Im Auge des Janus - Teil 6

57 8 0
                                    


Richard verdrehte genervt die Augen, als das Handy ansprang und sagte:
„Ihr gestattet, dass ich dran gehe? Könnte wichtig sein, ich bin gewissermaßen immer im Dienst."
„Nein, bitte, tun Sie sich keinen Zwang an. Sie haben Zeit, den Rest ihres Lebens ..."

Gut gekontert Sherlock.

Und nun lieferte der Kleine noch einmal die große Show. Er machte das ganz hervorragend.
„Hallo?", fragte er. Wartete einen Augenblick und sagte dann:
"Ja natürlich Moriarty, wer sonst? Was ist?"
Und er richtete ein entschuldigendes Schulterzucken in unsere Richtung.
Plötzlich brüllte er in das Telefon:
„Ist das Ihr Ernst? Hören Sie ... einen Moment."
Er nahm das Handy runter und kam auf uns zu.
„Sorry", sagte er, „Aber wie es aussieht, ist heute kein guter Tag zum sterben."
„Wie bedauerlich", sagte Sherlock mit der desinteressiertesten Stimme, zu der er in der Lage war. „Haben Sie andere Pläne?"
„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, Liebling", sagte er und zwinkerte Sherlock zu.
Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Telefon und begann, mit gefährlich leiser Stimme zu sagen:
„Also, Sie sind entweder sehr bald sehr reich oder Sie werden zu einem exzellenten Paar Schuhe aus hochwertig verarbeitetem Leder. Was genau genommen doch beides gute Aussichten sind, nicht?"
Und er verließ, nun endgültig, den Pool. Bevor er jedoch verschwand, schnipste er mit dem Finger und die roten Laserpunkte verschwanden ebenfalls.

Himmel, das hatte mir Spaß gemacht.
Richard und auch Mary hatten ihre Sache sehr sehr gut gemacht.
Da wären wohl ein paar Belohnungen fällig. Ich würde mir etwas einfallen lassen.

Sherlock atmete schwer und versuchte, seine Reaktionen auf die ganze Sache unter Kontrolle zu bekommen.
„Was war das gerade? Oder genauer gesagt, wer?", fragte ich unschuldig und scheinbar ebenfalls ganz außer Atem.
„Er hat es sich wohl anders überlegt, aber warum ... keine Ahnung. Ich wüsste schon gerne, wer das gerade war."
Ich zuckte mit den Schultern.
Und nein, Sherlock würde es nie erfahren.

Jetzt erst einmal kümmerte er sich um mich. Sobald er selber etwas zu Atem gekommen war half er mir, aufzustehen. Ich genoss seine Berührung und seinen Duft, das will ich gar nicht bestreiten. Ich spielte eine Kreislaufschwäche und ließ mich von ihm auffangen.
Er hielt mich, befeuchtete meine Wangen mit kaltem Wasser, führte mich nach draußen. Ließ mich auf einer kleinen Mauer nieder und rief uns ein Taxi.
Natürlich rief er auch die Polizei, die sich um den Schauplatz und die Sprengstoffweste kümmerte. Die Spurensicherung leistete die gewohnt brillante Arbeit. Was bedeutete: Sie fanden nichts.
Nur den Stick, und ich hatte ein paar Stunden später das Vergnügen, einen wütenden Lestrade von der Zerstörung wichtiger Daten schimpfen zu hören ...
Auch hier war also zu meiner Zufriedenheit gearbeitet worden.

