The Great Game - Teil 8

48 8 1
                                    


Der nächste Mord war eine belanglose Sache und ich veranlasste ihn eigentlich aus zwei Gründen: zum einen, weil ich Sherlock wieder ein paar Hinweise hinterlassen wollte.
Und zum anderen, weil mich die Ermordete einfach unsagbar nervte.
Es handelte sich um eine fürchterliche Frau, die so etwas wie ein Fernsehstar war. Oh mein Gott, ich verstand nicht und kann bis heute nicht verstehen, wie man so etwas Oberflächliches und Enervierendes bewundern konnte.

Da ich mich bei unserer Vermieterin, Mrs. Hudson, einschmeicheln wollte – schließlich gehörte das zum Gesamtpaket John Watson – war ich des Öfteren schon gezwungen gewesen, beim Tee mir ihr fernzusehen. Es gab vieles unsagbar Übles, was so über die Mattscheibe flimmerte. Aber diese schreckliche Person, Connie Prince und ihre grauenhafte Show, waren mehr, als ich ertragen konnte.
Als daher die Anfrage an mich herangetragen worden war, sie aus dem Wege zu schaffen, war ich sofort und mit Freuden dabei gewesen.

Als es soweit war, schleppte ich Sherlock in einen kleinen Asia-Imbiss und zwar genau zur Sendezeit der merkwürdigen Umstyling-Show dieser Person.
Doch bevor mein Richard den nächsten Statisten anrufen lassen würde, war noch etwas Zeit.
Also beschloss ich aufs Ganze zu gehen und Sherlock direkt zu fragen, während ich auf ziemlich miesen Bratnudeln mit Hühnchen herum kaute (wäre ich als ich selbst hier gewesen, hätte ich den Koch in seinem eigenen Wok in heißem Öl gesotten.)

Also fragte ich ihn:
„Hören Sie, Sherlock. Warum spielt der Bombenleger mit Ihnen? Haben Sie eine Idee?"
Und als er schwieg setzte ich nach:
„Ist er es? Moriarty?"
„Denkbar", wiegelte Sherlock ab. Doch am Spiel der Muskeln in seinem Gesicht konnte ich erkennen: Er war fest davon überzeugt. Gut. Sehr gut.

Ich wandte mich wieder dem beinahe ungenießbaren Hühnchengericht zu und musste für mich zugeben, dass ich in gewisser Hinsicht im Moment eine Art Tiefpunkt erreicht hatte.
Ja, es machte immer noch großen Spaß an Sherlocks Seite Verbrecher zu jagen. Ja, ich hatte immer noch keine Langeweile, nicht eine Sekunde. Und ja, es war immer noch unübersehbar, dass ich meine Rolle perfekt spielte.
Aber dieser Perfektionismus machte mir im Moment das Leben ein wenig schwer.
Ich kann das Wichtigste zusammen fassen: schlechte Kleidung, schlechtes Essen und mieses Fernsehprogramm. Ich war da einfach andere Dinge gewöhnt.

Ich war auch schon früher immer mal wieder in Rollen geschlüpft. Das gehört zum Job und eigentlich mache ich das auch ganz gerne. Aber über einen so langen Zeitraum, Tag um Tag und eigentlich rund um die Uhr, denn auch wenn ich meine Zeit nicht mit Sherlock verbrachte, bewegte ich mich in „unserem" Umfeld und musste mich entsprechend verhalten, das hatte ich so in dieser Form noch nicht gehabt.
Aber es waren nur noch wenige Tage, bis es zu einem ersten, wirklich großen Höhepunkt kommen sollte. Das hielt mich aufrecht und so überstand ich auch ranzig schmeckendes Fett, kratzige Isle Of Man Pullover und kreischende TV-Stimmen.

