Code Janus - Teil 3

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Der Schuss ertönte, Richard ging zu Boden und Sherlock wurde zurückgeschleudert.
Es war geschehen, es hatte funktioniert!
Richard hatte seinen letzten großen Auftritt grandios erledigt!
Meine kleine Diva war von der großen Bühne abgetreten und zwar ganz genau so, wie ich es von ihm erwartet hatte.
Wunderbar.

Ob er im letzten Bruchteil einer Sekunde seines Lebens noch fähig gewesen war, so etwas wie Überraschung zu fühlen? Schreck? Oder gar Enttäuschung und Trauer?
Nein, sicher nicht. Es ging zu schnell. Er hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, dass die Waffe erstens eine Echte war und zweitens so manipuliert, dass ihr Abzug auf deutlich weniger Druck reagierte als normal. Ich hatte nicht das Risiko eingehen wollen, dass der Kleine durch ein Zögern oder eine Zaghaftigkeit die ganze Operation gefährdete.

Ich fragte mich, ob ich den Kleinen vermissen würde. Nun, er hatte schlussendlich nach meinem Drehbuch gespielt. Zwischendurch hatte er mal versucht, mir in die Quere zu kommen und war anstrengend gewesen. Aber er hatte sich wieder eingekriegt und er war ein verdammt guter Schauspieler gewesen. Er hatte der Welt genau den Moriarty präsentiert, den sie sehen wollte und den sie erwartet hatte.

Und er war ein verdammt guter Fick gewesen.

Also – ja, ein klein bisschen würde ich ihn vermissen. Bis heute Abend vielleicht.

Die Blut lief aus Richards Hinterkopf und sammelte sich in einer großen Lache auf dem schmutzigen und vom letzten Regen noch nassen Dach des Barts zu Sherlocks Füßen. Der starrte entsetzt auf die Szene, die vor ihm lag.

Wenn direkt vor deiner Nase jemand erschossen wird und dabei Blut fließt, dann nimmt dich das mit. Da kann man noch so gefühlskalt sein. Man erschrickt, das Herz schlägt schneller, Schweiß bricht aus und der Atem stockt einem. Das sind pure, durch die Flutung des Körpers mit Adrenalin ausgelöste Überlebensreaktionen.
Und genau solche sah man jetzt bei Sherlock.
Und so gerne ich ihm weiter dabei zugesehen hätte, musste ich mich jetzt erst mal von seinem Anblick auf dem Bildschirm lösen. Jetzt galt es, selber wieder am Geschehen teilzunehmen und „John Watson" ins Rennen zu schicken.

Ich verließ also den Lieferwagen und stieg in das wartende Taxi.
Was Sherlock in diesen Augenblicken auf dem Dach den Krankenhauses durchlebte, konnte ich mir kaum vorstellen.
Es musste ihm klar werden, dass es nun keinen Ausweg mehr gab.
Oder um genau zu sein, dass es nur noch einen einzigen Ausweg gab, um seine Freunde, seine einzigen Freunde, Mrs. Hudson, DI Lestrade und „John" zu retten.
Ich musste grinsen bei der Vorstellung, wie diese Gedanken nun nach dem ersten Schrecken langsam aber unausweichlich in seinem Hirn Platz einnahmen.

Nur noch eine Möglichkeit blieb ihm, nämlich das zu tun, was „Moriarty" von ihm verlangt hatte.
Nämlich zu springen.
Er würde jetzt dort oben stehen und verzweifelt nach einer Lösung suchen, aber was sollte er tun?
Die Polizei anrufen?
Mycroft alarmieren?
Nach seiner Mama schreien – warum nicht, das wäre mit Sicherheit genau so effektiv und vor allem Erfolg versprechend, wie die anderen Ideen.
Nein, es gab keine andere Möglichkeit für ihn.
Ich hatte es alles bis ins Haarkleinste eingefädelt.

Das Taxi brauchte nur wenige Minuten, immerhin war ich nur ein paar Straßen vom Barts entfernt. Dennoch nutzte ich die Zeit, um noch einmal über das Kommende nachzudenken.
Würde er wirklich springen? Wären seine Freunde ihm wichtig genug, dass Sherlock tatsächlich in den Tod gehen würde? Nun, ich kannte ihn gut genug, um das bejahen zu können.
Wie oft hatte er gesagt, Gefühle seien ein chemischer Defekt, der nur vom Denken abhielte? Wie oft hatte er sich aber dann so verhalten, dass er ganz klar gezeigt hatte, dass ein eigenes Herz seine Worte Lügen strafte?

Er würde springen.
Mein Herz zog sich zusammen. Ihn, ja das konnte ich nicht abstreiten, ihn würde ich deutlich mehr vermissen als Richard.
Dieses Verliebt sein ist so unpraktisch. Und im Großen und Ganzen war ich froh, dass ich es in wenigen Minuten los sein würde. Na ja, mir war schon klar, dass es ganz so einfach nicht sein würde und schon ein paar Tage länger dauern würde. Aber wenn derjenige, in den ich verliebt war nicht mehr existierte, dann würde es einfacher werden dieses lästige Gefühl abzulegen.
Und, das schwor ich mir, irgendwie würde ich es hin bekommen, dass mir das nie wieder geschehen würde.
Aber das würde wohl auch nicht allzu schwer sein, denn es gab wohl kaum noch mal einen so besonderen Menschen wie Sherlock. Und mit irgendeinem Ameisenmenschen war so etwas nicht vorstellbar. Die taugten nur als Staffage für mein Leben und wenn nötig auch meine Lust. Aber das war mit dem, was Sherlock für mich war, natürlich nicht vergleichbar.

Das Taxi war inzwischen vor dem Krankenhaus angekommen.
Ich atmete tief durch. „Auf zum letzten Akt! Jetzt bloß keine Schwäche zeigen, John Hamish Moriarty!", sagte ich mir.
Ich öffnete den Wagen und sprang heraus, auf das regennasse Pflaster. Wie in einem schlechten Film, dachte ich, in der dramatischsten Szene regnet es. Ich riss mich zusammen. „Du kannst jetzt nicht einfach los kichern, Moriarty", sagte ich mir, „nicht hier, wo dein Geliebter sich gleich in den Tod stürzen wird." Irgendwie reizte mich dieser absurde Gedanke noch mehr dazu, zu kichern. Aber es gelang mir dann doch, eine ernste Miene aufzusetzen.

Ich wusste, er würde da oben stehen. Aber ich schaute noch nicht hinauf.
Ich lief auf das St. Barts zu, als das geschah, was ich erwartet hatte:
John Watsons Handy läutete.
Ich blickte auf das Display.
Sherlock.

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