung machen möchten.
Tuas Auftauchen ist verbunden mit allerlei geflüsterten dreckigen Nichtigkeiten, getränkt in Knoblauchsoße, die mein dampfendes Falafel umhüllt, das ich schnurpsend verzehre und dessen Anschaffung angemessen mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss belohnt wird.
Mein Freund ist wirklich ordentlich zugedrohnt, was dazu führt, dass ihm Ernsthaftigkeit nicht richtig liegt und wir aufgrund seiner dummen Witze lachend über das Sofa kugeln.
Eine Minute verabschiede ich mich ins Bad, wo ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritze. Als ich zurückkomme liegt Tua mit halboffenem Mund und geschlossenen Augen da. Auf meinen Kuss reagiert er noch, aber kurz darauf schnarcht er leise und ich nehme ihn, obwohl er viel zu groß für mich ist, in meine Arme und penne wie er im Wohnzimmer ein.

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