Prolog I - Wer ich bin

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Mein Name ist Moriarty.
J. Moriarty.
Und ich bin ein kriminelles Mastermind.

Das ist nicht so arrogant gemeint, wie es vielleicht klingt. Es ist eher eine auf schlichten Tatsachen beruhende Feststellung. Dass ich kriminell bin, lässt sich nicht bestreiten, doch darüber hinaus bin ich auch einfach intelligenter als jeder andere Mensch auf dieser Erde.

Ich war schon immer so und habe schon in der Grundschule die anderen Kinder in meiner Klasse um ihr Frühstücksbrot oder ihr jämmerliches Taschengeld betrogen. Ohne, dass sie recht verstanden, was eigentlich los war. Und erst recht, ohne dass sie verstanden, dass ich dahintersteckte.
Ich gehörte nicht zu denen, die Gewalt anwendeten und andere Kinder auf dem Schulhof „abzogen". Ich hatte bessere Methoden und das ist im Prinzip bis heute so geblieben. Na ja, ich habe nichts gegen Gewalt und Blut, aber ich mache mir nicht gerne selber die Hände schmutzig. Dafür habe ich meine Leute.

Ich „spiele" lieber.

Es ist schon sehr lange her, dass ich meinen ersten Mord begangen habe. Ich war damals noch ein "Kind", zumindest vom Alter her. Ich habe einen Jungen in einem Schwimmbad ermordet und es war so einfach. Ich verhielt mich damals wie ein ganz normaler Teenager, wie jeder andere meines Alters. Ich hatte festgestellt, wenn man sich ganz normal verhält, angepasst und unauffällig und dann meinen Intellekt hat, dann kann man alles machen. Und kommt mit allem durch.
Gott, um mich herum waren alle so dumm. Keiner von ihnen SAH ...

Nun, doch. Einen gab es.
Einer, ein Einziger, der wie ich war und es bis heute ist.
Alle anderen sind ... nicht real.

Ich bin eine reale, eine echte Person. Alle anderen sind ... nur Bilder ... nur holografische Reproduktionen ... fallengelassene Maschen im Strickmuster des Universums. Eindrücke meiner Großhirnrinde oder Fehler in der Matrix. Wie auch immer man es nennen will, sie sind nicht echt.
Sie tun echte Dinge, keine Frage, und was sie tun, hat Einfluss auf mich. Ja, sie atmen, sie essen und sie scheiden die Reste wieder aus. Sie können mich verletzen, sie können mir wehtun und sie können mir Lust bereiten ... und dennoch, sie sind ... anders. Sie sind nicht wichtig.
Ich bin die einzige echte, reale, wirkliche Person.

Nun ...
Nein, nicht die Einzige. Einen Anderen gibt es noch und nur ihn. Er ist sich aber dieser Tatsache nicht bewusst, dass wir beide gleich sind. Er weiß wohl, dass er auf seine Weise einzigartig ist, aber er ist eben nur fast so intelligent wie ich.
Sherlock Holmes.



Mein erster Mord.
Ich hab diesen Jungen, Carl Powers, damals ermordet, weil er mir mit seiner Selbstgefälligkeit auf den Nerv ging. Niemand hat mich zu nerven und niemand außer mir hat einen Grund, selbstgefällig zu sein.
Alle um mich herum waren dumm. Niemand merkte, dass etwas nicht stimmte.
Nur er. Sherlock Holmes.

Es war das erste Mal, dass er mir einerseits auffiel und andererseits lästig wurde, denn er rannte zur Polizei und erzählte ihnen, was geschehen war. Er wusste es einfach.
Da erkannte ich, dass auch er SAH und ich begann, ihn im Auge zu behalten.

Älter werdend fand ich heraus, dass ich mit meinem Talent, so möchte ich es nennen, Geld verdienen und sehr gut leben konnte. Ich wurde, wie Sherlock Holmes mich später nannte, zum Consulting Criminal und baute mir zu dem Zwecke auch gleich noch eine weltweite Verbrecherorganisation auf.
Wie gesagt, ich mache mir nicht gerne selber die Hände schmutzig.

Wenn einer den reichen Erbonkel oder sonst eine missliebige Person aus dem Weg haben wollte, beauftrage ich den, der mir von meinen Leuten dafür am geeignetsten erscheint.

Außerdem ist das ganze ein gutes Mittel gegen meine allgegenwärtige Langeweile. Langeweile ist wohl die Plage der Hochintelligenten. Mein Hirn weiß immer alles schon im Voraus und findet kein Vergnügen an den kleinen, seltsamen Tätigkeiten der „normalen" Menschen, die für mich doch nicht viel mehr sind als Ameisen.

In meiner Organisation gab es nur zwei Leute, die mich von Angesicht zu Angesicht kannten.
Ich meine damit, nur diese Zwei wussten, wie Moriarty aussieht.
Etliche Andere, die wissen, dass sie für Moriarty arbeiten, aber mein Gesicht nie gesehen haben. Nein, so ist das falsch; viele von ihnen haben es gesehen, nur ohne zu wissen, dass sie in diesem Augenblick J. Moriarty in die Augen sahen.
Ich bin mit einem geradezu freundlich aussehenden, harmlos wirkenden Allerwelts- Durchschnittsgesicht gesegnet. Und ja, das ist tatsächlich ein Segen.
Dann gibt es viele, ihre Zahl ist Legion, die ab und zu mal Aufträge bekommen und dafür gut bezahlt werden, ohne zu wissen von wem. Die wahrscheinlich, wenn sie wüssten, dass ihre Aufträge von Moriarty kämen, entsetzt wären und nicht mehr mitspielen würden.

Harmlose Aufträge, wie jemanden vorzustellen, einen Brief in einen Kasten zu werfen, eine bestimmte Anzeige zu schalten. Solche Dinge eben.
Im Großen und Ganzen hat das immer funktioniert, nur ...
Einer hat mir immer wieder ins Handwerk gepfuscht.

Sherlock Holmes.

Er hat über die Jahre immer wieder Fälle gelöst, die meine Handlanger in meinem Auftrag begangen hatten. Bisher war mein Name dabei noch nie gefallen, aber es war lästig und es würde früher oder später dazu kommen.
Sherlock Holmes begann mir ernsthaft auf die Nerven zu gehen, andererseits war er ein würdiger Gegner.

Er war der einzige ernstzunehmende Gegner und mein Interesse wuchs, mit ihm ein Spiel zu spielen.

Ach, habe ich übrigens schon erwähnt, wofür das J. steht?

Die Meisten, die mit mir zu tun haben, denken, es bedeutet Jim. Das ist nicht ganz falsch, da Jim ein Spitzname aus Jugendtagen ist. Ich mag ihn, deshalb habe ich ihn behalten.
Aber eigentlich bedeutet J. etwas anderes.

Eigentlich steht das J. für John.

Gestatten – John Hamish Moriarty.

Das Janus ProjektWhere stories live. Discover now