Entscheidungen - Teil 3

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Auf diese Nacht in Dartmore möchte ich hier noch einmal kurz eingehen, weil sie ein ganz entscheidender Schritt war und eine und für mich völlig unerwartete Phase einleutete.
Sie zeigte mir daher überdeutlich, dass es dringend an der Zeit war, die ganze Sache zu beenden.

Wir waren zu Dritt in meinem Zimmer, um über den Fall zu sprechen. Es war zu dramatischen Ereignissen gekommen, der Mörder war tot. Lestrade und Sherlock diskutierten die Einzelheiten und ich, John Watson, saß daneben und „hing meinen Gedanken nach". Ich, Moriarty, beobachtete ihn auf das Schärfste.
Er schwankte irgendwo zwischen einer Spannung, die nicht mehr mit dem Fall zusammenhing, denn der war ja gelöst und einer inneren Ruhe ... es war eigenartig und ich hatte das Gefühl, dass er meine Entscheidung, seinem Werben nachzugeben, irgendwie spürte.

Schließlich verabschiedete sich Lestrade. Er war müde und wollte, so wie wir, ebenfalls morgen zurück nach London. Er ging also in sein Zimmer, um sich schlafen zu legen und Sherlock und ich waren nun allein.
Er streckte sich.
„Ich sollte ebenfalls schlafen gehen...", sagte er, aber sein Blick, den er mir in diesem Moment zuwarf, sprach deutlich eine andere Sprache.
Ich räusperte mich.
„Bleib... Bitte..."
Er sah mich an. Erstaunt, abwartend und irgendwie schüchtern...

So ein John Watson konnte nun natürlich nicht einfach sagen, was er sich wünschte. Ich musste daher ziemlich herum stottern. Lästig.
„Bleib ... ich ... komm."
Ich saß auf der Kannte meines Bettes und klopfte mit der Hand auf das Laken direkt neben mir.
Er setzte sich.
Ich nahm vorsichtig seine Hand in meine.
„Sherlock, ich ..."
Schweigen.

Und dann zog ich ihn zu mir und küsste ihn.
Seine Lippen schmeckten nach Rauch und Tee und seine Locken, in denen meine Hände nun wühlten, fühlten sich an wie gesponnene Seide.
Das schlimmste war, dass ich in diesem Moment solch kitschige und sentimentale Dinge tatsächlich dachte.
Wir begannen uns gegenseitig die Kleidung vom Leib zu streifen und kurze Zeit später lag er auf dem Bett, nackt. Ich kniete ebenso unbekleidet über ihm, ihn immer noch küssend.

Es war der Beginn einer Nacht voller Lust und Leidenschaft.
Es war wunderbar und doch irgendwie erschreckend. Denn ich stellte zu meiner Überraschung fest, dass ich keinerlei Wunsch verspürte ihm weh zu tun. Das war ungewöhnlich und machte mir ein wenig Sorgen.
Es schien, als würde dieser Mensch beginnen, mir etwas zu bedeuten. So etwas war mir im Leben noch nie passiert und es gefiel mir nicht.
All das, wessen ich mir bisher so sicher gewesen war – ich habe keine Gefühle, ich empfinde nichts für irgendjemanden, Menschen sind Abfall und nur dafür da, die Bühne für mein Spiel mit Staffage auszustatten – schien ins Wanken zu geraten.
Nun gut, Sherlock war nicht irgendein Ameisenmensch. Er war, wie ich bereits betont habe, mit mir vergleichbar. Er kam an meine Brillanz nicht heran, aber er kam ihr nahe.
Vermutlich war das der Grund ...
Aber wie auch immer.
Ich musste etwas dagegen unternehmen.
Und so fiel in dieser Nacht eine weitere Entscheidung:
Es war an der Zeit, sein Ende einzuläuten.

Daher kam ich in den nächsten Wochen kaum eine Sekunde zur Ruhe, denn ich hatte viel zu tun.
Auf der einen Seite gab ich mir große Mühe, den verliebten John Watson zu spielen. Und ich spielte perfekt. Dabei genoss ich alles, was das an Vergnügen so mit sich brachte. Und wir hatten eine Menge Sex in dieser Zeit, das muss man schon sagen. Es war großartig und ich glaube, es hat einigen kleine Nutten und Strichern das Leben gerettet, die sonst für mein Vergnügen hätten herhalten müssen ... nicht dass das einen Unterschied gemacht hätte.
Nebenbei durfte ich auch Richard nicht vernachlässigen, denn der würde in absehbarer Zeit einiges ziemlich heikles für mich leisten müssen. Und das würde nur dann zuverlässig klappen, wenn ich ihn bei Laune hielt.
Also teilte ich auch mit ihm weiterhin das Bett und flüsterte ihm Versprechen ins Ohr.

Und dann war es notwendig, die Dinge auszulösen, die zum Ende führen sollten.
Ich musste Leute, die ich bestochen hatte, informieren, dass nun bald der Moment käme, wo ich die Gegenleistung einfordern würde. Ich musste Drohungen verstärken, Daumenschrauben anziehen, Informationen einholen und zukommen lassen; Leute an die richtige Position bringen.
Ich musste Fäden ziehen und Puppen tanzen lassen.
Schachfiguren auf die richtigen Stellen auf dem Spielbrett platzieren.

Unsere Beziehung hielten wir vorerst geheim, auf „Sherlock Wunsch". Ich hatte ihn gut genug in der Hand, um ihn entsprechend manipulieren zu können.
Ich bestreite nicht, dass es eine aufregende, arbeitsreiche aber zugleich schöne Zeit war.
Ich genoss es.
Ich genoss es zu sehr.
Dass ich, John Hamish Moriarty, eines Tages so schwach und dumm sein würde, etwas für einen anderen Menschen zu empfinden, und sei es auch ein Nahezu-Genie wie Sherlock Holmes, hätte ich nie für möglich gehalten.
Aber es war geschehen und mir bleib nun nichts weiter übrig, als das Beste daraus zu machen.
Und das Beste war einfach, es zu genießen und dann ein furioses Ende zu bereiten.
Und danach?
Würde es tatsächlich passieren, dass er mir fehlen würde?
Ich wusste nicht genau, was sein Tod mit mir machen würde ...
Dennoch zweifelte ich nicht eine Sekunde an meinem Vorhaben.

Ich könnte, so ging mir durch den Sinn, die Scharfschützin heiraten, wenn alles vorbei wäre. Mary Morstan ... ja, das wäre eine gute Idee.
Sie würde den gebrochenen John Watson wieder aufrichten und dann würde John, um die ganzen Erinnerungen hinter sich zu lassen, mit ihr ins Ausland gehen um anderswo neu anzufangen ... das wäre ein guter Weg, John Watsons Existenz zu beenden.

Als ich in diesem Augenblick feststellen musste, dass mir doch tatsächlich auch das Leben als der dumme kleine Armydoktor John Watson fehlen würde, bleib mir gerade zu die Luft weg vor Schrecken.
Und das war der Moment, wo die Würfel endgültig fielen.

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