Schließlich piepte das Handy und Sherlock erhielt zuerst eine Bildnachricht und kurz darauf einen Anruf.
Hinweise gab ich ihm genug.
Die Geisel diesmal hatte ein schwaches Herz und war blind. Also genau wie Sherlock, zumindest mir gegenüber.
Es ging wieder um Botulinum. Also ein Gift, dass durch den Powers Fall eine direkte Beziehung zu Sherlock hat.
Es war eine Katze involviert und Katzen haben eine vielfältige Symbolik, stehen aber in vielen Kulturen für Falschheit und Hinterhältigkeit. Nicht umsonst gibt es Begriffe wie „katzenfreundlich" für jemanden, der dir schön tut und dir doch am liebsten das Messer in den Rücken rammen würde.
Was ja auch in vielerlei Hinsicht auf mich zutrifft. Warum auch nicht. Es gibt kaum jemanden auf der Welt, der meine ehrliche Feindschaft wert ist.

Na ja und zu guter Letzt wurde Connie Prince von jemandem aus ihrem engsten Umfeld getötet. Jemand, der ebenfalls immer katzenfreundlich zu ihr gewesen ist.
Jemand, der sich in gewisser Weise auch um ihre gesundheitlichen Belange gekümmert hatte, denn das Spritzen von Botox ist nicht ungefährlich für die Gesundheit ...

Sherlock fand schnell heraus, dass der Butler, der mit ihr und ihrem Bruder zusammen im Haus lebte, für ihren Tod verantwortlich war und schloss auch diesen Fall in der ihm zur Verfügung gestellten Zeit ab.
Doch meine Hinweise sah er nicht.
Die Blindheit des Herzens, sie war schon vieler kluger Männer Tod.

Am Ende dieses Falles ging ein bisschen was schief. Nun, nicht für mich.
Die Geisel war, wie gesagt, blind, daher hatte Richard ihr die Nachrichten, die sie sprechen sollte, auf ein paar In-Ear-Kopfhörer gefunkt.
Und als es vorbei war und sie von der Polizei hätte gerettet werden können, begann sie, Richards Stimme zu beschreiben.
Die dumme alte Kuh.

Ich reagierte sofort und veranlasste durch einen einzigen Knopfdruck auf meinem Handy, dass eine SMS abging mit dem Wortlaut „Bumm!" und meine Scharfschützen die Alte abschossen.
Ich wollte meinen Richard immerhin nicht in Gefahr wissen. Schließlich musste er gesund und munter sein und ein freier Mann für all das, was ich noch mit ihm vorhatte.
Nun, letzten Endes war das alles nicht weiter schlimm.
Ein Wohnblock flog in die Luft und es gab einen Haufen Toter und Verletzter.
Egal.
Eigentlich sogar ganz lustig, denn technisch gesehen hatte Sherlock den Fall gelöst; dennoch fühlte er sich, als hätte er diese Runde verloren.

Später saßen wir beide in der Baker Street und Sherlock grübelte vor sich hin.
„Er hat die alte Dame in die Luft gesprengt", sagte er, „als sie begann, ihn zu beschreiben. Er hat sich in die Schusslinie begeben."

Nun, nicht ganz, Sherlock ...

„Sherlock, wie meinen Sie das?"
„Nun, gewöhnlich ist er nicht derjenige der selbst Hand anlegt, sondern er organisiert das alles und bleibt selber im Hintergrund. Niemand hat je einen direkten Kontakt."

Das kann man sehen, wie man will, mein Lieber ... Du schon, nur du weißt es nicht ...

„Wie", stotterte ich, „Sie meinen, er organisiert diese Morde? Diese Verbrechen? Man bestellt so etwas bei ihm und er lässt es dann erledigen?"
Ich setzte meinen erschüttertsten Gesichtsausdruck auf.
„Ja, John. Originell, nicht? Wäre ich nicht Consulting Detektive, wäre das vielleicht ein interessantes Geschäftsfeld gewesen ..."

Ach Sherlock, selbsternannter Soziopath mit butterweichem Herzen. Glaub mir, du würdest kläglich untergehen.
Du taugst nicht zum Bösen.
Schade eigentlich.

Das Janus ProjektWhere stories live. Discover now