Zurück in der Baker Street verfrachtete Sherlock mich auf das Sofa, wickelte mich in eine Decke ein und machte mir Tee.
ER machte MIR Tee! Das war in der gesamtem Zeit, die ich nun schon bei ihm wohnte, noch nicht vorgekommen. Und der Tee, ein Earl Grey, schmeckte sehr gut. Er hatte ihn perfekt ziehen lassen und so serviert, wie ich Earl Grey mochte: Im Gegensatz zu anderen Tees trank ich den am liebsten pur.
„John, ich...", sagte er, als er mir die Tasse reichte. „Es tut mir leid, dass ich Sie so in Gefahr gebracht habe."
„Schon gut", brummte ich und genoss den ersten Schluck. Hervorragend.
„Nein", sagte er, „ich meine das wirklich ernst. Und ich könnte verstehen, wenn Sie genug haben und mich nicht mehr bei meinen Fällen unterstützen möchten. Ich könnte sogar verstehen ...," er wurde mit jedem Wort leiser, „wenn Sie ausziehen möchten."

Ich schmunzelte in mich hinein.
Nach außen hin war ich aber ganz der bestürzte John.
„Nein! Sherlock, wie kommen Sie nur darauf! Sie können doch nichts für die Taten dieses Wahnsinnigen... Und ich werde Sie ganz bestimmt nicht deswegen im Stich lassen, immerhin lie ..."
So, dieses Wort hatte ich absichtlich abgebrochen und ließ dieses „beinahe hätte ich mich verraten" ein bisschen wirken.
Sherlocks Wangen wurden in der selben Sekunde rot. Er, der behauptete, keine Gefühle zu kennen, zeigte alle Zeichen von Gefühlsverwirrtheit.
Und Hoffnung.
Seine Augen begannen zu leuchten, er holte Luft und setzte an:
„John, ich ..."
Ich hatte gleichzeitig mit ihm zu sprechen anfangen und beendete den Satz, allerdings ganz anders, als er es sich vermutlich vorgestellt hatte.
„Immerhin ließen Sie mich von Anfang an nicht im Unklaren, dass es gefährlich werden könnte."
Seine Gesichtsfarbe wechselte von rot zu kalkweiß.
Seine Augen verdunkelten sich.
„Ich wünschte ..." sagte ich leise, ließ aber ungesagt, was ich mir wünschte.

Gleichzeitig setzte ich den flehendsten Dackelblick auf, zu dem ich in der Lage war. Und der ist nicht ohne, der wirkt regelrecht Wunder, wenn ich es drauf anlege.
„Sherlock, ich weiß, dass Sie so etwas normalerweise nicht tun und das Freundschaft für Sie nicht existiert und so weiter. Das ist schon in Ordnung. Aber darf ich Sie trotzdem bitten, mich ... einfach in den Arm zu nehmen? Und festzuhalten?"
Ich bewegte mich auf gefährlichem, dünnem Eis.
Ja natürlich war diese Bitte ein herrliches Mittel um ihn zu quälen.
Aber es würde auch für mich nicht ganz einfach sein, ihn so nah zu haben und hinterher loszulassen. Und dann nicht über die Sofalehne zu legen und besinnungslos zu vögeln.
Nichtsdestotrotz war es letztendlich kein Problem. Denn wenn ich auch zugeben muss, dass ich nicht auf jedem Gebiet ein Muster an Selbstkontrolle bin – ja, ich neige zu Wutausbrüchen und so manch einer, der Anlass dazu gegeben hat, hat das entweder bitter bereut oder hatte nicht mehr die Zeit dazu – bin ich was Sex betrifft, sehr gut dazu in der Lage. Ich bestimme den Zeitpunkt und das Procedere. Selbst wenn ich beschlossen habe, ein Sexobjekt zu benutzen und hinterher zu entsorgen, bin ich beherrscht genug, um das alles so hinzubekommen, dass ich keine Spuren hinterlasse. Oder falsche Spuren, was immer ausgesprochen amüsant ist.

Jedenfalls sorgte Sherlock sich an diesem Abend rührend um mich und verhätschelte mich. Es herrschte eine Spannung zwischen uns die mich überlegen ließ, ob ich nicht doch meine Pläne ein wenig anpassen und mit ihm schlafen solle ... ich entschied mich dann doch dagegen.
Nun sagen wir, vorerst.

Das Janus ProjektKde žijí příběhy. Začni objevovat